Neue Klatsch-Sendung auf ARD: 50 Minuten Plattitüden
Marijke Amado, Jeanette Biedermann und Aminata Belli tratschen künftig täglich über Liebe und Co. Das Nachmittagsfernsehen ist zurück.
Als Teenager folgten meine Tage einem festen Ablauf: Schule, Mittagessen und dann vor den Fernseher. Egal ob „taff“, „Mitten im Leben“, „Richterin Barbara Salesch“, „Die Abschlussklasse“ oder diverse Realityshows auf MTV – allein um an nächsten Tag mitreden zu können, musste man einschalten.
Das Nachmittagsfernsehen der 00er Jahre prägte eine Generation. Diese Zeiten sind lange vorbei: Youtube und Social Media haben die Nachmittagsunterhaltung der Schulkinder übernommen. Vermutlich sind die Einzigen, die heute noch das Nachmittagsprogramm im linearen Fernsehen verfolgen, Rentner_innen.
Es ist also mutig von der ARD, dass sie ihre neue Lifestyle-Talkshow für alle Generationen um 16.10 Uhr laufen lassen. Dabei dürfte die Auswahl der Hosts gerade Menschen meiner Generation nostalgisch werden lassen. Von Montag bis Freitag besprechen seit dieser Woche die Moderatorin Aminata Belli, Marijke Amado (Ja, die von der „Mini Playback Show“) und Jeanette Biedermann (Ja, die von „GZSZ“) alles rund um Liebe, Alltagssorgen und Gossip.
Fast ein wenig wahllos wirkt die Zusammensetzung, doch wenn Amado (geboren in den 50ern), Biedermann (geboren in den 80ern) und Belli (geboren in den 90ern) gemeinsam über den Erbstreit bei den Messners (War früher mehr Familie?) oder den neuen Liebhaber von Madonna (Ist sie zu alt für ihn?) diskutieren, merkt man schnell, wie gut sie harmonieren. Obwohl es den beiden Jüngeren manchmal noch etwas schwer fällt, gegen die 70-jährige Fernsehikone Amado anzukommen.
„Amado, Belli, Biedermann – Drei Generationen. Ein Talk“, täglich ab 16.10 Uhr, ARD und in der ARD-Mediathek
Zu den dreien gesellt sich in jeder Folge ein Gast in das Studio, das aussieht wie eine Sims-Version von einem Landhaus, von dem man auf eine unendliche Tulpenwiese mit weißen Schmetterling blickt.
„Liebe kennt kein Alter“
In der ersten Folge muss Moderator, Schauspieler und Autor Jochen Schropp nicht nur über Promi-News, sondern auch über den Beautytrend Vitamincocktails per Infusion diskutieren und Peinlichkeiten der drei Hosts erraten. Doch er schlägt sich gut, genau wie die zweite Gästin Diana Körner, die mit ihren 80 Jahren Lebenserfahrung von ihren Dating-Erlebnissen am Set und gesunder Ernährung erzählt.
Am Ende entstehen jeweils 50 Minuten voll mit Plattitüden: „Liebe kennt kein Alter“, „Es ist wichtig, mit der Familie in Kontakt zu bleiben“ oder „Gegen das Altern hilft, offen, neugierig und interessiert bleiben.“ Es ist alles wahnsinnig belanglos. Genau so wie Nachmittagsfernsehen sein soll.
Politische Zwischentöne gibt es trotz allem. Beispielsweise immer dann, wenn die drei von ihren Erfahrungen als Frauen im Fernsehbusiness erzählen inklusiver abwertender Kommentaren zu ihrem Alter oder Aussehen.
Dass die Talkrunde der drei so einen Stellenwert erreicht wie früher Brit oder Arabella, ist zweifelhaft. Was nicht der Gestaltung, sondern dem Format an sich geschuldet ist. Doch vielleicht ist sie für den ein oder die andere mal Grund, früher Feierabend zu machen (auch wenn sie natürlich rund um die Uhr in der Mediathek zum Streamen bereitsteht).
Das Leben mit Nachmittagsfernsehen war doch ein schönes. Doch zuerst muss es die ARD fest in ihr Programm verankern. Bislang sind nur 10 Folgen geplant, also zwei Wochen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Misogynes Brauchtum Klaasohm
Frauenschlagen auf Borkum soll enden
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz