Neuer Fußball-Bundestrainer: Auf Flibbeck folgt Nagelsdaum
Julian Nagelsmann ist der neue Fußball-Bundestrainer der Männer. Der DFB wagt damit ein Experiment. Aber eines, das Erinnerungen wachruft.
Z ugegeben, die Einschätzung ist schon ein bisschen älter, aber bislang hat noch nichts diesen Satz erschüttert: „Julian ist keine Lichtgestalt.“ Es geht um Julian Nagelsmann, und der Autor dieses Satzes war auch schon einmal zum Bundestrainer ausgerufen worden: Christoph Daum.
Tatsächlich lohnt ein Blick zurück auf dessen gescheiterte Inthronisierung im Jahr 2000, um die Berufung Nagelsmanns besser zu verstehen. Damals wie heute wollte der DFB einen Vereinstrainer ohne Verbandsstallgeruch, damals wie heute versucht der DFB zugleich, seine angeschlagene Macht nicht an die reichen Klubs abzugeben.
Ausgangspunkt für Daum war ein verkacktes Turnier: Bei der EM 2000 war das DFB-Team als Gruppenletzter in der Vorrunde ausgeschieden. Bundestrainer war damals Erich Ribbeck, der erst zwei Jahre zuvor gekommen war. Im Gefolge der vermurksten WM 1998 hatte der DFB jemanden gesucht, der vor allem dank eines seriösen Images den öffentlichen Druck von der Nationalelf nimmt. Darüber hinaus war Ribbeck jemand gewesen, der sowohl als Assistent des Bundestrainers als auch als Vereinstrainer Erfolge aufzuweisen hatte. Im Grunde war er einer wie zwei Jahrzehnte später Hansi Flick.
Ribbeck scheiterte, der DFB suchte nach einer ganz neuen Lösung. Einer der damals modernsten Trainer war Christoph Daum. Er war mit dem 1. FC Köln Vizemeister und dem VfB Stuttgart Meister geworden. Als er 2000 vom DFB umworben wurde, war er gerade dabei, mit Bayer Leverkusen einen starken Antipoden zum FC Bayern München aufzubauen. Leverkusen wollte ihn daher noch nicht freigeben, und man vereinbarte, dass für eine Übergangszeit Rudi Völler, damals Sportdirektor von Leverkusen, die Mannschaft betreuen sollte. Daum wäre dann 2001, nach Ende der Ligasaison, Bundestrainer geworden.
Kokain und der gescheiterte Versuch
Gegen Daum hatte sich ganz massiv Bayern München positioniert. Von Uli Hoeneß kolportierte Gerüchte, Daum nehme Kokain, bewirkten, dass dieser mit einer Haarprobe öffentlichkeitswirksam zeigen wollte, dass er clean sei. Bekanntlich belegte die Probe das Gegenteil, und zu einer ganz großen Weltkarriere des Fußballtrainers Daum kam es nicht mehr.
Ganz nebenbei bewirkte der Skandal, dass das Experiment Daum damals nicht zur Anwendung kam: Ein junger, erfolgreicher Vereinstrainer, dem alle nachsagen, er verkörpere die Fußballmoderne, wurde dann doch nicht verpflichtet.
Den Kokainskandal mal beiseite gelassen, sind die Parallelen zwischen Daum und Nagelsmann nicht zu übersehen. Beide widersprechen dem gängigen Muster einer Nationaltrainer-Verpflichtung, wonach der Kandidat entweder ein alt und grau gewordener Fußballlehrer oder ein nicht renommierter DFB-Trainer sein müsse. Wie Daum soll Nagelsmann nach einem verkackten Turnier antreten.
Zwar wird seine Verpflichtung vom mächtigen FC Bayern nicht öffentlich kritisiert, aber dass der DFB zeitgleich mit dieser Bundestrainerpersonalie einen Geschäftsführer namens Andreas Rettig verpflichtet hat, den die reichsten Klubs der Liga nicht mögen, deutet an, dass die Kämpfe weitergehen. Der DFB versucht mit der Nagelsmann-Verpflichtung etwas, woran er 2000 noch gescheitert war: die Kompetenz der hochprofessionellen Klubtrainer für sich zu nutzen, ohne gleich die Macht an die Klubs abzutreten.
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