Neue Musik aus Mali: Vorsicht bei der Hexerei
Hypnotisch, tribalistisch, psychedelisch: „Mali Foli Coura“, das neue Album der Band BKO, verbindet kreativ Tradition und Innovation.
Seit dem Jahr 2012 kommt Mali nicht zur Ruhe: Erst putschten die Streitkräfte in dem afrikanischen Land, während sich im Norden Malis die Kämpfe zwischen Islamisten und Tuareg-Rebellen verschärften. Dann wurde die französische Armee zu Hilfe gerufen und der Ausnahmezustand verkündet. Seither ist es oft schwer zu sagen, wer genau welche Menschenrechtsverletzungen verübt hat.
Just in jenem Jahr, als der bis heute ungelöste Konflikt eskalierte, machte eine Band in Malis Hauptstadt Bamako erste Aufnahmen, die schon durch ihre Zusammensetzung für ein friedliches Miteinander im Vielvölkerstaat Mali steht: BKO. Vier Mitglieder des nach dem Flughafenkürzel von Bamako benannten Quintetts gehören verschiedenen Ethnien an, dazu gesellt sich der französische Schlagzeuger und Bandgründer Aymeric Krol.
Diese Vielfalt spiegelt sich auch im Sound: Während Sänger Nfali Diakité, der auch die bassige, sechssaitige Donso-Ngoni-Laute spielt, ein Donso ist und deshalb von der ländlichen Kultur der Bambara-Jäger geprägt ist, bei deren animistischen Zeremonien er nach wie vor auftritt, steht Sänger Fassaro Dacko in der urbanen Tradition der Griots der Mandinkas, für die er etwa bei Hochzeiten spielt, um die Eheleute, ihre Familien und deren Geschichte zu preisen.
Zu den beiden kommen zwei der besten Instrumentalisten des Landes hinzu: Ibrahima Sarr, ein Meister der mächtigen Djembé-Trommel, ist bereits mit der malischen Sängerin und Grammygewinnerin Oumou Sangaré getourt, während sich Abdoulaye Kone mit seinem eigenwilligen Spiel der viersaitigen, klar tönenden Djeli-Ngoni-Laute einen Namen gemacht und Künstler wie Tiken Jah Fakoly und Salif Keita begleitet hat.
„Wir wollten eine elektrische Atmosphäre erschaffen“
BKO sind ein panmalisches Ensemble und legen nun mit „Mali Foli Coura“ ihr zweites Album vor, auf dem sie ihre stilistische Reise zwischen Tradition und Innovation fortsetzen, wenngleich ihr Sound durch die Produktion deutlich rockiger geworden ist. Übersetzt heißt der Titel ihres Albums – gerade heraus – „Neue Musik aus Mali“.
So setzen die BKO-Musiker auf „Mali Foli Coura“ auch althergebrachte Instrumente wie die zirzenden Ngoni-Lauten ein – nur, dass diese mit Tonabnehmern versehen sind und teilweise über Verzerrer und Wahwah-Pedal gespielt werden. Als rhythmische Erweiterung kommt zudem ein richtiges Drumset hinzu.
„Wir wollten eine elektrische Atmosphäre erschaffen, wie man sie auch Nachts in Bamako erleben kann, wenn Musik gespielt wird“, erklärt Aymeric Krol. Im Ergebnis klingt das für unsere Ohren nicht immer nach melodiöser, aber dennoch tanzbarer polyrhythmischer Traditionsmusik, die mit Rockelementen und psychedelischen Trance-Einschüben gefüttert wird.
Zum Einstieg wird in „Tangwanana“ ein traditionelles Thema aufgegriffen und davor gewarnt, dass sich Hexerei gegen einen selber richten könne, wenn man nicht aufpasse. In anderen Songs geht es aber auch um weltliche Dinge, in „Mali Liberela“ etwa wird ausdrücklich die Befreiung Malis vom Obskurantismus gefeiert.
Mehr als 300 Konzerte in 20 Ländern
Mali – ein Land, in dem heute mehr als 80 Ethnien leben – war immer stolz auf seine über Jahrhunderte gepflegte religiöse Toleranz. Eine wichtige Rolle für das friedfertige Zusammenleben spielte dabei Musik, sowohl als Kitt, der das Land zusammenhielt, als auch als Fenster zur Welt. Doch angesichts der angespannten Sicherheitslage konnte die letzten Jahre auch das legendäre Festival au Désert nicht mehr ausgetragen werden.
BKO: „Mali Foli Coura“ (Buda Musique/Lee Thorpe Entertainment/Membran)
Damit kein falscher Eindruck entsteht: Zumindest in der Hauptstadt Bamako geht das Leben weiterhin weitgehend seinen gewohnten Gang, betont Aymeric Krol. Für malische Musiker macht sich allerdings negativ bemerkbar, dass es weniger Feiern gibt, für die sie gebucht werden. Das ist auch ein Grund dafür, dass BKO die letzten Jahre so oft im Ausland unterwegs war und mehr als 300 Konzerte in 20 Ländern gab. Im März werden sie erstmals durch Angola und Mosambik touren. Wenn die Band hoffentlich bald wieder in Deutschland auftritt, sollte man sich BKO auf keinen Fall entgehen lassen. Denn ihr hypnotisch-tribalistisch-psychedelischer Sound klingt am besten auf der Bühne!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Diskussion um US-Raketen
Entscheidung mit kleiner Reichweite