Neue Professur für Holzbau in Lübeck: Unser Freund, der Baum
Lübecks Technische Hochschule bekommt eine Professur für Holzbau, weil Bauen mit Holz öko und angesagt ist. Die Frage ist nur: Woher kommt das Holz?
Aber das hat sich inzwischen geändert. Lange mit Vorurteilen behaftet, erlebt das Holz derzeit in der Architektur eine regelrechte Wiedergeburt. Einer der Hauptgründe ist die Klimakrise: Holz wächst nach, speichert CO2. Und es hat noch andere Vorteile: Konstruktionen aus Holz wiegen wenig, sind gut vorzufertigen, erfordern wenig Bauzeit. Für ein gesundes Raumklima sorgt Holz auch.
Aber eine solche Wiedergeburt ist nicht einfach. Sie braucht Fachkräfte, und die sind rar. Die Technische Hochschule (TH) in Lübeck hat deshalb Ende 2022 eine Professur für Holzbau ins Leben gerufen; im Wintersemester 2023/2024 nimmt sie ihre Arbeit auf. Sie startet als Stiftungsprofessur, gefördert durch das Kieler Holzbauzentrum*Nord (HBZ*Nord), in dem der Baugewerbeverband Schleswig-Holstein den Ton angibt, neben dem Landesbeirat Forst- und Holzwirtschaft für Schleswig-Holstein und Hamburg. Nach einem Jahr läuft die Anschubfinanzierung aus, dann wird die Professur verstetigt. Wer sie besetzt, ist noch offen.
„Unser Fokus liegt dabei auf der Nachhaltigkeit“, sagt Sebastian Fiedler, Professor an der TH Lübeck und Dekan des Fachbereichs Bauwesen. „Dazu arbeiten wir ja ohnehin schon stark.“ Die neue Bauingenieurs-Professur ist auf Konstruktionstechnik ausgelegt und setzt auf „angewandte Forschung und Transfer“, auf Wirtschaftsnähe also.
Aber der ökologische Anspruch sei hoch, betont Fiedler: „Natürlich ist nicht jeder Holzbau nachhaltig, nur weil er ein Holzbau ist. Wichtig ist, dass das Holz aus nachhaltiger, zertifizierter Forstwirtschaft stammt, dass sein Einsatz materialsparend erfolgt.“
Jeder Baum, der im Wald bleibe, als natürliche CO2-Senke und also CO2 speichere, sei gut. Und jeder, der gefällt werde, müsse möglichst langlebig genutzt werden, um eine technische CO2-Senke zu bleiben. „Das Beste ist deshalb, man baut mit diesem Rohstoff. Das Schlechteste ist, ihn zu verbrennen – es sei denn, als letzte Stufe einer Kaskadennutzung.“
Und dann erzählt Fiedler: Dass Holzbau nicht nur den Einsatz von Stechbeiteln bedeutet, sondern dass digitale Fertigung hilfreich ist, robotergestützt. Von den Synergieeffekten, die er sich zwischen seinem neuen Studiengang und den schon existenten Studiengängen Architektur und Stadtplanung erhofft. Dass Holz gerade für urbane Gebäudeaufstockungen sinnvoll ist, in der Montage nur eine geringe Belastung für die Anwohner. Dass es wichtig ist, Holz so zu verbauen, dass man es sortenrein recyclen kann.
„Wir brauchen eine feste Anlaufstelle, an der die zukünftigen Fachkräfte im Holzbau ausgebildet werden“, sagt Erik Preuß, Geschäftsleiter des HBZ*Nord. Es gelte „in die Zukunft zu schauen und den Holzbau technisch weiterzuentwickeln“.
Aber gibt Deutschlands Waldfläche das Holz für diese neuen Bauten mengenmäßig überhaupt her? Elf Millionen Hektar Wald gibt es derzeit in Deutschland, sie bedecken rund 30 Prozent des Bundesgebietes. Fast 90 Millionen Kubikmeter Holz werden pro Jahr eingeschlagen, mit immensen Zuwachsraten.
Greenpeace fordert Renaturierung
Christoph Thies, Experte für Holzwirtschaft bei Greenpeace Deutschland in Hamburg sieht das mit Grausen. „Das ist viel zu viel. Wir müssen dringend auf 50 bis 60 Millionen runter, mindestens“, sagt er der taz. „Unsere Forstwirtschaft ist wirklich schlimm. Gemessen an dem, was wir unserem Wald pro Hektar zumuten, ist Deutschlands Holzeinschlag weltweit fast der intensivste.“ Renaturierung sei dringend nötig. „Es muss mehr Holz nachwachsen, als wir entnehmen. Aber unser Wald ist schwer derangiert, bei viel zu kleinen Schutzzonen. Die deutsche Forstwirtschaft produziert alles, was die Holzlobby will.“
Thies ist kein Gegner des Holzbaus. Er würde von Deutschlands Holz am liebsten „alles, was geht“ in Holzgebäude stecken – und in Möbel, in langlebige Nutzung. Aber viel Holz geht in die Kurzlebigkeit. „Furchtbar, daraus Brennholz zu machen“, bekräftigt Thies. „Vor allem aus schönen, großen Stämmen.“
Raubbau in Osteuropa
Holz könne beim Bauen große ökologische Vorteile haben. „Aber es kommt sehr darauf an, wie der Wald bewirtschaftet ist, dem ich es entnehme. Je naturnaher und extensiver, desto besser.“ Die gängigen Holzsiegel mit ihren klangvollen Namen, vom „Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes“ (PEFC) bis „Forest Stewardship Council“ (FSC) hält er für Augenwischerei – aus dem FSC-System ist Greenpeace, einst Gründungsmitglied, inzwischen ausgestiegen. Zudem gelte: Je kürzer die Transportwege vom Einschlagplatz zum Einsatzort, desto besser – regionales Holz ist also meist besser als ein Import.
Es brauche eine „viel revolutionärere Waldnutzung“, sagt Thies. Deutschlands Wald stehe „unter vielfältigem Stress“, von der immer öfter und länger auftretenden Trockenheit bis zur Jagd. Aber auch im Ausland müsse naturnaher gewirtschaftet werden. In Schweden und Finnland, Kanada und Russland sei Kahlschlag immer noch an der Tagesordnung.
„Auch in Osteuropa sind die Zustände oft sehr schlecht“, bestätigt Fiedler. „Da muss man genau hinschauen.“ Ob genug Holz da ist für die Wiedergeburt des Holzbaus, wenn der derzeitige Raubbau an Deutschlands Wäldern weiter anhält? „Das wird unsere neue Professur nicht beantworten können“, sagt Dekan Fiedler. „Der Einsatz von Holz ist sinnvoll. Aber nur, wenn wir dadurch nicht unsere natürlichen CO2-Lager kaputt machen.“ Anders gesagt: unsere Wälder.
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