Neue Regierung in Frankreich: Eine Koalition von Verlierern
Macron gibt die Macht an eine Minderheit. Wenn sich Linke und Rechtsnationale in der Opposition zusammentun, hat Barniers Koalition keine Chance.
E ine Minderheitsregierung folgt auf eine Minderheitsregierung in Frankreich. Und man muss sich fragen, wie Premierminister Michel Barnier sich auf die Dauer halten kann. Die Mitte-Rechts-Koalition aus Macronisten und Konservativen, die er im Auftrag von Präsident Emmanuel Macron gebildet hat, ist weder mehrheits- noch regierungsfähig. Das neue Regierungslager verfügt noch über weniger Sitze in der Nationalversammlung als vorher das Kabinett von Gabriel Attal.
Wenig überraschend geben ihm weder die Linke noch die extreme Rechte eine große Zukunft. Macron hatte schon 2022 die absolute Mehrheit verloren, und nach einer Schlappe bei den Europawahlen setze er alles auf eine Karte: vorzeitige Parlamentswahlen. Die für ihn erneut mit einer Niederlage ausgingen. Und der Preis für eine Koalition mit den Konservativen ist gestiegen.
2022 hätten wahrscheinlich ein paar Ministerposten ausgereicht, jetzt musste er mit Michel Barnier einen Konservativen als Regierungschef und mehrere seiner reaktionärsten Parteikollegen als wichtige Minister akzeptieren. Die Schmach für Macron ist umso deutlicher, als er sich zuvor eine breite Koalition von Sozialisten bis hin zu den Konservativen gewünscht hatte. So hoffte er, aus der Klemme mit der unmöglichen Mehrheitsfindung zu entrinnen.
Das diese „nationale Einheit“ für die Linke – aber nicht nur für diese – kein Thema ist, hat sich Macron selbst zuzuschreiben. Nicht nur glitt seine Politik laufend nach rechts, er hat auch ständig die Linke als Hauptgegner attackiert und beleidigt. Er konnte kein Entgegenkommen erwarten. Auch wenn die Allianz mit den Konservativen politisch für ihn Sinn macht, bleibt es für viele in Frankreich unverständlich oder schockierend, dass er nun einer Partei die Macht übergibt, die seit Jahren bei den Wahlen ständig zu den Verlierern zählt.
Proteste absehbar
Von einer Regierungspartei ist Les Républicains (LR – ehemals der UMP von Nicolas Sarkozy) zu einer der kleinen Fraktionen in der Nationalversammlung geworden. Ein Teil ist mit LR-Chef Eric Ciotti zu den Rechtsextremen übergelaufen. Barnier und die Rest-LR profitieren von Macrons Schwäche. Die neue Regierung kann nun jederzeit im Fall einer unheiligen Allianz der linken und rechtsnationalen Opposition anlässlich einer Vertrauensabstimmung gestürzt werden.
Sie wird darum alle ihr zur Verfügung stehenden Verfassungsartikel einsetzen, um das Parlament zu umgehen. Der unzufriedenen Mehrheit im Land bleibt nach diesen Manövern der Staatsmacht nur der Protest auf der Straße. Die absehbaren Konflikte um die angekündigte Sparpolitik gehören auch zum Preis, den Macron für das Zustandekommen einer Notlösung mit der Mitte-Rechts-Koalition bezahlt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Parteiprogramme für die Bundestagswahl
Die Groko ist noch nicht gesetzt