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Neue Osnabrücker ZeitungDruck auf dem Kessel

LeserInnen der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ haben eine Initiative gegründet. Sie werfen ihrer Lokalzeitung vor, immer rechtspopulistischer zu werden.

Kritisches Auge auf die Zeitung: Leser vor einem Schaukasten der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ Foto: Friso Gentsch

In einer Osnabrücker Gaststätte gründete sich am Dienstag vergangener Woche die „Aktion NOZkritisch“ (ANK). Sie entstand aus einem öffentlichen Runden Tisch der LeserInnen-Initiative „Für einen faktenbasierten Journalismus ohne Rechtspopulismus“. Einen Tag zuvor – Zufall oder nicht – breitete der Chefredakteur der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ), Burkhard Ewert, dessen Handeln die Kritik der ANK mitauslöste, in seiner Zeitung sechs Thesen zur „Zukunft des Journalismus“ aus.

Ewert geht darin auch auf den Vorwurf ein, der Politik-Mantelteil seiner Regionalzeitung vollziehe einen „Rechtsruck“. Die Redaktion verkörpere „Vielfalt und Breite in ihren Positionen und ihren Personen“. Sie respektiere die Positionen, „die in der Leserschaft vorhanden sind“, heißt es in dem Beitrag, zu dem Ewert auf einem großen Foto als Visionär in die Ferne blickt. Die Kritik komme im Kern von Menschen, die „keine Vielfalt wollen, die Einseitigkeit wollen“, lässt sich Ewert zitieren.

Christoph Schnare, einer der Initiatoren der ANK, weist diese Wertung zurück: „Ewert verwechselt die von ihm beklagte ‚Einseitigkeit‘ seiner Kritiker mit einer demokratischen Grundhaltung, die die Vielfalt des demokratischen Spektrums respektiert, aber das einseitige Weltbild der Rechtsextremen ablehnt“, sagt er der taz. Gesellschaftliche Vielfalt lasse sich auch abbilden, ohne sich „rechte Narrative zu eigen machen zu müssen“.

Stefan Rümmele, ebenfalls einer der Initiatoren, sagt der taz, die ANK sei „sehr zufrieden“ mit der „lebendigen Resonanz“ auf ihren ersten Runden Tisch. „Empörung“ und „viel Wut“ seien zutage getreten. Rund 25 NOZ-KritikerInnen waren gekommen. „Da war viel Druck auf dem Kessel.“

Die NOZ-VertreterInnen hätten sich konstruktiv beteiligt, sagt ANK-Mitinitiator Christoph Schnare. Aber: „Offenbar wollte man uns einhegen, ausbremsen.“

Im überregionalen Mantelteil der NOZ befeuern Ewert und Michael Clasen, operativer Verantwortlicher der Gemeinschaftsredaktion von NOZ und dem Medienhaus NOZ/mh:n, immer wieder rechte Diskurse – zur Irritation von Lesenden, NOZ-MitarbeiterInnen und Medien. Auch die taz berichtete.

Die ANK-Initiatoren haben sich im April dieses Jahres erstmals privat getroffen. Im Juni entstand ein Offener Brief an die Verleger und Geschäftsführer der NOZ-Mediengruppe, in dem die Entwicklung der NOZ zu einer „immer rechtspopulistischer ausgerichteten Tageszeitung“ kritisiert wird. Dieser Brief führte im Juli zu einem Treffen mit Ewert in der NOZ-Geschäftsstelle, das allerdings, so Rümmele, keine Klärung brachte.

Gruppe konfrontiert Herausgeber mit Fragenkatalog

Daraufhin konfrontierte die Gruppe die Herausgeber der NOZ mit einem langen Fragenkatalog. Ein Thema war beispielsweise, warum sich in Ewerts Kommentaren „niemals ein kritisches Wort zu Trumps Politik und seinem Hang zum Autoritarismus“ finde. Ein anderes, dass Clasen zu seinen „Expertentalks“ vor allem „Vertreter des von ihm präferierten rechtspopulistischen Spektrums“ einlade. Die Gruppe wollte wissen, ob sich das mit der politischen Auffassung der Herausgeber deckt. Eine Antwort bleibt aus, was vergangenen Dienstag zur Gründung der ANK führte.

Zeuginnen dieser Gründung waren Louisa Riepe, die zwar mit Ewert eine Chefredaktions-Doppelspitze bildet, aber meist auffällig unauffällig bleibt, sowie Kim Gerecht, Leiterin der „Content Unit Osnabrück“ der NOZ. Ein pikantes Detail: Die ANK erkannte erst durch den Hinweis eines Mitdiskutanten, wer da mit im Publikum saß.

„Mag sein, dass die beiden sich später selbst vorgestellt hätten“, sagt Rümmele. „Aber rund eine Viertelstunde lang taten sie es nicht. Uns schienen sie auf offizieller Mission zu sein. Riepe, von uns auf Ewerts Thesen vom Vortag angesprochen, richtete uns aus, Ewert lasse grüßen, er sei derzeit auf Reisen.“

ANK wertet NOZ-Besuch als Dialogangebot

Die NOZ-Präsenz sei „nicht ganz nach dem Geschmack der Teilnehmenden“ gewesen, sagt Schnare. „Einige haben sich dadurch eingeengt gefühlt, sich so face to face zu äußern.“ Die NOZ-VertreterInnen hätten sich „konstruktiv“ beteiligt. Aber: „Offenbar wollte man uns einhegen, ausbremsen.“

Riepes und Gerechts Besuch wertet die ANK als Dialogangebot der NOZ, „damit wir ihr helfen, besser zu werden“. Schnare stellt jedoch klar: „Wir wollen erst einmal unsere eigenen Positionen bestimmen.“ Instrumentalisieren lasse man sich nicht. „Zum Vorwurf des Rechtspopulismus haben Riepe und Gerecht sich nicht geäußert.“

Die NOZ wurde von der taz um eine Kommentierung gebeten, unter anderem zur Bewertung der Gründung und Ausrichtung der ANK, zur Rolle von Riepe und Gerecht beim ANK-Treffen sowie zur Frage, ob die NOZ den Vorwurf generell zurückweist, sich rechter Narrative zu bedienen. Auch nach mehreren Tagen, Mails und Telefonaten zeigte sich die NOZ aber außerstande, die Fragen der taz bis Redaktionsschluss zu beantworten.

Die ANK bereitet derweil ein Follow-up für Anfang 2026 vor. „So schnell wird uns die NOZ nicht los“, sagt Rümmele und kündigt „weitere Aktionen“ an. „Schließlich haben wir uns mit unserem Namen ein Programm gegeben!“

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