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Neuer NSU-AusschussGrüne dafür, SPD zögert

Muss der Bundestag einen zweiten NSU-Untersuchungsausschuss ins Leben rufen? Die SPD vermisst die große neue Frage.

Sie sehen beschäftigt aus. Geschafft hat der erste NSU-Untersuchungsausschuss aber nicht alles Bild: dpa

BERLIN taz | Nach der Linksfraktion machen sich auch die Grünen für einen zweiten NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag stark. „Ich fände einen neuen Anlauf richtig“, sagte die grüne Innenexpertin Irene Mihalic der taz. Im NSU-Komplex tauchten beinahe jeden Tag neue Fragen und Widersprüche auf. „Der erste Untersuchungsausschuss konnte nicht fertig werden. Viele Akten wurden zu spät oder gar nicht geliefert“, argumentiert Mihalic. An diesen Punkten müsse der Bundestag weiterarbeiten. Gerade auch bei den Bundesbehörden bestehe „noch viel Klärungsbedarf“.

Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau von der Linksfraktion hatte in der taz.am wochenende einen neuen NSU-Untersuchungsausschuss gefordert, um dem Versprechen der „rückhaltlosen Aufklärung“ gerecht zu werden. So wie sie macht nun auch die Grünen-Abgeordnete Tempo: Die Wahlperiode im Bundestag sei schon fast zur Hälfte vorbei. „Wenn wir uns dazu entschließen, sollten wir nach der Sommerpause loslegen“, sagte Mihalic.

Die Grünen-Abgeordnete sitzt derzeit als Obfrau im Edathy-Untersuchungsausschuss. Sie signalisierte, danach in den NSU-Untersuchungsausschuss einsteigen zu wollen: „Ich würde für die Grünen-Fraktion als Obfrau bereitstehen.“

Doch ganz so weit ist es noch nicht. Grüne und Linksfraktion könnten einen neuen NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag zwar mit den Stimmen der Opposition beschließen, aber genau das wollen sie nicht. „Wir brauchen einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen“, sagte Mihalic.

Die SPD jedoch zögert. „Ich bin eher skeptisch“, sagte die Vize-Fraktionschefin Eva Högl der taz. „Bisher sehe ich für einen zweiten Untersuchungsausschuss noch nicht genug Stoff.“ Es müssten für diesen Schritt „ganz maßgebliche neue Anhaltspunkte“ vorliegen, ein NSU-Ausschuss im Bundestag solle nicht bloß „die x-te Behördenpanne“ untersuchen.

Doch genau das befürchtet die SPD-Politikerin: „Die relevante, große neue Frage für einen zweiten Untersuchungsausschuss im Bundestag sehe ich bisher noch nicht.“ Högl kündigte an, dass sich die Fachleute aller vier Fraktionen spätestens im Juni zusammensetzen und Bilanz ziehen: „Am Ende wird auf jeden Fall eine gemeinsame Entscheidung von uns stehen.“

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2 Kommentare

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  • Noch ein wichtiger Aspekt kommt hinzu - das unheimliche Bewußtsein, daß "der NSU lebt", wie es Thomas Moser im Januar 2014 in den "Blättern für deutsche und internationale Politik" formulierte (https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2014/januar/der-nsu-komplex-wer-ermittelt-gegen-den-verfassungsschutz). Der NSU lebt bis heute fort in mindestens denjenigen Menschen in den Sicherheitsbehörden, die 2011, 2012 und 2013 Aktenvernichtungen anordneten bzw. diese Anordnungen wider besseres Wissen ausführten, er lebt möglicherweise fort in denen, die vermutlich die letzten drei Zeugen umbringen ließen - und er lebt möglicherweise fort auf der Ebene der Präsidien der Ämter und der Innenstaatssekretäre, die nur sehr unglaubhaft versichern, von alldem nichts gewußt zu haben. - Dieses "Leben des NSU" bedeutet eine permanente Gefahr, nicht etwa, wie man kurzschlüssig vermuten könnte, für Migranten in Deutschland, sondern für alle die versuchen, die Wahrheit hinter dem "NSU-Phantom" zu ergründen.

  • Eine "relevante, große neue Frage" stellt - neben mehreren anderen - zweifellos die Tatsache dar, daß die von BKA-Chef Ziercke und Generalbundesanwalt Range am 21.11.2011 im Innenausschuß des Bundestages geäußerte These, Mundlos müsse zuerst Böhnhardt erschossen, Feuer gelegt und dann sich selbst getötet haben, widerlegt ist. Und zwar durch den Obduktionsbericht der Jenaer Gerichtsmedizin, der bei beiden Toten weder Ruß in der Lunge, noch Kohlenmonoxid im Blut feststellte, mithin beide tot gewesen sein müssen, als es zu brennen begann. Öffentlich gemacht von MdL Dorothea Marx (SPD) im März 2014 im 1. Thüringer NSU-Ausschuß. (http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/nsu-ausschuss-in-erfurt-pumpgun-patronenhuelsen-rauch-und-russspuren-12876332.html) Damit fällt aber auch die These vom Selbstmord der beiden. - Der Verdacht jedoch, beide könnten ermordet worden sein, dreht die gesamte NSU-Geschichte, wie sie bisher staatlicherseits erzählt wird, um. Diese Frage ist so bedeutend, daß sie allein einen neuen Bundestagsausschuß rechtfertigte. - Und hinzu kommen weitere entscheidende Fragen: Warum wurden an keinem der Tatorte Fingerabdrücke und DNA des "Trios" gefunden? Warum mußten mindestens drei (möglicherweise auch vier oder mehr) Zeugen im NSU-Komplex eines plötzlichen Todes unter seltsamen Umständen sterben? Warum erhielt ausgerechnet Edathy den Vorsitz im ersten Ausschuß, obwohl das BKA die Kinderporno-Liste mit seinem Namen bereits vorliegen hatte? In welche Richtung wiesen die neuen Ermittlungen im Polizistenmordfall von Heilbronn im Sommer 2011? Warum wurden die Spuren, die auf eine Verwicklung von Pilizistenkollegen in die Tat deuteten, nicht mehr weiter verfolgt? - Und noch viele Fragen mehr.