Neuer Landrat in Dithmarschen: Es geht auch ohne CDU
An der Westküste ist Historisches passiert: Die Wahl zu Dithmarschens neuem Landrat hat ein Parteiloser gewonnen. Alle außer der CDU haben ihn unterstützt.
Als Becker gefragt wurde, ob er Landrat des Kreises an der Nordseeküste werde wolle, sagte er erstens ja und kündigte zweitens seinen Job als Geschäftsführer der Messegesellschaft in Husum. Das war, rückblickend betrachtet, etwas voreilig. Denn am vergangenen Donnerstag wählte der Kreistag in Heide Beckers Gegenkandidaten Stefan Mohrdieck, den parteilosen Bürgermeister von Brunsbüttel.
Die Stunden der Kreistagssitzung waren so nervenzerfetzend wie dunnemals die Nicht-Wahl von Heide Simonis im Kieler Landtag. Dreimal mussten die Abgeordneten ihre Stimmen abgeben, dreimal lag Mohrdieck hauchdünn vorn – dann reichte die einfache Mehrheit zum Sieg.
Hinter Mohrdieck, der seit 2011 Verwaltungschef des Kanal- und AKW-Städtchens Brunsbüttel ist, standen Mitglieder von SPD, Grünen, FDP, Freien Wählern und Linken. Der Hauptgrund für die Unterstützung von Mohrdieck war, so lässt es sich den örtlichen Medien entnehmen, Ärger über die CDU, die Becker unterstützte. Offiziell hatten sich die Parteien auf Stillschweigen geeinigt, dann hatte aber die CDU als deutlich größte Fraktion ihren Favoriten Becker ins Spiel gebracht.
Ein Pirat versuchte, den CDU-Kandidaten zu retten
Die SPD, zweitstärkste Kraft im Kreistag, schmiedete das Bündnis, um Mohrdieck ins Amt zu heben. Am Ende reichte das, auch wenn Axel Sieck, der einzige Pirat im Heider Kreistag, laut Dithmarscher Landeszeitung mit der CDU stimmte. Vermutlich nicht nur aus sachlichen Gründen: Sieck war im Bürgermeisterwahlkampf 2011 Mohrdieck unterlegen.
Mohrdieck, 50 Jahre alt, stammt aus Brunsbüttel, hat dort in der Verwaltung gelernt, später Verwaltungswissenschaft studiert und war auf verschiedenen Posten im Rathaus tätig. Dazu kommen ehrenamtliche Tätigkeiten, unter anderem als Chef der örtlichen Feuerwehr. 2017 wurde er mit großer Mehrheit als Bürgermeister wiedergewählt. Er ist auch Vorsitzender der Asketa, dem Verbund der 15 Gemeinden mit Atomkraftwerken in Deutschland.
Gute Voraussetzungen für den Job also, aber gescheitert sind Becker und die CDU nicht am Mangel an Qualifikation, sondern an einer in Stein gemeißelten Tatsache: Die Leute in Dithmarschen, Nachfahren der Freien Bauernrepublik von 1447, lassen sich nichts vorschreiben. Nicht mal von der CDU.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Trump und Putin
Bei Anruf Frieden
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen