Neuer NSU-Untersuchungsausschuss: Wo Neonazis Urlaub machen
Am Donnerstag startet der NSU-Untersuchungsausschuss in Mecklenburg-Vorpommern. Die lokalen Netzwerke des Trios sind bislang kaum aufgeklärt.
Der staatlich anerkannte Luftkurort Krakow am See auf der mecklenburgischen Seenplatte ist mit seiner idyllischen Lage ein beliebtes Urlaubsziel. Vielleicht war es nur diese Tatsache, die Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Bönhardt dazu bewog, hier Anfang der 1990er Jahre vier Wochen Campingurlaub zu machen. Vielleicht aber pflegte die Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) auch Kontakte zu rechtsextremen Netzwerken in dieser Region – Netzwerke, die bis heute bestehen.
Das ist eine der Fragen, mit denen sich der NSU-Untersuchungsausschuss in Mecklenburg Vorpommern befassen soll, der am Donnerstag zum ersten Mal zusammenkommt. Dass der NSU auch in diesem Bundesland aktiv war, ist klar: In Rostock wurde 2004 der 25-jährige Mehmet Turgut in einem Dönerimbiss mit mehreren Schüssen in Hals, Kopf und Nacken regelrecht hingerichtet, Tatwaffe war die vom NSU präferierte Ceska 83. Ende 2006 und Anfang 2007 soll das Trio außerdem eine Sparkasse in Stralsund überfallen haben. Und nicht nur Krakow am See, sondern auch die Insel Rügen gehörte zu den Urlaubszielen des NSU.
Kaum Wissen gibt es bislang aber darüber, welche Verbindungen der NSU nach Mecklenburg-Vorpommern hatte, woher er die für den Mord an Mehmet Turgut notwendige Ortskenntnis nahm, auf welche lokalen Unterstützer das Trio zählen konnte. Zwar setzte der Landtag in Schwerin vor einem guten Jahr einen Unterausschuss zu diesem Thema ein, doch ein solcher verfügt im Gegensatz zu einem Untersuchungsausschuss nur über sehr beschränkte Rechte. Die Vernehmung von Zeugen gehört beispielsweise nicht dazu. „Wir drehen uns im Kreis und laufen bei der Aufklärung gegen Wände“, hatte der Linken-Abgeordnete Peter Ritter die Arbeit des Ausschusses in der taz beschrieben.
Die Einsetzung des Untersuchungssausschusses hatte sich mehrfach verschoben. Grund waren Querelen innerhalb der rot-schwarzen Regierung: Die CDU hatte der SPD vorgeworfen, mit der Ankündigung des Ausschusses vorgeprescht zu sein und sich dabei stärker an der Linksfraktion als am Regierungspartner orientiert zu haben.
Kritiker werfen der Landesregierung vor, bei der Aufklärung der NSU-Verstrickungen im Bundesland seit Auffliegen des Trios 2011 kaum vorangekommen zu sein. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU), bereits seit 2006 im Amt, hat den Vorwurf unzureichender Ermittlungen stets zurück gewiesen.
Hinweise auf den NSU schon vor 2011?
Zwei Aspekte der Arbeit des Untersuchungsausschusses haben besondere Brisanz: Zum einen könnten Erkenntnisse über die NSU-Netzwerke in Mecklenburg-Vorpommern weitere Hinweise darauf geben, dass die sogenannte Trio-These nicht haltbar ist und es sich beim NSU in Wirklichkeit um ein weit über Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt hinaus bestehendes Netzwerk handelte. In Mecklenburg-Vorpommern ist die Szene rechtsextremer, völkischer und nationalistischer Gruppen sehr vielfältig. Lokale Kameradschaften, völkische Siedler oder auch sogenannte Prepper und Doomer organisieren sich in Netzwerken vor Ort.
Hochbrisant ist außerdem die Frage, ob nachgewiesen werden kann, dass die Sicherheitsbehörden schon vor 2011 Kenntnis von der Existenz des NSU gehabt haben müssen. Auch dafür könnten sich in Mecklenburg-Vorpommern Hinweise finden: Im Neonazi-Fanzine „Der Weiße Wolf“, das sich vor allem an die Szene in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern richtete, fand sich schon 2002 der fettgedruckte Hinweis „Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen“.
Im Herbst 2014 flog außerdem auf, dass der V-Mann Corelli schon 2005 eine CD an seinen V-Mann-Führer übergeben haben soll, auf der sich deutliche Hinweise auf den NSU befanden. Eine nahezu identische CD fanden Polizisten nach Darstellung der Sicherheitsbehörden per Zufall bei einer Hausdurchsuchung im April 2014. Fundort: Das idyllisch gelegene Krakow am See.
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