Neue Rolle für ein Partygirl: Was ist mit Ariane Sommer los?

Bekannt wurde sie mit einem Bad in Mousse au Chocolat. Dann wurde sie zum It-Girl. Und jetzt? Kämpft sie für den veganen Lebensstil.

Anfang des Jahres während der Fashion Week in Berlin: Ariane Sommer, vertieft im Publikum. Träumt sie von grünen Smoothies? Bild: dpa

Ariane Sommer war verrückt nach Fleisch. Die Steaks konnten ihr gar nicht blutig genug sein. Sie war mit einem Wurstbrot in der Hand aufgewachsen und folglich abhängig von tierischen Eiweißen. Mit Ende 20 war sie ein körperliches Wrack. Im Ernst jetzt, ein Wrack wegen Fleischkonsum? „Im Ernst“, sagt Sommer.

Sie ist für ein paar Wochen von Los Angeles nach Berlin gekommen. Sie trägt die Haare immer noch sehr lang und sehr blond. Die Haut sieht aus wie Porzellan. Oder so „papierweiß, dass die blauen Äderchen durchscheinen“, wie der Schriftsteller Joachim Lottmann schwärmte. Dazu schwarze Kleidung, vermutlich wegen des Kontrasts. Vor ihr steht ein Latte macchiato mit Sojamilch.

Anfang des 21. Jahrhunderts war Sommer die „heißeste Partymaus“ (Bild) des Landes. Präsent von Boulevard über „Wetten, dass . . ?“ bis Harald Schmidt. Weil: Sie spielte die Rolle mehrdeutig. Zum einen als straightes Sexsymbol, das in Pelz posierte und in Mousse au Chocolat badete, wofür sie in der „Luder“-Schublade landete. Zum anderen war sie ironisches Sexsymbol mit „intellektuellem Mehrwert“ (Facts).

Eine polyglotte Diplomatentochter mit Eliteabitur in Salem, die sich mit Anfang 20 im Berlin der Jahrtausendwende dem Hedonismus hingab. Damit war sie auf Augenhöhe mit der Zeit. Und der Zeit auch, dank der Blutsverwandtschaft mit dem Zeit-Onkel Theo Sommer. Sogar die sexsymbolkritisch eingestellte taz wagte es, ihr im Schutz der Ironie ein Gedicht zu widmen („Ariane / süß wie Sahne“). Das war aber selbstverständlich noch vor Nine Eleven.

Nach einem Jahr im Amt gilt Papst Franziskus als Revolutionär. Aber was verändert sich wirklich in der Kirche? Eine Spurensuche auf fünf Kontinenten lesen Sie in der taz.am wochenende vom 15./16. März 2014 . Außerdem: Der Schriftsteller Daniel Kehlmann über Ängste, Sehnsüchte und Seitensprünge. Und: Eine Bestandsaufnahme in Bayern vor der Wahl am Sonntag. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Kurzum: Sie war die It-Blondine der Berliner Republik. Und nun ist sie Peta-Botschafterin und die It-Blondine des Veganismus. Was ist nur mit Ariane Sommer passiert?

Ständig Blasenentzündungen

Tja, sagt sie. Seit neun Jahren lebt sie in Beverly Hills. Vor sechs Jahren fuhr sie mit ihrem Mann nach China und beschloss dort, vegetarisch zu leben. Es tat ihr gut, und sie behielt es bei. Das ist das Äußere. Das Innere ist eine intensive Auseinandersetzung, zunächst mit ihrer Ernährung, dann mit der Welt. „Irgendwann verbinden sich die Punkte, und man merkt, wie alles ineinandergreift: eigene und gesellschaftliche Gesundheit, Welthunger, soziale Gerechtigkeit, Tierschutz, Umweltschutz, Klimawandel“.

Die Probleme kennen viele, die Frage ist, wie sich Dynamik daraus entwickelt.

„Wenn man sich damit beschäftigt und ein Problem damit hat, fängt man am besten bei sich selber an.“

Seit fünf Jahren lebt sie „avap“, selbst erfundene Abkürzung für „as vegan as possible“, und ernährt sich angeblich zu 60 Prozent von Gurkensaft.

„Nicht ganz, aber zu 60 bis 80 Prozent von Rohkost. Ich bin großer Fan der grünen Säfte.“

Morgens macht sie mit dem Mixer „so einen grünen Saft“, und zwar eine Gallone, das sind 3,78 Liter. „Den teilen mein Mann und ich uns, dann ist man erst mal satt.“

Aber nicht glücklich?

„Doch, ich trinke das gern.“

Dazu kommen Salate, Rohkostlasagne.

Und das hat tatsächlich ihren körperlichen Zustand verändert?

Und wie. Sie habe vorher ständig Blasenentzündungen gehabt. Ihre rissigen Nägel seien das Zeichen gewesen, dass ihr Körper permanent reparieren musste.

Disharmonie

„Wenn irgendwas nicht stimmt, dann zieht der Körper die Vitalstoffe aus den Knochen.“ Sie führt das noch genauer aus. Es läuft darauf hinaus, dass zu viel tierisches Eiweiß zu chronischen Entzündungen führt und der Körper Haut, Haare und Nägel vernachlässigt, wenn er vollauf damit beschäftigt ist, die inneren Organe instand zu halten.

Heute wachsen ihre Haare „wie Unkraut“, und die Haut ist viel weicher. Das Entscheidende daran ist, dass ihr das signalisiert, dass innen alles rundläuft. Blasenentzündungen sind auch Vergangenheit. Sie ist überhaupt ganz anders in der Welt. Sie beschreibt das so, dass sie früher eine Art Nebel im Gehirn hatte. Ob der allein vom Fleisch kam oder nicht – jedenfalls ist er nun weg.

Jetzt werden Skeptiker womöglich zischen, dass Ariane Sommer doch bloß Beauty-fixiert sei und vegan der neueste Kitzel einer selbstsüchtigen L.A.-Bagage; der Journalist, der das nicht merkt, womöglich zu heiß im Mousse-Topf gebadet hat.

Aber der politische und humane Kontext ist bei ihr immer präsent, etwa die „Subvention von Fleisch zum gesundheitlichen und gesellschaftlichen Schaden“ oder der immense Wasserverbrauch der Fleischproduktion. Zum anderen weiß Sommer etwas über Menschen, nämlich dass man sie in der Regel weniger mit globalen Moralgeboten kriegt als eher mit einem persönlichen Versprechen. Und das nicht nur am Rodeo Drive.

Grade traf sie dort vor einem Geschäft eine Schauspielerin, der sie vor einem halben Jahr ein paar Rezepte für grüne Smoothies geschickt hatte, weil sie auch so tolle Haare wollte. „Ariane, du wirst es nicht glauben“, rief die Schauspielerin: Sie und ihr Mann, ein Musikproduzent, würden kein Fleisch mehr essen. Und wie gut es ihnen damit gehe. „Sobald die bei sich körperliche Veränderungen im positiven Sinne feststellen, sind sie nicht mehr aufzuhalten“, sagt Sommer.

Den Beauty- und Gesundheitsaspekt sieht sie als Knopf, auf den man drücken kann, wenn jemand sein Leben nicht aus Tierschutzgründen ändern will, sondern um ein Sixpack zu kriegen. „Alles andere kommt dann von selbst.“

Den Besserverdiener-Vorwurf kennt sie, aber sie findet ihn nicht stichhaltig, weil sie nichts verlangt, sondern sich erst mal selbst in die Verantwortung nimmt – und nicht die alleinerziehende Mutter mit vier Kindern, die sich um die Miete kümmern muss. „Ich würde auch den Inuit nicht sagen, dass sie aufhören sollen, sich von Walfleisch zu ernähren, und mal besser Salat im Schnee anbauen – wie käme ich dazu?“

In den letzten Monaten gab es zwei entgegengesetzte Realitäten. Die eine ist der vegane Trend, dem sich vor allem junge, gebildete Frauen anschließen. Der andere ist das Debakel, das die Grünen mit ihrem „Veggie Day“ bei der Bundestagswahl erlebten, also die Unmöglichkeit, in dieser Mediengesellschaft über eine fleischfreie Mahlzeit pro Woche auch nur ernsthaft zu sprechen, weil es als Freiheitsberaubung interpretiert wird. Die Grünen wollen ihr Thema nun „anders kommunizieren“, können aber noch nicht mal andeutungsweise sagen, wie. Ein Gespräch mit Ariane Sommer würde sie definitiv weiterbringen, und das ist jetzt kein Witz.

Das Bestechende an Sommers Ansatz besteht darin, dass er als Wahlmöglichkeit und Bereicherung daherkommt.

Worauf muss ich verzichten?, fragen die Leute ängstlich.

Auf nichts, antwortet sie. Der grüne Smoothie ist additiv. Sie sagt ihnen dann aber schon, was sie isst und was sie nicht mehr isst. Und welche Wirkung was hat. Den Rest macht der Einsteiger mit sich selbst aus. Sie ist auf keiner Mission, sie sagt auch, dass vegan nicht für alle Menschen etwas ist und die gleiche positive Wirkung hat; es geht ihr um mehr Offenheit für neue Lebensstile und ein stärkeres Bewusstsein, dass Chicken McNuggets nicht auf Bäumen wachsen und dass dort, wo Tiere gequält werden, oft auch Menschen nicht fair behandelt werden.

Hauptberuflich ist Sommer übrigens Hollywoodreporterin, nach zwei Jahren für Gala nun für das Springer-Onlineportal red carpet. Aber ihre Gedanken sind intellektuell tief und kulturell breit, reichen von Picassos „Guernica“ über die Vorurteile der Deutschen gegen Unternehmertum bis zu der krankhaften gesellschaftlichen Reduzierung von Nacktheit auf Sex. Vegan ist bisher kein Business für sie, ein Buch könnte aber zwangsläufige Konsequenz sein.

Einklang

Bleibt die Sorge, dass Sommer etwas kompensieren muss, weil ihre Vergangenheit von manchen auf das Äußerliche und Oberflächliche reduziert wird und sie sich deshalb in Mutter Teresa verwandelt hat. „Nö, ich bin keine Mutter Teresa“, sagt sie. Ihr Mann sage immer, sie habe die langen Haare nur, um die Hörner zu verbergen.

Und was die Rezeption durch die lieben Mitmenschen angeht: „Die eine Hälfte wird einen nicht leiden können, die andere Hälfte schon, das kann man nicht ändern“, sagt Ariane Sommer. „Was man tun kann: sich aussuchen, welche Hälfte welche ist. Das macht man, indem man sich selbst definiert und nicht definieren lässt.“ Ihre siebte Fremdsprache ist Mandarin.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.