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Neue Gema-Tarife für DJsSymphonie der Opfer

Die Gema streitet nicht nur mit Youtube. Nun sollen auch DJs für digitale Tracks zahlen. Das hat einen Shitstorm ausgelöst.

Zurück zum Vinyl? Wer nicht zahlen will, muss halt schleppen Bild: dpa

Alle hassen die //www.gema.de/:Gema. Zumindest könnte dieser Eindruck entstehen, wenn man sich auf den Social-Media-Kanälen der Verwertungsgesellschaft umtut, wo ein Shitstorm gegen die Einführung von neuen Gema-Tarifen für DJs („VR-Ö“) ab dem 1. April tobt. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Doch viele, die ihren Unmut kundtun, wissen über die neuen Regularien gar nicht Bescheid.

13 Cent sollen DJs pro gespielten Track ab April zahlen. Sämtliche Vervielfältigungen, die vorher erfolgt sind, können mit einem Pauschalbetrag von 125 Euro abgegolten werden. Erhoben werden sollen diese Obolusse ausschließlich bei der Verwendung von kopierten Dateien. All das gilt nicht für DJs, die mit Vinyl oder legalen CDs auflegen. Bei einer Gage von 6.000 Euro bleiben 125 Euro ein verträglicher Betrag. Einem DJ, der für 50 Euro in der Kneipe auflegt, tut der neue Tarif weh. Leider unterscheidet die Gema nicht zwischen Star-DJs und Nobodys.

Jemand hat die neuen Gebühren deshalb verächtlich als „Dieter-Bohlen-Steuer“ tituliert. Was die Gema einsammelt, komme an der Basis einfach nicht an, moniert einer, der nicht genannt werden möchte. Die neuen Tarife liefern Stoff für Horrorszenarien.

So erklärt Ronald Heinrich, Pressesprecher der bayerischen Piratenpartei*, die Gema-DJ-Pauschale würde auf das gesamte Festplatten-Repertoire von DJs hochgerechnet, das er mit 3.000 bis 10.000 Songs pro Festplatte beziffert. Auch müssten Back-up-Kopien zusätzlich bezahlt werden – und Tracks auf USB-Sticks. Das sei keine Nachwuchsförderung, sagt Heinrich.

Der verstärkte Einsatz von Vinyl, behauptet der Pirat, würde zu hohen Transportkosten führen. Das klingt doch eher nach einem schlechten Witz. Die Gema reagierte auf die unzähligen Beleidigungen. Teilweise wurde die eigene //www.facebook.com/GEMAdialog:Facebook-Seite gesperrt. Auch Heinrich spricht von einer „Unkultur“ der Beschimpfungen im Netz.

Sprachlos machen nicht nur die unterschiedlichen Denkweisen – hier die Verwertungsgesellschaft mit ihrer juristisch-analytischen, aber auch praxisfernen Herangehensweise – da die Verrohung im Netz. Auch die allgemeine Unkenntnis von DJ-Kultur muss zu denken geben. Denn was hier auf dem Spiel steht, ist eine Wertschätzung von Musik, die im Clash zwischen Apparatschiks und Unzivilisierten verloren zu gehen droht.

60 Prozent der Klickmonster sind nicht zu sehen

Um die Wertschätzung der Musik geht es auch im Clinch zwischen der Verwertungsgesellschaft und dem populärsten Videoportal im Netz: YouTube. Hinter der Clip-Plattform steht der Internetkonzern Google. Seit 2009 streiten sich die Kontrahenten um eine adäquate Vergütung der bei YouTube gestreamten Musikvideos. Eine Einigung steht bisher aus. Die Verhandlungen seien //www.gema.de/presse/pressemitteilungen/presse-details/article/youtube-verhandlungen-gema-reicht-antraege-bei-schiedsstelle-ein.html:„gescheitert“, teilte die Gema in einer Pressemitteilung Mitte Januar mit. Ein Verfahren bei der Schiedsstelle des Deutschen Marken- und Patentamts läuft. Derzeit wird die „Angemessenheit der von der Gema geforderten Per-Stream-Minimumvergütung von 0,375 Cent“ geprüft.

Als generelles Fanal der Auseinandersetzungen dienen die bei YouTube auftauchenden Sperrtafeln: „Dieses Video ist in Deutschland nicht verfügbar (…)“. Die Süddeutsche Zeitung hat in Kooperation mit den Datenjournalisten von Opendata ermittelt: „Mehr als 60 Prozent der meistgeklickten Videos der Welt sind in Deutschland deshalb nicht zu sehen“.

Im Mittelpunkt der Debatte generieren sich sowohl die Videoplattform als auch die Verwerter als Opfer des jeweils anderen. Die Außenstehenden komplex erscheinende rechtliche Situation scheint festgefahren. YouTube will sich zu dem Thema vorerst nicht äußern, teilte aber in einem Statement mit, dass man weiterhin offen sei, „mit der Gema eine dem Geschäftsmodell von YouTube entsprechende Lösung zu finden“.

Auf dem taz.lab 2013 wird in der Veranstaltung (16.45-18.45 Uhr, Zelt 1) der aktuelle Stand der Debatte diskutiert

*Anmerkung der Redaktion: Roland Heinrich ist Presseprecher des Bezirksverbands Oberbayern der Piratenpartei. Pressesprecher des Landesverbands ist Volker Münch.

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11 Kommentare

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  • U
    U-Musiker

    @ Alles Für Umme

     

    Ich will nichts für Umme, aber mehrmals für dasselbe bezahlen will ich auch nicht. Ich will, dass der Urheber die Tantiemen bekommt und diese nicht mehr nach einem seltsamen Schlüssel an die Major-Produzenten ausgeschüttet werden. Ich will eine Abschaffung der GEMA-Vermutung, da die GEMA nur einen kleinen Bruchteil aller Urheber vertritt. Ich will, dass die GEMA keine Sonderrechte mehr hat, die sich aus ihrer Rolle im Dritten Reich ergeben haben.

     

    Wünschenswert wäre auch eine Beteiligung aller Mitglieder an den Entscheidungen, aber das ist Sache der Mitglieder. Ich bin keins und wünsche ausdrücklich, dass meine Musik kopiert, genutzt, gespielt wird. Das Urheberrecht verliere ich damit übrigens auch nicht.

     

    Dass die GEMA durch irgendwelche Pauschalen Geld für meine Musik nimmt und sich behält oder gar an Gestalten wie Bohlen ausbezahlt, wenn auch nur prozentual, dagegen bin ich ausdrücklich.

     

    Herr/Frau Alles für Umme, ich habe auch Kinder und eine Wohnung. Ihr Kommentar ist Blödsinn.

  • AP
    Andreas Praefcke

    Wer sind "J. Weber & J. Scheper"? Sind die von der GEMA?

     

    Ist aber auch egal. Unter so einen schlechten Text würde ich meinen vollen Namen jedenfalls auch nicht schreiben wollen.

  • AF
    Alles Für Umme

    Die böse GEMA.

    Ich möchte alles für umsonst haben, haben, haben.

    Es interessiert mich nicht, ob ein Komponist oder gar

    seine Kinder irgendwas essen wollen oder eine Wohnung

    bewohnen. Ich will Spaß für Umme! GEMA, das klingt

    schon so böse, die wollen vermutlich gar keinen Spaß.

  • D
    Dr.Jeckyll

    Ich halte diese Tarife für unmöglich realitätsfern. Man zahlt nicht für das Abspielen von Musik sondern das mitführen von Dateien. Wenn ich also eine 1 TB Festplatte mitführe und trotzdem eine CD laufen lasse ist das egal. Desweiteren stellt sich mir die Frage wer nun hier als DJ geführt wird, der Wirt der in seiner Kneipe vom Laptop Musik laufen lässt, Jugendliche, die mit einem Mischpult ausgerüstet die aktuellen Charts rauf unf runterspielen. Brauchen DJs jetzt bald eine bestätigung von der Gema das diese ihnen jetzt geld zahlen dürfen?

     

    Alles in allem sehr sehr schwach und unausgereift.

  • R
    routier

    Noch keiner auf die Idee gekommen, den Gemaserver zu hacken, die Bude in Schutt und Asche zu legen. Bei Bekannten wurde das mal mit dem Finanzamt gemacht. Keine Daten keine Probleme.

    ciao

  • P
    Pianojoe

    Wenn man eine CD kauft, oder eine MP3-Datei, erwirbt man noch nicht das Recht, diese Musik öffentlich laufen zu lassen und damit Geld zu machen, sondern nur das Recht, diese Musik privat zu nutzen. Für jeden, der das nicht weiß, steht es auf den meisten CDs extra nochmal drauf.

  • F
    FMH

    "die mit Vinyl oder legalen CDs auflegen"

     

    Bitte? Was soll das denn heißen? Kopien, die sich ein DJ von CDs aus seiner Sammlung, von legal heruntergeladenen mp3-Dateien und ähnlichen zusammenstellt sind ja wohl auch legal. Sollte das in diesem Satz vielleicht "originalen CDs" heißen? Ist die taz auch schon der Plattenindustrie-Propaganda auf den Leim gegangen, dass jede gebrannte CD und kopierte Datei illegal sei?

  • L
    Lars

    Natürlich legen DJs heute auch digital auf.

     

    Timecode-Platten liegen zwar nach wie vor auf Plattentellern, aber sie steuern den Computer bei der Wiedergabe.

     

    Gerade für junge DJs ist das ne tolle Sache, die den Kauf und Transport von Platten erspart.

     

    CDs allerdings sind mehr als Out.

     

    Natürlich legen auch nach wie vor viele echtes Vinyl auf, aber in meinem Bekanntenkreis (ca. 10 DJs im Bereich Hip Hop bis Elektro-Swing) ist es inzwischen 50/50.

     

    Und kaum eine_r von denen hat ne Gage die solche Gebühren zahlbar macht.

  • RD
    Real DJ

    @ Fake Disc Jockey: Dann sind Ihrer Meinung nach DJ Legenden wie Grandmaster Flash also Fake DJs? Jener legt nämlich mittlerweile auch mit Traktor Scratch und Time Code Vinyl auf. Der technischne Fortschritt im DJ Bereich hat dazu geführt, dass ein Großteil der DJs mit digitalen Systemen auflegt, reine Vinyl DJs sind eine Seltenheit.

  • FD
    Fake Disk Jockey

    DJ's legen eigentlich immer Platten und keine "Files" auf, selbst CDs sind bereits umstritten. Zudem ist der digitale Sound einfach Müll. Also geht's hier gar nicht um DJs, sondern um irgendwelche Fakes.

    Transportkosten? Cargo Bike oder große Kuriertasche!

  • KP
    Kneejerk Pirate

    Bei youtube braucht man nur spanische, griechische und italienische Mucke anklicken und hat sowohl Bombensound als auch überhaupt keine Probleme, weil über 90% DIY sind. Außerdem spielen die den ganzen deutschen Poser- und Kopistenschrott an die Wand.