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Neue Töne aus der P-Abteilung

■ Anklage gegen angeblichen Steinewerfer auf schweren Widerstand und versuchte Körperverletzung endete mit Freispruch

Ein neuer Wind weht durch die P-Abteilung der Staatsanwaltschaft. Das jedenfalls war der Eindruck eines Verteidigers, der gestern einen angeblichen Steinewerfer in Moabit vertrat. Die Anklage warf dem Mann vor, er sei von einem Einsatzleiter der EB 53 in der Nacht vom 1. zum 2. Mai 1988 an der Oranien-/Ecke Adalbertstraße beim Werfen eines „mosaikpflastersteinähnlichen“ Gegenstandes beobachtet worden: besonders schwerer Widerstand und versuchte gefährliche Körperverletzung.

Der Polizist nahm zusammen mit einem Kollegen die Verfolgung des Mannes auf, sie verloren ihn dann aber zunächst aus den Augen. Eine gute Stunde später dann „entdeckten“ sie „den Täter“ bei der Räumung des ungefähr 100 Meter entfernten Lokals „Kogge“.

Er sei sich, so der Polizist gestern als Zeuge vor dem Gericht, ganz sicher gewesen, daß es sich bei diesem Festgenommenen um den Werfer gehandelt habe. Der Mann habe zwar an Ort und Stelle behauptet, er sei bereits uber eine Stunde in der „Kogge“ gewesen und komme deshalb als Täter nicht in Betracht. Zum Beweis habe er auf eine Frau gewiesen, die in der Nähe stand. „Geh mal hin und frag die, ob das stimmt“, habe er daraufhin den Kollegen gefragt, der dann von der Frau die Antwort erhalten haben will, daß der Angeklagte erst eine Viertelstunde vor der Festnahme in die „Kogge“ gekommen sei. Die Frau sei nicht mehr zu ermitteln.

Ausgerechnet Staatsanwalt Fröhlke, sonst als ein verbissener Hardliner der P-Abteilung bekannt, beantragte Freispruch: Wenn sich der Polizist bei der Festnahme des Mannes wirklich sicher gewesen sei, den Täter gefangen zu haben, den er vor über einer Stunde beim Steinwurf beobachtet hatte, dann hätte er bei dem versuchten Alibi doch sicher nicht seinen Kollegen mit den Worten losgeschickt, zu prüfen, ob das Alibi stimme. Daraus könne nur gefolgert werden, daß er sich bis zum Widerlegen dieses Alibis unsicher gewesen sei, ob er den Richtigen erwischt habe. Dann aber könne der Mann heute nicht verurteilt werden. Die Verteidigung und das Gericht schlossen sich dem Herrn Staatsanwalt an: Freispruch!

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