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Deutsche Innenpolitik wird mit Polizei gemachtNeue Spielwiese für grüne Prügelknaben

■ Zu dem Ruf nach weniger Asyl gesellt sich nach Rostock zusehends der nach mehr Polizei. Zwar wurde nach einer Innenausschußsitzung am Montag die...

Neue Spielwiese für grüne Prügelknaben Zu dem Ruf nach weniger Asyl gesellt sich nach Rostock zusehends der nach mehr Polizei. Zwar wurde nach einer Innenausschußsitzung am Montag die Idee einer Sondereingreiftruppe zunächst wieder eingepackt. Aber die Antwort bleibt: mehr Polizei.

Aktionismus ist immer ein Zeichen von Hilflosigkeit, meinte der FDP-Abgeordnete Burkhard Hirsch und entschwand in die Sitzung des Innenausschusses. Seine Kollegen aus dem Regierungslager und die von der SPD hatten Hirsch allen Anlaß zu dieser Bemerkung gegeben. Anhaltend hilflos, aber unverdrossen wortreich bearbeitete die Bonner Politik die fremdenfeindlichen Explosionen in gewohnter Weise weiter und fand Anfang der Woche eine zweite Antwort. Zu dem Ruf nach weniger Asyl gesellt sich zusehends der nach mehr Polizei.

Zwar blieb im eigens wegen Rostock einberufenen Innenausschuß am Montag abend alles offen, doch die Vorschläge für neue Polizeitruppen stehen im Raum. Der Vorsitzende des Innenausschusses, Hans Gottfried Bernrath (SPD), hatte die Idee einer Sondereinheit kaum vorgebracht, da stieg ausgerechnet der Fraktionschef der Liberalen auch schon darauf ein. Über eine „effektive Sondereinsatzgruppe gegen Straßengewalt“, so Hermann Otto Solms, solle durchaus diskutiert werden. Bei aller Sympathie auch der Christdemokraten für solche Vorschläge: Im Innenausschuß stellte sich zunächst heraus, was nicht nur Hirsch schon vorher wußte. Der Bundesgrenzschutz (BGS) ist bereits eine besondere Einsatztruppe neben der in jeweiliger Landesverantwortung geführten Polizei. Der innenpolitische Sprecher der SPD, Gerd Wartenberg, fand eine solche Truppe nicht nötig, denn die vorhandenen Sicherheitskräfte reichten aus. Allerdings: Ihre Kommunikations- und Informationsstruktur müsse verbessert werden, und den BGS-Beamten im Osten fehle es an angemessener Ausrüstung, zum Beispiel dem „Schwerstschutz“.

Bundesinnenminister Seiters sicherte den zügigen BGS-Aufbau im Osten zu. Die Parlamentskorrespondenz berichtete, daß Seiters eine „Polizei-Alarmtruppe“ schaffen will, die aus Kräften des Bundes und der Länder gebildet werden solle. Auch solle jedes Bundesland für schwierige Sicherheitslagen spezielle Zugreiftruppen bereithalten. Außerdem: In Rostock seien bis zu 1.400 BGS-Beamte im Einsatz gewesen, manchmal mehr als die Hälfte aller Polizeikräfte.

Der Chef der Polizeigewerkschaft (GdP) dachte derweil in eine ähnliche Richtung: keine Sondertruppe des Bundes, aber die Kombination der Sondereinsatzkommandos (SEKs) und der Mobilen Einsatzkommandos (MEKs) gebündelt zu einer Art Sondereinheit, lautete sein Vorschlag.

Nach der nicht nur in diesem Punkt ergebnislosen Sitzung des Innenausschusses hofft der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU- Fraktion, Erwin Marschewski, auf Fortsetzung der Diskussion bei nächster Gelegenheit. Beim interfraktionellen Gespräch am 9. September im Bundestag solle weiter über eine Anti-Terror-Gruppe nachgedacht werden. Tissy Bruns, Bonn

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