Neue Heimat für Punkertreff Kopi: Schlecht gelaunte Punker und andere Legenden
Nach einer langen, nervenzerrenden Hängepartie hat der einst aus den Chaostagen hervorgegangene Punkertreff Kopi endlich eine neue Heimat gefunden.
E in bisschen beleidigt war ich ja schon, dass mich keiner eingeladen hat zu diesem kurzfristig anberaumten Pressetermin. Aber gut, es war halt auch kurz vor knapp. Bis zum 20. Oktober sollten die Punker vom Kopi ihren heiß geliebten Treffpunkt endgültig räumen, damit die Bahn ihre seit 2018 angekündigten Bauarbeiten an der Eisenbahnbrücke in der Nordstadt angehen kann.
Ganze zehn Tage vorher lud die Stadt dann mal eben schnell zum Fototermin mit Oberbürgermeister und Jugenddezernentin ein. Das große Aufatmen: Man hatte auf den letzten Metern doch noch ein Ausweichquartier gefunden.
Das war eine echt schwere Geburt, an die 30 Standorte hatte man sich angesehen und verworfen. Immer passte irgendwas nicht: Die Standorte, die von der Stadt vorgeschlagen wurden, fanden die Punks meist unmöglich (zu weit weg, kein Strom, kein Wasser), die Orte, die den Punks gefielen, fand meist die Stadt unmöglich (nicht verfügbar, zu teuer, anders verplant, falsche Nachbarschaft).
So ging das jahrelang hin und her. Immer mal wieder demonstrierten die Punks und drohten mit einem Revival der Chaostage, immer mal wieder sah man Verwaltungsleute tief durchatmen und angestrengt freundlich versichern, wie sehr man sich doch bemühe.
Ein echtes Sahnestückchen
Auch die eigentlich geplante feierliche Vertragsunterzeichnung verweigern die Verantwortlichen des „Lutherkirchentreff e. V.“, wie der Punker-Verein offiziell heißt, erst noch einmal. Man müsse da erst noch das ein oder andere regeln, heißt es stilecht in lang geübter schlechter Laune.
Dabei ist das neue Quartier ein echtes Sahnestückchen. Das alte Vereinsheim der „Turnerschaft Hannover von 1852“ liegt hinter den Herrenhäuser Gärten, mitten im Grünen und doch zentral, bietet viel mehr Platz und ein riesiges Außengelände – und vor allem eine legendäre Nachbarschaft.
Das „Musiktheater Bad“ liegt direkt daneben und ist heute ein Lost Place, war aber mal die Art von Club, an die sich Menschen in Hannover noch Jahrzehnte später mit verklärtem Geseufze erinnern.
Nirvana hat da mal gespielt, wispert man ehrfürchtig. Das war allerdings noch vor ihrem großen Durchbruch – die langhaarigen Jungs aus Seattle sollen sich 1989 vor knapp 100 Gästen eher genervt und übernächtigt durch die Setlist mit ihrem ersten Album gequält haben, behauptet die Neue Presse noch Jahre später.
Andere Größen, die in diesem Zusammenhang genannt werden: Helge Schneider, Nina Hagen, Sido, Rammstein. Ich kann mich an kein legendäres Konzert im Bad erinnern, wohl aber an die ein oder andere Party.
Ich erinnere mich vor allem daran, dass es die Kleiderfrage noch einmal verschärfte: Immerhin musste man ja erst einmal anderthalb Kilometer durch die Leinemasch stiefeln, bevor man da hinkam.
Möglicherweise waren meine Freunde und ich mal wieder die entscheidenden paar Jährchen zu spät dran. Man musste ja auch erst einmal die „Großraumdisko mit Mutti-Zettel“-Phase überstehen, bevor man begriff, dass es da draußen noch ganz andere, viel tollere Dinge gab.
Das Bad lebte da aber immer noch vom Ruf, irgendwie anders, besonders und verwegen zu sein. Das tat es auch noch eine ganze Weile, bevor es so in Raten vor sich hinstarb. Für die Punks bedeutet das aber immerhin: Als Partygelände ist die Zone erprobt. Der nächste lärmempfindliche Nachbar ist ein Stück entfernt.
Wobei die Kopi-Leute ja auch längst nicht mehr nur für Rabatz, sondern durchaus solide Jugendarbeit bekannt sind. Und denen, den Jugendlichen, fehlt in der Stadt ja meistens eines: Orte, an denen sie einfach mal sein dürfen, auch im Rudel, ohne Konsumzwang und Rücksicht auf Stadtbild und so was. Dafür – immerhin – ist hier jetzt Platz.
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