Neue Corona-Regeln in Berlin: „Ein sinnvoller Beschluss“
Das Tragen eines Mundschutzes im Bürogebäude sollte selbstverständlich sein, ist es aber nicht, sagt Verdi-Grundsatzreferent Andreas Splanemann.
taz: Herr Splanemann, ab Samstag ist das Tragen von Mund-Nasen-Schutzen auch in Büro- und Verwaltungsgebäuden Pflicht – in den Fluren und Aufzügen, aber nicht am Schreibtisch. Ist dieser Senatsbeschluss nicht überflüssig, weil das längst überall Usus ist?
Andreas Splanemann: Dass in Bürogebäuden Masken getragen und auch die Hygieneregeln eingehalten werden, sollte längst eine Selbstverständlichkeit sein. Bei uns hier bei Verdi ist das Tragen eines Mundschutzes außerhalb des eigenen Büros schon seit Wochen Pflicht. Mein Eindruck ist aber, dass das nicht überall der Fall ist. Deshalb ist der Senatsbeschluss sinnvoll und hilft, die Schutzmaßnahmen weiter zu verbreiten.
Andreas Splanemann
61, ist Grundsatzreferent bei Verdi Berlin-Brandenburg. Seit 1992 ist er bei der Gewerkschaft, damals noch die ÖTV.
Industrie- und Handelskammer und Unternehmensverbände haben den Beschluss kritisiert. Die FDP-Fraktion spricht sogar von einem Eingriff in die Grundrechte.
Das ist geradezu lächerlich. Die Coronapandemie muss ernst genommen werden. Viele unserer Verdi-Mitglieder im Gesundheitsbereich berichten über die Folgen, wenn sich jemand infiziert hat und auf der Intensivstation landet. Man kann nur jedem raten, sich an die Vorgaben der Experten und Expertinnen zu halten.
Bei privaten Feiern im Freien gilt ab Samstag eine Obergrenze von 50 Teilnehmern, in geschlossenen Räumen von 25. In Büro- und Verwaltungsgebäuden gilt eine Maskenpflicht in Fluren und Aufzügen.
Daran gibt es viel Kritik. Die FDP-Fraktion behält sich vor, die Rechtmäßigkeit der Verordnung prüfen zu lassen. Die Wirtschaft kritisiert insbesondere die Maskenpflicht im Büro. (plu)
Wer muss dafür sorgen, dass die Vorschriften in den Bürogebäuden eingehalten werden?
In erster Linie ist das Aufgabe des Arbeitgebers. Der Staat kann nicht überall Kontrolleure vorbeischicken. Aber auch die Beschäftigten, also die, die das betrifft, müssen darauf achten, dass die Regeln Akzeptanz finden. Je mehr Leute sich beteiligen, desto eher haben wir eine Chance, wirkungsvoll gegen die Pandemie vorgehen zu können.
Wie halten Sie es mit dem Mundschutz bei Ihnen im Verdi-Bürogebäude?
Wir tragen ihn, wenn wir außerhalb des eigenen Büros sind. Es gibt auch überall Desinfektionsmittel. Noch sind wir verschont geblieben. Ich hoffe, das bleibt so.
Veranstalten Sie noch Sitzungen und Konferenzen?
Oh, das ist ein großes Problem. Wie überall spielt das Digitale auch bei uns eine große Rolle, aber wir können nicht alles digital machen. Wir leben ja davon, dass wir Konferenzen und Veranstaltungen durchführen. Langsam gibt es wieder Veranstaltung bei uns im Haus, aber mit sehr stark reduzierter Personenzahl. Wenn es größere Gruppen sind, dann werden auch entsprechend geeignete Räume angemietet. Denn wir haben nicht so große Räume, wo man sich mit größeren Gruppen treffen könnte. Da muss man auch auf kommerzielle Anbieter zurückgreifen.
Wie groß ist die Akzeptanz bei Ihren Mitgliedern, was die Hygieneregeln betrifft?
Soweit wir das überschauen können, halten sich die Leute daran. Wir haben das jetzt auch bei den Demonstrationen und Warnstreiks in den letzten Tagen gesehen. Viele gehören ja selbst zu den Risikogruppen und haben Angst.
Kritiker der Warnstreiks verweisen darauf, dass viele Branchen seit dem Lockdown ums Überleben kämpfen: Der Staat investiere Millionen, um die Wirtschaft zu stabilisieren, und Verdi fordere weniger Arbeitszeit und mehr Urlaub.
Die Beschäftigungsbedingungen in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes, auch in den Krankenhäusern, sind nicht gut. Viele Stellen sind nicht zu besetzen, weil Leute fehlen, die bereit sind, diese Aufgaben zu machen. Busfahrer sind ebenso schwer zu finden wie Pflegepersonal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!