Neuer Streit über die Pkw-Maut: „Bayerische Patrioten“ gegen Merkel
Nach dem TV-Duell ist der Streit über die Pkw-Maut in der Union offen ausgebrochen. Ohne Maut keine Koalition, fällt Horst Seehofer der Kanzlerin ins Wort.
MÜNCHEN taz | Eigentlich, so schien es, wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Frieden mit der CSU vor der Bundestagswahl wahren. Anfang August hatte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) in gewohnt aufmüpfiger Manier gedroht, er werde ohne die Einführung einer Pkw-Maut für Ausländer auf deutschen Straßen nach der Wahl keinen Koalitionsvertrag unterschreiben.
„Meint Horst Seehofer das ernst, oder spinnt er nur wieder rum?“, wollte Pro7-Moderator Stefan Raab deshalb am Sonntag beim TV-Duell zwischen Merkel und Steinbrück von der Kanzlerin wissen.
Merkel versuchte zu lavieren. Zwar sei Seehofers Vorhaben, nur ausländische Autofahrer zu belasten, „europarechtlich schwierig“, aber man werde nach der Wahl ganz sicher einen Weg finden, dass alle miteinander zufrieden sind, sagte die Kanzlerin.
Das klang zunächst schwer nach einem ähnlichen Verfahren wie beim Betreuungsgeld. Auch die Sozialleistung für Eltern, die ihre Kleinkinder nicht in die Krippe geben, hatten die bayerischen Christsozialen gegen alle Widerstände in Berlin durchgesetzt.
Erst als SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück sich beim Duell klar gegen die Pkw-Maut aussprach, wurde Merkel deutlich. „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben“, sagte sie.
Prompt keilte Seehofer am Montag in seiner Bierzeltrede auf dem Gillamoos-Volksfest im niederbayerischen Abensberg zurück. Er wolle auch gegen den Widerstand der Bundeskanzlerin weiter für die Einführung einer Pkw-Maut kämpfen.
Es sei das gute Recht der CSU, sich als „bayerische Patrioten“ in Berlin durchsetzen zu wollen. Deshalb habe er noch am Sonntag mit der Kanzlerin telefoniert.
EU-Recht aushebeln
Merkels Bedenken, eine Maut nur für ausländische Autofahrer sei europarechtlich nicht durchsetzbar, wies Seehofer zurück. Ausländer sollten die Maut direkt zahlen, während die deutschen Autofahrer die Benutzungsgebühr mit der Kfz-Steuer entrichten sollen. „Mit dem Kfz-Steuerbescheid kriegt der deutsche Bürger ein Pickerl.“ Damit sei die Benutzung der Straßen bezahlt. Eine solche Regelung hatte der ADAC erst kürzlich als „Irrtum“ bezeichnet, der gegen EU-Recht verstoße.
Lachender Dritter ist dabei die SPD. Der bayerische Landesverband verbreitete umgehend nach dem Duell, der CSU-Chef sei nun „ein kastrierter Kater“, und Christian Ude, der Seehofer in Bayern nach der Landtagswahl am 15. September als bayerischen Ministerpräsidenten beerben will, bezeichnete die beiden Schwesterparteien am Montag in Abensberg als „nicht einmal mehr koalitionsfähig“.
Es wird die SPD sein, die das Thema Pkw-Maut nun bis zur Wahl nicht mehr ruhen lässt – egal, ob Merkel und Seehofer das wollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid