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Neue Regierung im LibanonKabinett der alten Elite

Julia Neumann
Kommentar von Julia Neumann

Nach 13 Monaten hat der Libanon wieder eine Regierung. Das Auswärtige Amt zeigt sich erleichtert, doch dazu gibt es keinen Grund.

Früherer und neuer Regierungschef im Libanon: Milliardär Najib Mikati am Freitag in einer Moschee Foto: Dalati Nohra/reuters

D as Auswärtige Amt spricht von einem „wichtigen Meilenstein“, Regierungschef Najib Mikati verdrückte eine Träne bei seiner Ansprache: Nach über einem Jahr hat der Libanon wieder eine Regierung.

Doch es gibt keinen Grund zur Erleichterung. Eine handlungsfähige Regierung ist das absolute Minimum. Das Land im Mittleren Osten durchlebt gerade eine massive Wirtschaftskrise.

Der wichtigste Posten ist also die Führung des Wirtschaftsministeriums. Doch diesen hat die Elite an einen aus ihren Reihen vergeben: Youssef Khalil, ein Mann aus dem Lager des schiitischen Parlamentssprechers Nabih Berri und Leiter der Finanzabteilung der libanesischen Zentralbank ist. Er war bisher verantwortlich für deren Kreditgeschäfte und daher einer der Architekten der Finanzoperationen der Zentralbank, die das Land in die Pleite führten. Jahrelang lieh die Bank dem Staat Geld, obwohl klar war, dass es nicht zurückbezahlt wird. Gleichzeitig folgte sie einer betrügerischem Masche – dem Ponzi-Schema, das 2019 zusammenbrach.

Khalil ist nun Finanzminister. Zwar kennt er die Zentralbank von innen, und damit die wichtigste Schnittstelle für die Bekämpfung der Krise. Er weiß, wie viel US-Dollar und Gold in den Reserven liegen – und damit, was die lokale Währung tatsächlich wert ist. Das Finanzministerium sollte die Zentralbank überwachen, doch die Bank entzieht sich seit Mitte 2020 der Finanzprüfung. Mit einem seit 1982 mit der Zentralbank verbundenem Ökonom wird die Hoffnung auf die Restrukturierung des Finanzsektors zunichte gemacht.

Das Land braucht tiefgreifende Reformen

Ein Lichtblick ist die Ankündigung der neuen Regierung, die Subventionen für Benzin und Medizin abzuschaffen. Die haben die Inflation vorangetrieben, da man sich der knappen Dollarreserven bediente. Sie beförderten auch den Schmuggel der Güter nach Syrien, was zu einem Mangel an Medizin, Benzin und Gas führte.

Zumindest der Gesundheitsminister Firass Abiad ist ein Technokrat, der seine Kompetenz als Leiter des öffentlichen Krankenhauses unter Beweis gestellt hat. Außerdem ist die Regierung ein Kompromiss aller Parteien, während das vorherige Kabinett der schiitischen Hisbollah nahe stand. Die Abwesenheit des Staates spielte der Partei, die auch Miliz ist, in die Hände: Diese bindet ihre Anhängerschaft mit Essensspenden, Jobs und Sozialhilfe an sich.

Doch der Libanon braucht tiefgreifende Reformen, darunter die Bekämpfung der Korruption. Wie wahrscheinlich ist es, dass ausgerechnet ein Kabinett unter einem Milliardär diese in Angriff nimmt?

Regierungschef Najib Mikati war bereits 2005 und von 2011 bis 2013 auf dem Posten und damit Teil der politischen Klasse, die für den Bankrott zuständig ist. Er wird bezichtigt, Staatshilfen in Millionenhöhe abgegriffen zu haben, die für Wohnungsbau-Darlehen gedacht waren. Die Kredite sollten Li­ba­ne­s*in­nen mit niedrigem Einkommen beim Hauskauf helfen. Heute steht Mikati vor der libanesischen Bevölkerung und beklagt, Mütter könnten ihre Kinder nicht mehr füttern.

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Julia Neumann
Korrespondentin Libanon
Auslandskorrespondentin für Westasien mit Sitz in Beirut. Hat 2013/14 bei der taz volontiert, Journalismus sowie Geschichte und Soziologie des Vorderen Orients studiert. Sie berichtet aus dem Libanon, Syrien, Iran und Irak, vor allem über Kultur und Gesellschaft, Gender und Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Für das taz Wasserprojekt recherchiert sie im Libanon, Jordanien und Ägypten zu Entwicklungsgeldern.
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