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Neue Einträge für Online-LexikonWikipedia mit mehr Regisseurinnen

Zur Berlinale schreiben Freiwillige Wikipedia-Einträge über weibliche Filmschaffende. Sie sollen damit mehr Online-Präsenz und Sichtbarkeit bekommen.

Lernen, neue Einträge zu verfassen – die Einladung zum „Edit-a-thon“ Foto: Elena Ternovaja/CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

BERLIN taz | Die Regisseurin Negin Ahmadi hat jetzt – ganz neu – einen eigenen Wikipedia-Eintrag. Dass sie davor in dem Online-Lexikon nicht vorkam, mag daran liegen, dass sie gerade erst dabei ist, bekannt zu werden. Ihr Debütfilm „Darvazeye royaha“ von 2023 hat am heutigen Dienstag bei der Berlinale Premiere. Oder aber es liegt daran, dass sie eine Frau ist.

Denn: Viele weibliche Filmschaffende sucht man bei Wikipedia bisher vergebens. In einer Welt, in der Journalist:innen, Schü­le­r:in­nen und reguläre Informationssuchende die Plattform als erste Informationsquelle nutzen, ist das fatal. Denn je höher die Online-Präsenz ist, desto höher ist meist auch der Bekanntheitsgrad einer Person.

Nach einer Studie von 2022 sind 70 Prozent der Biografien dort männlichen Personen gewidmet und nur rund 20 Prozent weiblichen. Um das nun zumindest für die Filmbranche zu ändern, hat das Wikipedia-Projekt WomenEdit zusammen mit Wikimedia Deutschland in Berlin zu einem „Edit-a-thon“ aufgerufen.

Zum Start der Berlinale haben die Teil­neh­me­r:in­nen dieser Schreibwerkstatt gelernt, Wikipedia-Einträge zu verfassen. Leute, die schon länger auf der Plattform aktiv sind, unterstützen dabei Neulinge.

Eigene Wikipedia-Namen

Mit dabei war PersischePuppe aus Essen. In diesem Text treten sie und weitere Edit-a-thon-Teilnehmer:innen unter ihren Wikipedia-Namen auf. Denn wer für Wikipedia schreibt, sucht sich ein Pseudonym aus, unter dem er:­sie schreibt, kommentiert und editiert. „Ich habe die Ankündigung für den Edit-a-thon gesehen und mich einfach mal angemeldet“, erzählt PersischePuppe.

Für das Wochenende ist sie extra nach Berlin gefahren, Wikimedia bezuschusste ihr sowohl die Fahrt als auch die Unterkunft finanziell. Bereits im Vorhinein informierte sie sich, über wen sie schreiben wollte – und entschied sich für die Filmemacherin Ahmadi.

Ahmadi ist kurdisch, in Teheran geboren und Mitglied in der Iranian Youth Cinema Society – all das ist nun bereits bei Wikipedia zu lesen. „Ich bin selbst persisch, und ich habe aktiv nach Künstlerinnen aus dem Iran gesucht“, sagt PersischePuppe.

Da es bisher wenig Informationen über Ahmadi gab, habe sie die Filmemacherin angeschrieben und von ihr einen Lebenslauf bekommen. Doch den durfte sie für den Artikel dann gar nicht benutzen – denn laut den Kriterien für Wikipedia-Einträge dürfen die Au­to­r:in­nen nur bereits veröffentlichte Quellen einbeziehen. Ein inoffiziell zugeschickter Lebenslauf zählt nicht dazu. PersischePuppe nutzte dann zunächst die Informationen auf der Berlinale-Seite.

Schneeballprinzip Wikipedia

Bei dem „Edit-a-thon“ machten vor allem Frauen mit, insgesamt gab es 24 Teilnehmende. Lernwillige brauchen Zeit, um flüssig Wikipedia-Artikel verfassen zu können. „Ich fühle mich ein bisschen, als würde ich eine Hausarbeit für die Uni machen. Es gibt so viele Quellen, dass ich das Schreiben vergesse“, sagt Simetrax – auch das ist ein Wikipedia-Name.

Sowohl Filmschaffende als auch Filme selbst bekommen an diesem Wochenende neue Einträge. „Sönke Kierkegaard“ schreibt über den Film „Kaliningrader Quest“, „Speziboy“ über die Komponistin Herdís Stefánsdóttir.

Auf der Projekt-Seite des „Edit-a-thons“ gibt es eine Liste mit Frauen, die an der Berlinale mitwirken, aber keine eigene Wikipedia-Seite haben – die ist auch als Einladung für Wikipedia-Autor:innen gedacht. Ein bisschen muss man sich das vorstellen wie beim Schneeballprinzip. Sind die Texte erstellt, beginnen andere Au­to­r:in­nen damit, weiter an ihnen zu arbeiten, sie zu redigieren und zu ergänzen. Den Text über Filmemacherin Ahmadi etwa haben bereits drei weitere Nut­ze­r:in­nen ergänzt und weitergeschrieben.

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