Neuer Münster-“Tatort“: Stadt unter Einfluss
Dieser „Tatort“ ist ein Quotenschlager. Warum hat ein halbgares Comedyformat Erfolg? An den künstlerischen Leistungen kann es kaum liegen.
Die letzte Folge des Münster-„Tatorts“ bescherte den Verantwortlichen die beste Quote des Traditionsformats seit drei Jahrzehnten. Uwe Preuss, als Leiter der Mordkommission Rostock beim internen Konkurrenzunternehmen „Polizeiruf“ aktiv, sagte kürzlich im taz-Interview, das überbordende Krimisegment im deutschen TV halte „die Leute wach oder sie schlafen dabei ein und haben im besten Fall eine gute Erinnerung an das Produkt“.
Wenn, wie bei mir, der Laptop mit der Folge „MagicMom“ weiterläuft, obwohl ich schon schön schnarche, dann würde ich zur Live-Sendezeit auch zur Zählgemeinde gehören. Meine Erinnerung ist allerdings auch im wachen Zustand, nachdem ich mir den Rest der Sache angeschaut habe, nicht gut.
Objektiv gibt es hier eine schwache Ensembleleistung mit Ausrutschern nach unten und nach oben (Monika Oschek glänzt als Obere-Mittelschicht-Mom Thekla Cooper mit Begehrlichkeiten auf den sexy Nachbarn). Die Musik ist tausendmal gehört, die Dramaturgie schleppend, und die zweimalige Hubschrauberperspektive auf Münster wirkt wie aus dem WDR-Vorabendprogramm herausgeschnitten: Hallo wach, wir sind in Münster!
Nun ist mir klar, dass – siehe Quote – viele Menschen die erzählten Geschehnisse rund um die moderne Kombination aus Heinz Rühmann/Ekel Alfred alias Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Pathologe Prof. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) spannend, lustig oder eben zumindest befriedigend einschläfernd finden. Und das Drehbuch von Regine Bielefeldt spiegelt vielleicht tatsächlich wider, wie in deutschen Betrieben und Amtsstuben um die Institution einer „Sensibilitätsbeauftragten“ und anderen „Genderkram“ herumgewitzelt wird. Aber als zufällig in die Sache Reingepurzelter kann ich diese Art von Abendunterhaltung doch nur als deutschen Sonderweg einordnen.
„MagicMom“, So., 20.15 Uhr, ARD
In „MagicMom“ geht es um Influenzerinnen, an denen in Münster offenbar kein Mangel besteht. Aus vollautomatisierten Vorstadtvillen youtuben sie, was das Zeug hält, über ihr tolles Leben, stecken aber eigentlich bis zum Hals in Ehe-, Eifersuchts- und Empfängnisproblemen. Dieses Milieu liefert die notwendige Leiche, deren Todesursache dann umständlich aufgeklärt wird.
Eigentlich ist der Münster-„Tatort“ ein Comedyformat, das dann aber auch noch mit den Mitteln von Opas Politkabarett und dem deutschen Soziokrimi der 1970er Jahre gesellschaftliche Debatten abbilden soll.
Das ist natürlich eine Überfrachtung eines 88-minütigen Formats, ein bisschen so wie die Post-Corona-Vorstadtrestaurants, auf deren Karten alles steht, vom Schnitzel bis zum Burger, vom Flammkuchen bis zur Holzofenpizza. Nichts davon schmeckt, aber alle fühlen sich mitgenommen und sind anschließend gesättigt. Und oft sind diese verbliebenen Allroundgastronomien halt die einzigen, die Sonntags noch offen haben – wer’s spezieller oder billiger haben will, bedient sich längst bei den Lieferdiensten oder den Tiefkühltruhen der Tankstellen. Er fände es gut, sagt entsprechend Uwe Preuss im erwähnten Interview zum Modell öffentlich-rechtlicher Rundfunk, dass das im Zuge des RBB-Skandals nun aufgebrochen werde, „dass das bröckelt. Ich könnte mir vorstellen, dass da in einigen Jahren nur ein paar Free-TV-Sender übrig sind, die Headlines durchschicken, der Rest ist nur noch Streaming.“
Es wäre zumindest fair.
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