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Neue Form der Kopfpauschale"Immer absurder"

Den Sozialausgleich für die umstrittene Prämie sollen nun die Kassenmitglieder finanzieren. Die Grünen sagen: Röslers Pläne werden "immer absurder".

Philipp Rösler auf dem 113. deutschen Ärztetag. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Streit um das letzte Prestigeprojekt der FDP geht weiter. Am Freitag wurde bekannt, wie Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) trotz Sparzwangs eine sogenannte Gesundheitsprämie einführen will. Sie soll mehrere Milliarden Euro kosten. Im Kern plant Rösler, den Sozialausgleich zwischen Gering- und Gutverdienern nicht mehr durch Steuergelder zu finanzieren, sondern vor allem durch das Umverteilen von Kassenbeiträgen. Damit gibt der Minister einen zentralen Punkt seiner Reform auf.

Je nach Kasse könnte die Höhe der Kopfpauschale 15 bis 30 Euro betragen, berichtet die Süddeutsche Zeitung mit Verweis auf Ministeriumspläne. Die Pauschale solle das Defizit in Höhe von rund 10 Milliarden Euro ausgleichen, das die gesetzliche Krankenversicherung 2011 voraussichtlich einfahren wird. Dieses Defizit wächst Jahr für Jahr trotz Milliardensummen an Steuergeldern, die ins Versicherungssystem fließen.

Röslers neuer Plan überrascht. Anfangs verfolgte der Gesundheitsminister mit der Kopfpauschale das Ziel, die Löhne von den steigenden Kosten im Gesundheitssystem zu entkoppeln. Das sollte Arbeitgeber entlasten und Lohnkosten senken. Damit eine Fußpflegerin nicht so viel für die Pauschale zahlt wie ein gut verdienender Facharbeiter, sollte die Pauschalsumme für Geringverdiener bislang mit Steuergeldern aufgestockt werden.

Gegen die Kopfprämie erhebt sich jedoch Widerstand, auch bei CDU und CSU. Am kommenden Montag will Rösler den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer von seinem neuen Plan überzeugen.

Doch woher sollen die Euro-Milliarden hierfür kommen? Einen Teil soll laut Süddeutscher die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze bringen. Kassenmitglieder müssen auf maximal 3.750 Euro ihres Bruttoeinkommens den Kassenbeitrag von 14,9 Prozent zahlen. Darüber liegendes Einkommen wird nicht erfasst. Mithelfen beim Stopfen des Kassendefizits soll das Einfrieren der Honorarsumme für Ärzte und der Zahlungen an Krankenhäuser. Preiskontrollen bei neuen Medikamenten sollen zudem bis zu 2 Milliarden Euro bringen.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach urteilt gegenüber der taz: "Falls sich diese Vorschläge als echt herausstellen sollten, halte ich sie für armselig. Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen würden zusätzlich belastet, wirklich Gutverdienende, die privat versichert sind, hingegen gar nicht."

Die Grünen halten Röslers Pläne für "immer absurder". Die gesundheitspolitische Sprecherin Birgitt Bender sagte der taz: "Die Grundprämissen - eine von allen zu zahlende einheitliche Pauschale, die durch Steuermittel sozial abgefedert ist - fallen in sich zusammen. Das Ergebnis ist nichts anderes als der Versuch der Gesichtswahrung", urteilt Bender. "Von einer nachhaltigen Finanzierung des Gesundheitswesens ist Rösler Lichtjahre entfernt."

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14 Kommentare

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  • A
    Amos

    Wie soll aus einer absurden Partei etwas Gescheites hervor gehen? Man schaue sich doch nur mal diese Männeken aus der FDP an. In der ganzen Partei ist doch keine einzige Leuchte. Dass überhaupt der Steuerzahler

    für so etwas bezahlen muss ist schon kriminell.

  • P
    Peter

    Wann wird dieser neoliberalen Klientelpartei mal Einhalt geboten??

    Die FDP versucht sogar in der größten Krise noch die Umverteilung von unten nach oben.

    Die Grünen sind doppelzüngig weil sie 1. die soziale Schieflage in diesem Land bei rot-grün mit zu verantworten haben und 2. in einer Koalition mit der LINKEN in NRW so manches durch den Bundesrat hätten verhindern können.

  • VR
    Volker Rockel

    Das von Rösler propagierte Konzept war von vornherein "absurd"!- Nur offenischtlich war der "schwarze" Koalitionspartner vom Machterhalt so geblendet, dass er zu rationalem politischen Denken in den Koalitionsverhandlungen offensichtlich nicht mehr fähig war und offensichtlich auch unfähig seine Fehleinschätzung im Nachhinein einzugestehen!

     

    Insoweit beginnt sich der Koalitionsvertrag Schritt für Schritt in Luft aufzulösen!- Eine Erkenntnis, die man seitens der CDU/CSU auch schon nach dem 27. September hätte haben können....

  • KD
    Karl der Käfer

    ...geht`s noch, Herr Rösler?

     

    WEnn die FDP so weiter macht..., dann kratzen Sie vielleicht noch an der 5 % Hürde.

     

    Das hätte die Taz nie geschafft.

    Die FPD klappt aufgrund der gesamten Pickel&Yuppie - Abteilung ( unglaublich, diese Leute wollen unser Land regieren..).. bald wohl ganz in sich zusammen.

     

    Diese angebliche Bürgervertretervereinigung hat den letzten Schuß wohl doch nicht gehört

  • V
    vic

    Rösler ist ein eiskalter Klientel-Schnösel, wie in der FDP leider üblich.

    Und die Person mit der Richtlinienkompetenz macht das, was sie am besten kann - nichts.

  • KH
    Karin Haertel

    Dieser Planh, die Person und die gesamte Partei sind absurd. Aber dafuer wurden sie ja bereits in NRW agewatscht. Es sei ihnen dringend angeraten, das Gehirn einzuschalten bevor man den Mund aufmacht.

  • V
    vantast

    Ist mir alles unbegreiflich. Egal, welches System man verwendet, mit jedem kann man bei der Wahl geeigneter Parameter Kosteneffizienz erreichen. Der Ansatz hier ist wohl, die Arbeitgeber weiter zu entlasten und den Staat zahlen zu lassen, also Nutzen zu privatisieren und Belastungen zu sozialisieren. Damit haben wir es schon weit gebracht. Weiter so!

  • R
    Ralf

    Wie wäre es damit? Jeder,aber auch jeder, ob arm oder reich, zahlt von seinem Bruttoeinkommen 5%(Vorschlag) als Gesundheitssteuer, den sogenannten Solibeitrag, der ja bekanntlich keiner ist, könnte dafür entfallen. Die Regierung gibt den Kassen vor(sie verwalten ja nur das zwangsweise von den Bürgern eingezogene Geld und ist deshalb dazu verpflichtet) wieviel von dem von ihnen verwalteten Geld maximal für Verwaltung und Vorstandsgehälter ausgegeben werden darf. Bisher sind die Kassen ja so eine Art unkontrollierte Selbstbedienungsläden, die vom ärmeren Teil der Bevölkerung finanziert werden müssen. Damit würden die Gesundheitskosten von den Arbeitskosten entkoppelt, ohne das Solidarprinzip zu verletzen. Das auf der Selbsbedienungsseite Ausgaben, auch viel geschehen muß ist natürlich selbstverständlich. Ob dies mit unseren kleinen Lobbivietnamesen allerdings zu machen ist, wage ich zu bezweifeln.

  • W
    Waage

    mit einer Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze könnten die meisten finanziellen Probleme der Kassen gelöst werden.

    Würden zudem noch die meisten privaten Kassen abgeschafft und das Beihilfesystem der BeamtInnen in die normale Krankenkasse eingegliedert, wäre plötzlich so viel Geld vorhanden das man sich über

     

    a) verbesserte Kassenleistungen

    b) insgesamt geringere Beiträge

     

    Gedanken machen müsste.

     

    (Aber wo kein Wille - da kein Weg!)

  • EA
    Eser A.

    "Doch woher sollen die Euro-Milliarden hierfür kommen?"

     

    Diese Frage noch zu stellen, wird immer zynischer....

  • JK
    Juergen K

    L O G I S C H !

     

    nur logische Weiterführung des bestehenden systems die Beitragszahlergemeinde gering und geringer zu halten.

     

    Ist da nicht schon die Beitragsbemessungsgrenze, die gerade nur noch bis hin in die untere Mittelschicht Beiträge abkassiert;

     

    selbst die mittlere Mittelschicht, die obere Mittelschicht , die diversen Oberschichten und die schier Unbenennbaren sind ganz herausgenommen.

     

    dafür das sie nicht zahlen kriegen sie Chef-Klinik-Behandlung, währen die anderen schon keinen Antrag zum Ausfüllen mehr bekommen.

     

     

    Nee, Nee !

     

    Wenn Drei Viertel des Lohn- und Gehalt-einkommens nicht zahlen,

     

    das pure Vermögen in Form von Immobilien und Spekulationseinkomen nicht mit einzahlt, dann sollen sie sich auch in ihren Banken oder im Ausland behandeln lasasen.

     

    Dann wirds hier auch billiger !

  • OJ
    Oh jeh mineh

    Dieser aalglatte Technokrat sollte einfach abtreten, weil er weder vom politischen Geschäft noch vom Gesundheitssystem Ahnung hat. Er bringt den sozialen Ausgleich in Deutschland weiter in Gefahr.

  • NW
    Namenloser Wicht

    Ich zahle in der GKV ca. das 3fache meines Bruders, der in der PKV ist. Meine Leistungen sind schlechter, da GKV. Wenn jetzt auch noch weitere Ausgleichszahlungen der GKV aufgebürdet werdenn, wechsle ich auch in die PKV, denn es reicht.

  • A
    Anne

    Ich verstehe das Prinzip auf Anhieb nicht, lese nur heraus das ich in Zukunft noch mehr blechen darf und die Leistungen garantiert weiter zurück gefahren werden. Warum bin ich eigentlich überhaupt noch versichert, die 39 Euro die mein Arzt pro Quartal von KK bekommt (plus meinen 10 Euro Praxisgebühr) bezahle ich gerne aus eigener Schatulle.

     

    Wird bei ca. 1 Arztbesuch pro Quartal günstiger für mich....

     

    Wieso werden eigentlich nicht sämtliche Sozialabgaben gestrichen und komplett steuerfinanziert (Krankheit / Rente usw)?

     

    Dann sind ALLE dabei!