Neuer Sci-Fi-Film „Elysium“: Paul Verhoevens legitimer Nachfolger
Neill Blomkamp liefert mit „Elysium“ eine intelligente Gesellschaftssatire, die brachiale Mittel nicht scheut. Matt Damon gibt den Widerstandskämpfer.
Die Aufteilung der Welt ist in Neill Blomkamps Science-Fiction-Film „Elysium“ sehr übersichtlich. Sie entspricht den meisten gesellschaftlichen Schreckensszenarien seit Fritz Langs „Metropolis“: Oben leben die Reichen im Exzess, unten schuften die Unterprivilegierten. Wenn der junge Max von der Erde aus in den Himmel blickt, träumt er nicht von fernen Welten. Er hofft auf eine nachhaltige Zukunft mit grünen Bäumen und sauberer Luft.
„Ich werde dich eines Tages da oben hinbringen“, verspricht der Junge seiner Freundin. Da oben kreist die Raumstation Elysium in sicherem Abstand um den einst blauen Planeten. Elysium ist Zufluchtsort für alle, die sich ein Ticket leisten konnten. Im Jahr 2154 leben die Eliten in einer gigantischen, spulenförmigen Gated Community mit ausgeklügeltem Sicherheitssystem, autarker Regierung und dem Versprechen ewigen Lebens. Zur Ausstattung der Haushalte gehört eine Art medizinische Wunderröhre, die alle bekannten Krankheiten und Verletzungen in Sekunden heilt.
Elysium ist kalt und glatt wie die Benutzeroberfläche eines Computers. Dieser durch und durch technifizierte Ort stellt in seiner Formgebung die Antithese zu dem Kino dar, dem der Südafrikaner Blomkamp mit seinem Regiedebüt „District 9“ Reverenz erwiesen hat. „Elysium“ ist sein nächster, mit 130 Millionen Dollar Budget allerdings deutlich kostspieligerer Versuch, eine Form von Actionkino in das 21. Jahrhundert zu retten, das unter der Ägide des Digitalen und der Dreidimensionalität obsolet zu werden droht.
Matt Damon (als aufrechter Widerstandskämpfer) und Jody Foster (als kaltblütige Sicherheitschefin) verleihen diesem Kino eine ganz spezifische Körperlichkeit, die daran erinnert, dass Science-Fiction-Utopien mal ein Produkt menschlichen Durchsetzungsvermögens (und nicht bloßer Rechnerleistung) gewesen sind. Auch „Elysium“ ist, wenn sich die Kamera im Anflug auf eine zersiedelte Megalopolis oder die Suburbia-Residenzen auf Elysium befindet, ganz Ornament und Masse. Gleichzeitig versteht es Blomkamp, die physischen Kräfte so mit seinen digitalen Architekturen zu verschmelzen, dass die Aktion der Logik realistischer Bewegungsabläufe folgt.
Endlose Wellblechsiedlungen
Als Filmemacher fühlt sich Blomkamp auf der Erde dann auch merklich wohler. Sein Los Angeles sieht aus wie eine Metropole des 22. Jahrhunderts, die in der Vergangenheit hängen geblieben ist: eine nach ganz eigenen Gesetzen funktionierende Mangelökonomie aus endlosen Wellblechsiedlungen. Hier geht Max einem Fließbandjob nach. Eher zufällig beginnt er aufzubegehren.
Nachdem er bei einem Arbeitsunfall einer tödlichen Strahlendosis ausgesetzt wird, bleibt Elysium seine einzige Überlebenschance. Um seinen schwächelnden Arbeiterkörper zu stärken, zwängt er sich in eine hydraulische Rüstung mit Firewire-Zugang. Doch die Information, die er als Gegenleistung für ein Flugticket aus dem Gehirn eines reichen Geschäftsmannes extrahiert, erweist sich als heiße Ware. Ohne es zu ahnen, hat Max den Überschreibungscode für das Sicherheitssystem von Elysium auf seine Festplatte geladen.
Auch wenn Blomkamps Stärken zweifellos in den Action-Sequenzen liegen, beweist er mit „Elysium“ einen sicheren Zugriff auf klassische Science-Fiction-Motive. Wie versiert er diese handhabt, sucht im aktuellen High-Concept-Kino Hollywoods seinesgleichen: eine Gesellschaftssatire, die brachiale Mittel nicht scheut; Action, die bei allem Machismo die Verletzlichkeit der Mensch-Maschine thematisiert; und Spezialeffekte, die sich der Handlung unterordnen. Neill Blomkamp empfiehlt sich mit „Elysium“ als legitimer Nachfolger Paul Verhoevens.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe