Neue Opposition im Bundestag: Die SPD braucht jetzt die Linkspartei
Nur noch 153 Abgeordnete stellt die SPD im neuen Bundestag. Handlungsfähig ist sie als Oppositionspartei nur mit Hilfe der Linken.
1. SPD first
Nach einer Regierungserklärung der Kanzlerin spricht zuerst derOppositionsführer – das hat im Bundestag Tradition. Bei einer neuen großen Koalition wäre die AfD stärkste Oppositionspartei geworden, hätte direkt auf die Kanzlerin geantwortet und so die größte Aufmerksamkeit bekommen. Auf Regierungserklärungen der Jamaika-Koalition würde dagegen eine Rede der SPD folgen, die AfD rückt nach hinten.
2. Der Haushaltsausschuss bleibt rot
Traditionell bekommt die stärkste Oppositionsfraktion auch den Vorsitz des Haushaltsausschusses, eines der wichtigsten Gremien des Bundestags. Derzeit hat Gesine Lötzsch (Linkspartei) den Posten inne, jetzt bekommt ihn wohl die SPD. Die AfD muss sich mit dem Vorsitz in weniger relevanten Ausschüssen begnügen. Die genaue Besetzung vereinbart der Ältestenrat.
3. U-Ausschuss nur mit den Linken
Aber auch als stärkste Oppositionsfraktion sind die Möglichkeiten der SPD begrenzt. Für die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen und Enquete-Kommissionen müssen zum Beispiel mindestens 25 Prozent der Abgeordneten stimmen. Im neuen Bundestag wären das 178 Abgeordnete, die SPD allein hat aber nur noch 153. Werden die Grünen Regierungsfraktion und wollen die Sozialdemokraten nicht mit der AfD abstimmen, wären sie für die Einsetzung von U-Ausschüssen erstmals darauf angewiesen, gemeinsame Sache mit der Linkspartei zu machen – ein rot-rotes-Oppositionsbündnis käme auf 222 Stimmen. Übrigens: Die AfD fordert zwar einen Untersuchungsausschuss zur Flüchtlingspolitik von Angela Merkel, kann ihn mit ihren 94 Abgeordneten aber nicht durchsetzen.
Empfohlener externer Inhalt
4. Auch nach Karlsruhe kommt die SPD nicht allein
Mit 25 Prozent der Stimmen kann die Bundestagsopposition jedes Gesetz zur Überprüfung ans Bundesverfassungsgericht schicken. Für diese sogenannte abstrakte Normenkontrolle reichen die Stimmen der SPD also ebenfalls nicht aus. Theoretisch kann auch jede Landesregierung einen Antrag auf Normenkontrolle stellen. Fast alle Ministerpräsidenten der SPD reagieren aber mit einer der drei Jamaika-Parteien, und diese würden in Karlsruhe nicht gegen ihre eigenen Gesetze klagen. Eine Ausnahme ist Brandenburg – dort regiert die SPD aber mit der Linkspartei. Um sie kommt die SPD also auch für die Normenkontrolle nicht herum.
5. Keine Sondersitzung für die Opposition
Sondersitzungen des Bundestags kann die Opposition nur erzwingen, wenn mindestens ein Drittel der Abgeordneten dafür stimmt. So viele haben nicht mal SPD und Linkspartei zusammen; das Quorum würde nur erreicht, wenn auch die AfD dafür ist. Heißt in der Praxis: Unfreiwillige Sondersitzungen müsste die Jamaika-Koalition kaum befürchten.
6. Merkel herbeirufen darf jeder
Immerhin: Manche Oppositionsrechte sind ganz einfach durchzusetzen. Fünf Prozent der Abgeordneten oder der Antrag einer einzigen Fraktion reichen zum Beispiel aus, um ein Regierungsmitglied in eine laufende Plenarsitzung rufen zu lassen. Das schafft die SPD also ohne die Linkspartei und das kann selbst die AfD ganz alleine.
Empfohlener externer Inhalt
Lesen Sie mehr zur Bundestagswahl 2017 in unserem Schwerpunkt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis