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Neue Webseite gegen FloskelsündenDer Schock sitzt tief

Die rote Linie ist überschritten! Zwei Journalisten stellen die Weichen für weniger Phrasen in den Medien. Wir nehmen sie beim Wort.

Dunkel und bedrohlich zieht die Floskelwolke am Himmel herauf. Bild: dpa

Jetzt ist es raus. Es ist ein guter Tag für den Journalismus. Die beiden Nachrichtenredakteure Udo Stiehl und Sebastian Pertsch decken ab heute das verheerende Ausmaß von Floskeln in den Medien auf. Auf floskelwolke.de sammeln sie alle zwölf Stunden das aktuellste Wortgeklingel. Dazu nehmen sie nahezu alle deutschsprachigen Zeitungen, Magazine, Radio- und Fernsehsender unter die Lupe.

Nach der ersten Analyse sitzt der Schock tief, die Ursache für diesen Schlamassel aber bleibt unklar. Sicher ist: Allzu oft werden Phrasen von Redakteuren ohne Not einfach durchgewunken. Liegt das daran, dass manche Schreiberlinge auf der faulen Haut liegen und die Seele baumeln lassen? Oder könnte der ultimative Zeitmangel schuld sein?

Der ist nämlich kein Einzelfall. Wer kennt sie nicht: Journalisten, die am helllichten Tage fieberhaft mit Hochdruck auf Hochtouren arbeiten. Manchmal sogar auf offener Straße. Da rutscht eben mal durch, was vorher schon in den Startlöchern stand.

„Halb so wild“, sagen manche Journalisten gegenüber anderen Journalisten, lehnen sich mit dieser Aussage aber weit aus dem Fenster. Denn Floskeln können sich schnell in das kollektive Gedächtnis brennen und dort hermetisch abgeriegelt erdrutschartigen Erfolg haben. Dann geht wirklich nichts mehr, dann ist eine rote Linie überschritten.

Jetzt bleibt Journalisten nichts anderes übrig, als zurückzurudern und nachzubessern, bevor die Lage eskaliert. Die Floskelwolke könnte ihnen aus der Patsche helfen. Sie hat Potential zum Rettungsanker. Denn, dass da definitiv noch Luft nach oben ist, ist sogar für Laien verständlich.

Wie schnell Maßnahmen getroffen werden, bleibt allerdings abzuwarten. Ihre Wirksamkeit muss die Wolke erst noch unter Beweis stellen.

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5 Kommentare

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  • Schöne Satire: Gespickt mit Floskeln der dämlichen Art!

    Weiter so! :))

  • Das schlägt dem Fass die Krone auf!

     

    Leider geht das sicher redliche Ansinnen der beiden Protagonisten immer noch davon aus, dass es eine Hochsprache gibt, die von der Journaille verteidigt werden muss. Bilder und Metaphern wirken aber nach einer Weile des Gebrauchs über den Wortgehalt hinaus, weil der Leser bildhaft versteht, was gemeint ist. In ihnen erleben wir die Kraft der Bilder, die viel schneller aufgenommen und besser erinnert werden als Worte, in der Sprache.

     

    Außerdem geben Bilder, auch schiefe, der Sprache ein buntes Gepräge, das über das bloße Anfüllen logischer Konstruktionen und ihrer Variablen mit präzisen Vokabeln hinausgeht. Denn Sprache darf auch unterhaltsam sein. Auch wenn „Erdrutschsieg“ vielleicht ein bisschen schräg klingt: Das Argument der beiden rührigen Journalisten, dass „erdrutschartig“ automatisch gedanklich mit Tod, Verderben und Zerstörung von Zivilisationsgütern assoziiert werden muss, kann zumindest diskutiert werden. Fakt ist, dass ein Erdrutsch meist plötzlich und unerwartet kommt und dass er alles hinwegfegt, was sich ihm in den Weg stellt. Das passt schon sehr gut auf viele Situationen.

     

    Vielleicht ist eher der Gedanke abwegig, dass Sprache so chirurgisch genau (ja auch diese Metapher gab es) sein kann wie eine Cruise Missile in der PR-Traumwelt amerikanischer Militärs. Und auf diesem Abweg befindet sich die Floskelwolke - zumindest in Teilen. Denn auch, wenn es richtig und falsch in der Sprache gibt: In den Grauzonen dazwischen wird mit den Füßen vieler und nicht mit den Köpfen weniger abgestimmt.

     

    Und nur so „macht“ das Sinn.

  • Könnte sich ja mal´n Programmierer mit befassen, inwieweit sich das in ein Schreibprogramm integrieren lässt und für korrekturwürdig anzeigt. Schon hätte der gestresste Journalist auch vor dieser Unart die Ruhe :)

     

    " Schreiberling" : eine vielgebrauchte Floskel auf Seiten wie PI- News.

    • @lions:

      Statt "Schreiberling" drängt sich geradezu "Scribent" auf...

  • Diese neue Innovation gefällt mir. Ein guter Tag für mich!