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Neue Imagekampagne für BerlinVoll auf Vogelgezwitscher

Kommentar von Claudius Prößer

Tretboot, Schwäne und „Dicke Marie“: Solange die fetten Partys ausbleiben, wird Berlin halt zum Outdoorparadies. Zumindest in der neuen Imagekampagne.

Wer denkt bei Berlin nicht an... Natur! Foto: dpa

E s war einmal, vor langer, langer Zeit, eine große Stadt, die sehnte sich nach Besuch aus der weiten Welt. Sie war nicht die größte und auch nicht die schönste, vielleicht noch nicht mal die interessanteste von allen großen Städten, aber klein, hässlich oder langweilig war sie nun auch wieder nicht. Und als irgendwann die Leute entdeckt hatten, dass man hier so richtig Party machen konnte, draußen und drinnen, nachts wie tags, mit ’nem Bier in der Hand oder Koks in der Nase, spätestens da wollten alle nur noch nach Berlin.

Dann kam Corona und alle blieben zu Hause. Stille legte sich über die Straßen. Als sich irgendwann die Ladentüren wieder zaghaft öffneten, Tische auf den Gehweg gerückt wurden und die Hotels ihre Zugbrücken herunterkurbelten, war zwar so etwas wie neues Leben in der Stadt – aber die meisten Touristen fehlten. Entweder sie trauten sich nicht, oder es gab keine Flüge – wahrscheinlich lag es aber auch daran, dass nichts mehr los war. Kein Rave, kein Konzert, kein Theater, kein Festival. Und nichts los war ja schon anderswo genug, dazu musste niemand an die Spree.

Weil niemand richtig wusste, wie lange dieser Zustand noch dauern würde, besannen sich jene Experten, die sonst recht fleißig die Werbetrommel für das quirlige, volle, nie schlafende, laute und lasterhafte Berlin schlugen, eines Besseren. In ihrer Image-Schmiede visitberlin erdachten sie eine neue Kampagne, mit der sie die Metropole neu erfanden: als Outdoorparadies.

Blütengeschwängerte Stadtpanoramen

„Berlin. Auch das.“ lautet das Motto, und fast ist man versucht, ein „noch“ dahinterzudenken. Mit 15-sekündigen Videoschnipseln ist die neue PR-Aktion am Montag in den sozialen Medien gestartet. Entspannter geht’s kaum: Mal begleitet die Kamera einen Menschen mit Rucksack durch vogelzwitscherndes Grün, dann wieder steigt sie über einer jungen Frau auf, die in pandemiebedingter Einsamkeit neben ihrem Sonnenschirm am Havelstrand sitzt. Nur das, kein Wort, noch nicht mal ein Jingle. Kurort Berlin.

„Die Menschen sehnen sich nach Abwechslung und Optimismus. Berlin bietet beides“, sagt Berlins oberster Tourismustrommler Burkhard Kieker dazu. Oder wie es auf der neuen „Landingpage“ von visitberlin.de heißt: „Was viele nicht wissen: Berlins Natur ist überraschend vielseitig und sorgt für Erholung, Entspannung und Action.“

In diesem Duktus geht es dann auch weiter, wenn man sich durch die vielen Tipps zu Parks und Seen, Picknickstellen und Urban-Gardening-Projekten klickt, verschönert mit sonnengetränkten und blütengeschwängerten Stadtpanoramen. Immer lädt irgendein lauschiger Ort „zum Verweilen ein“, man kann „zünftig speisen“ oder, selbst dieser Gemeinplatz darf auch im Jahr 2020 nicht fehlen, mit Conny Froboess „die Badehose einpacken“.

Mal sehen, ob das Konzept im Rest des Landes verfängt, wo es ja auch die eine oder andere Badestelle, ja sogar größere Waldgebiete geben soll. Später im Sommer soll noch ein zweiter Kampagnen-Teil „ausgespielt werden“, dann „kommen auch die Themen Kultur, Gastronomie und Sightseeing zum Tragen“, wie visitberlin mitteilt. Das ist wohl auch dringend nötig – denn nur mit Tretbooten, Schwänen oder der „Dicken Marie“ im Tegeler Forst lässt sich vielleicht doch kein Metropolentourismus bestreiten.

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Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.
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