Neue Führung der Berlinale: Doppelspitze mit Machtgefälle
Mariette Rissenbeek sollte die neue Führung der Berlinale finden – nun wird sie selbst Geschäftsführerin. Carlo Chatrian wird künstlerischer Direktor.
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Magie im Berliner Martin-Gropius-Bau. Man hatte die geladene Presse am Freitag fast 50 Minuten im Stehen warten lassen, dann aber kam die Findungskommission für die Zukunft der Berlinale gemeinsam mit Carlo Chatrian, dem, wie schon vorab durchgesickert war, zukünftigen künstlerischen Direktor des Filmfestivals, in den Konferenzraum.
Erwartet hatte man, dass eine Doppelspitze präsentiert würde. Außer dem Italiener Chatrian und seiner Übersetzerin waren aber nur Kulturstaatsministerin Monika Grütters und ihre Kommissionskollegen Björn Böhning und Mariette Rissenbeek vor die Mikrofone getreten. Nachdem Grütters Chatrian offiziell als Nachfolger Dieter Kosslicks nach Mai 2019 bestätigt hatte, nahm sie eine performative Verwandlung vor mit den Worten: „Ihm zur Seite stehen wird Frau Mariette Rissenbeek als Geschäftsführerin.“
Das saß. Aus einem Kommissionsmitglied, das angetreten war, eine beziehungsweise zwei geeignete Personen für die Leitung der Internationalen Filmfestspiele Berlin zu finden, war vor den Augen der Journalisten selbst eine dieser beiden Personen geworden. Rissenbeek ist derzeit Geschäftsführerin von German Films (bis 2004 „Export-Union des Deutschen Films“), das den deutschen Film im Ausland bewirbt.
Grütters hatte zuvor gesagt, zu den „maßgeblichen Leitlinien“ für die Entscheidung der Kommission habe „eine Verjüngung des Festivals“ gehört. Im Falle Chatrians, des künstlerischen Leiters der Filmfestspiele von Locarno, mag das stimmen. Er ist 46 Jahre alt. Bei der Niederländerin Rissenbeek sieht die Sache etwas anders aus. Sie ist Jahrgang 1956, lediglich acht Jahre jünger als Kosslick.
Freude mit Breitseite
Wie Grütters auf die Frage nach dem Machtverhältnis dieser Doppelspitze zu Protokoll gab, sollen Chatrian und Rissenbeek in ihren Aufgaben „auf Augenhöhe“ arbeiten. Rissenbeek sei allerdings formal die Nachfolgerin Kosslicks und die „allein haftende Gesellschafterin“. Bei Konflikten müsse sie in dieser Funktion notfalls „auf ihrem Recht beharren“.
Der großen Freude in der Presse, über die Nachricht vom Dienstag, dass der cinephile Chatrian, der künstlerisch eine klare Haltung erwarten lässt, Kosslick beerben soll, wurde damit schon mal eine Breitseite verpasst. Von dem eigenartigen Geschmack der Transformation Rissenbeeks mitten im Findungsprozess einmal völlig abgesehen.
Wie sich dieses Verhältnis entwickeln wird, müssen die beiden wohl selbst erst noch herausfinden. Ein wenig Zeit wird es wohl brauchen. Man kann nur hoffen, dass das Vertrauen in Chatrians kuratorische Fähigkeiten nicht allzu hart auf die hier bestehenden Strukturen prallen wird.
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