Neue Premierministerin für Frankreich: Macron setzt auf Technokratin
In Frankreich wird die regierungserfahrene Elisabeth Borne neue Premierministerin. Ihre Zukunft hängt stark von den Parlamentswahlen im Juni ab.
Wie in Frankreich nach Präsidentschaftswahlen üblich, hat darum der bisherige Premier Jean Castex am Montag seinen Rücktritt eingereicht. Macron hatte gesagt, er wisse schon seit Tagen, wer die Nachfolge antreten werde und nannte seine Kriterien: eine Frau mit Erfahrung in der Umwelt- und der Sozialpolitik. Dieses Profil erfüllt die mehrfache Ministerin Borne in jeder Hinsicht. Und zwar so gut, dass man sich fragt, ob Macron nicht zuerst seine Regierungschefin gefunden und dann ihrem Profil entsprechend die Kriterien definiert hat.
Die in Paris geborene 61-jährige Borne hatte nach ihrem Ingenieurstudium zuerst führende Posten im öffentlichen Transport und danach unter anderem als rechte Hand der damaligen Umweltministerin Ségolène Royal Erfahrungen in den von Macron genannten Bereichen gesammelt. Sie stand politisch eher den Sozialisten nahe, schloss sich aber 2017 Macron und seiner Bewegung En marche an. Unter Marcron wurde sie zuerst Ministerin für Verkehr, dann für Umwelt und ab 2019 für Arbeit.
Medien sehen in der Nominierung vor allem den Wunsch des Staatschefs nach politischer Kontinuität. Borne wird von Le Monde und Le Figaro als „Technokratin“ ohne besondere politische Ambitionen beschrieben. Ähnlich meint Mediapart: Der Staatschef habe sich mit der Ernennung „für das Profil einer Diskreten und Loyalen entschieden“. Er habe damit „die einfachste Lösung gewählt“.
Elisabeth Borne soll auch unpopuläre Reformen durchsetzen
Da in Frankreich zudem die Premiers den Präsidenten nie in den Schatten stellen dürfen, sondern immer unter der Führung des Élysée die zweite Geige spielen sollen, passt Borne bestens. Sie soll organisieren, koordinieren und verwalten. Für sie kommt zuerst die Arbeit … und danach die Arbeit.
Von früheren Mitarbeiter*innen wird sie als autoritär und gelegentlich als nicht sehr umgängliche Chefin beschrieben, die so manche Untergebene in den Burn-out getrieben habe. Daher ihr Spitzname „Borne-out“. Von ihr erwartet Macron, dass sie auch unpopuläre Reformen durchsetzt, wie sie das bereits als Ministerin bei der Arbeitslosenversicherung machte, indem sie zur Senkung der „Kosten“, die Leistungen für fast eine Million Stellensuchende massiv senkte. Doch gleich von einer „Eisernen Lady“ im Stil von Margareth Thatcher zu reden, wäre jedoch übertrieben oder deplatziert, meint die Wirtschaftszeitung La Tribune, denn Borne sei „weder eine Merkel noch eine Thatcher“.
Das Hauptereignis der Nominierung ist, dass Macron sein Versprechen hält, endlich – und erst zum zweiten Mal überhaupt – eine Frau an die Spitze der französischen Regierung zu stellen. Die Sozialistin Edith Cresson, die 1991/1992 unter Präsident François Mitterrand die erste Premierministerin war, wünscht aufgrund ihrer Erfahrungen mit den „Machos“ der „classe politique“ der neuen Regierungschefin „bon courage“.
Viel Mut brauche sie, um den absehbaren sexistischen Anfechtungen Stand zu halten. Borne hat sich gewünscht, dass ihr offizieller Titel feminisiert wird: Sie ist jetzt Madame la Première ministre, was für Frankreich ein Novum ist. Der Rechtsextreme Eric Zemmour empörte sich über diese Bezeichnung eines Postens, den er anscheinend Männern vorbehalten glaubt und die er „hässlich“ nennt.
Wie lang die neue Regierung und deren Chefin sich halten, hängt von den Parlamentswahlen im Juni ab. Die Zusammensetzung des Kabinetts muss die Mehrheitsverhältnisse der neuen Nationalversammlung berücksichtigen. Borne kandidiert am 12. und 19. Juni in einem Wahlkreis in der Normandie. Wird sie gewählt, kann sie ihr Abgeordnetenmandat nicht antreten. Falls sie wider Erwarten in diesem Macron-nahen Bezirk verliert, müsste sie laut einer ungeschriebenen Regel als Premierministerin demissionieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld