Neue Synoden-Präses Anna-Nicole Heinrich: Sie schreibt Geschichte
Die 25-jährige Philosophiestudentin wird dem Kirchenparlament der EKD vorstehen. Sie setzte sich gegen die Richterin Nadine Bernshausen durch.
Doch die Philosophiestudentin ist Digital Native und betreibt im Netz einen Hackathon, eine digitale Zukunftswerkstatt, zur Zukunft der Kirche. In den sozialen Netzwerken und live im Internet bedankte sie sich am Samstag für ihre Wahl so: „Wie verdammt mutig ist diese Kirche?“ oder „Mein Handy explodiert gleich! Leute, danke für alle Unterstützung in den letzten Tagen“.
Die EKD, ihren Mitgliederzahlen nach ein Auslaufmodell, taugt also noch für Überraschungen, zeigt sich zumindest personell innovativ. Mit 75 von 126 Stimmen setzte sich die Studentin auf einer Online-Versammlung der Synode gegen die Marburger Grünen-Politikerin und Richterin Nadine Bernshausen durch. Die Synode ist die Basisvertretung der Kirche; als deren Spitze erhält Heinrich nun auch einen Sitz im Kirchenrat.
EKD-Vorsitzender Heinrich Bedford-Strohm gratulierte überrascht, sprach von einem „historischen Ergebnis“ und von der „Bedeutung, die junge Menschen für die Gestaltung der Zukunft haben“.
Jüngste Präsidentin der EKD-Synode
Dass Heinrich nun die jüngste Präsidentin in der Geschichte der EKD-Synode ist, galt offenbar als Vorteil, es ist aber nicht ihr einziger. Als Jugenddelegierte gehörte sie schon dem vorigen Kirchenparlament an. Sie arbeitete an der inhaltlichen Kirchenreform mit und ist stellvertretende Vorsitzende der Evangelischen Jugend in Deutschland. „Einfach machen, raus aus der Bubble“, sagt sie in einem ARD-Bericht und zeigt sich überzeugt, dass mit der Sichtbarkeit junger gläubiger Menschen Austrittskandidaten oder bislang Unerreichbare wieder angesprochen werden können.
Heinrich ist selbst so eine „Erreichte“, eine „Bekehrte“, wenn man so will. Als ihre Eltern auf Arbeitssuche nach der Wende von Thüringen nach Oberfranken zogen, gaben sie ihrer Tochter keineswegs eine christliche Erziehung mit. Der Geist überkam sie im Religionsunterricht an der Grundschule, freiwillig ließ sie sich als Schülerin taufen. Vielleicht bekennt sie sich auch deshalb heute zur „missionalen Kirche“.
An der Universität Regensburg studiert sie zwar ganz neutral Philosophie und lebt in einer Studi-WG. Als wissenschaftliche Hilfskraft arbeitet sie aber an der Uni am Katholischen Lehrstuhl für Homiletik und Pastoraltheologie, der früheren Wirkungsstätte von Papst Benedikt XVI. Dies könnte man auch als ökumenisches Signal deuten.
Die Themen im neuen Amt der Anna-Nicole Heinrich sind gesetzt: homosexuelle Paare, Missbrauchsdebatte, wenn auch weit geringer als in der katholischen Kirche, Massenaustritte und die daraus folgende Strukturreform. Sie will die Gemeinden stimulieren, die sie als „offen, kommunikativ und super gewinnend“ erlebt habe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund