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Neue BundesbildungsministerinGeradlinig und manchmal stur

Johanna Wanka (CDU) hat einen Professoren- und auch einen Doktortitel. Und: Die neue Bundesbildungsministerin will Studiengebühren.

Wankas Überzeugung: Studiengebühren werden eine bundesweite Renaissance erleben. Bild: dpa

BERLIN taz | Ein solcher Satz würde ihr nicht über die Lippen kommen. „Zuerst das Land, dann die Partei und dann ich selbst.“ So hatte Annette Schavan ihren Rücktritt begründet – und versucht, möglichst viel Schaden von Land und CDU abzuwenden.

Johanna Wanka, ihre Nachfolgerin, hat da eine größere Distanz, zumindest zur Partei. In die CDU trat sie erst ein, als sie schon Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur in Brandenburg war. Ihr Credo lautet eher: Erst die Herausforderung, dann die Partei.

Mit der 61-jährigen Johanna Wanka, Noch-Wissenschaftsministerin in Niedersachsen, hat sich Angela Merkel dennoch für Kontinuität entschieden. Ins Kabinett berief sie eine ausgewiesene Fachpolitikerin, die der Wissenschaftsgemeinde bestens vertraut ist. Bevor die gebürtige Sächsin und Mathematikprofessorin 2000 von Manfred Stolpe nach Potsdam geholt wurde, war sie Rektorin der Technischen Hochschule Leuna-Merseburg.

Naturwissenschaftlerin, Frau, Ostdeutsche: Eine „Mini-Merkel“ hat Spiegel Online Johanna Wanka flapsig tituliert. Das mag stimmen, wenn es um nüchternes und zielstrebiges Handeln geht. Allerdings kann Wanka auch stur sein, vor allem wenn es um politische Überzeugungen geht.

Gebühren sollen motivieren

Eine ihre Überzeugungen lautet: Deutschlands Universitäten sollen von den Studierenden Gebühren verlangen dürfen. „Niedersachsen hat nicht trotz, sondern wegen der Studienbeiträge 171.000 Studierende, so viele wie noch nie“, sagte sie vor einigen Wochen der taz.

Dass Gebühren nicht abschrecken, sondern sogar zu einem Studium motivieren können, ist eine Einschätzung, die unter Forschern zumindest umstritten ist. Wanka lässt sich auch nicht dadurch beirren, dass die Campus-Maut in den meisten Ländern zwischenzeitlich längst wieder abgeräumt wurde und in Kürze sogar im schwarz-gelb regierten Bayern fallen dürfte. Im Gegenteil. Im niedersächsischen Wahlkampf machte Wanka mit der Prognose von sich reden, wonach das Gebührenstudium in einigen Jahren eine bundesweite Renaissance erleben könnte.

Eine Überzeugungstäterin ist Wanka auch, wenn es um die friedliche Revolution in Ostdeutschland geht. Als Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) 2009 das Bündnis mit der CDU aufkündigte und eine rot-rote Koalition schmiedete, warf Wanka ihm „Verrat an den politischen Zielen von 1989“ vor.

Ebenso wütend hatte die Mitbegründerin des Neuen Forums Merseburg die taz nach den Wahlen in Sachsen-Anhalt 1998 abbestellt. „Ich war damals im Schattenkabinett des CDU-Spitzenkandidaten Bergner“, verriet sie einmal im Interview. „Und die taz hatte sich eindeutig auf die Seite der Tolerierung der SPD durch die PDS geschlagen. Das fand ich damals und finde es auch heute noch unerträglich.“

Kulturpolitik zur Stärkung der Zivilgesellschaft

Wer Johanna Wanka kennt, weiß ihre Geradlinigkeit zu schätzen und die Verbindlichkeit im Umgang mit ihrem Gegenüber. Die Kulturszene in Brandenburg vermisst Wanka noch heute. Kulturpolitik war für sie auch ein Beitrag zur Stärkung der Zivilgesellschaft. „Kultur zeigt auch Fremdes, andere Lebensentwürfe, regt an“, war sie überzeugt. Das passt kaum ins konservative Etikett, das ihr immer wieder angehängt wurde. Auch nicht, dass sie, anders als ihre CDU-Kollegen, gegen einen Naziaufmarsch in Halbe demonstrierte.

Gegen den Mainstream schwamm sie auch in Niedersachsen, dem Bundesland mit dem längsten Abschnitt der innerdeutschen Grenze. Dort richtete sie das Augenmerk auf die Elbregion, die in Hannover wenig beachtet wurde. Sie verlor das Zusammenwachsen von Ost und West nicht aus den Augen.

Kurz vor der Niedersachsen-Wahl preschte Wanka gemeinsam mit ihren Kollegen aus den Unionsländern Bayern und Sachsen mit der Idee eines Bildungsstaatsvertrages vor – ohne das mit den anderen Länderkollegen abgesprochen zu haben. Wanka wollte so die gegenseitige Anerkennung von Lehramtsabschlüssen sichern – auch weil Schavan den Ländern in diesem Fall ein 500-Millionen-Programm zur Lehrerbildung versprach. Nun fragt sich, ob Wanka im neuen Amt auf einen Staatsvertrag pochen wird – oder ob ihr die Verabredungen der Kultusministerkonferenz ohne staatstragenden Vertrag reichen.

Als Johanna Wanka im April 2010 von Christian Wulf als Wissenschafts- und Kultusministerin nach Niedersachsen geholt wurde, hat sie sich gefreut. Sie war, wie sie sagte, „die erste Ostdeutsche in einem westdeutschen Landeskabinett“.

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12 Kommentare

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  • K
    Keinmatheossifrauenfan

    Wenn man die Wahrscheinlickeitsrechnung bemüht, sollte als Ergebnis heruaskommen, dass die CDU/CSU im September die Wahlen verliert.

     

    Wieso wird dann Johanna Wanka Ministerin. Sie selbst müßte sich doch sagen, dass sie sich nicht für ein halbes Jahr verheizen läßt. Oder gehts nur um die Übergangsansprüche, bzw. Gehaltsansprüche nach der Wahl. Das hat natürlich auch mit Mathematik zu tun!

  • HL
    Heike Lindenborn

    Es wäre schön, wenn Frau Wanka RUNDUM gebildet ist, nicht nur theoretisch sondern auch praktisch! GLAUBEN tue ich das allerdings nicht. Ich erinnere nur an Gerhard Schröder, der gern seine Putzfrauenmutter beiläufig erwähnen ließ.

  • R
    runzbart

    auch ich frag mich seit wann mathematik zu den naturwissenschaften gehört.

    mathe ist toll und macht spass, hat aber auch seine tücken.

     

    in der mathematik leitet man aus unbewiesenen, mehr oder weniger intuitiven axiomen schlussfolgerungen her.

    vielleicht leitet sie deshalb aus ihrem axiom (ihrer gedankenwelt), dass studiengebühren studenten motivieren, die schlussfolgerung, dass es wegen der studiengebühren so viele studenten in niedersachsen gibt.

    für den naturwissenschaftler ist der oberste richter das experiment.

    ein echter naturwissenschaftler würde so einen stuss nie verzapfen.

  • N
    Neo

    Es wird ganz bewußt auf bundesebene und Landesebene eine Bildungspolitik in der Legislative und Exekutive vorangebracht die die Chancengleicheit massiv verhindert!Wieviele fehlende Ingeniuerstellen fehlen in Deutschland, 10000, 100000 oder 1000000 Steelen?

     

    Neo, die Unbestechlichen

  • MG
    manfred gerber

    Unser Schulsystem basiert auf theoretischer Gleichschaltung, für's Leben lernt man so gut wie nichts.

    Die Lehre an den Universitäten ist drittmittelabhängig.

    Wir fördern ein "Bildungssytem" das unseren Karren wuchtig an die Wand fährt. Selbstständig denkende Menschen sind hier unerwünscht. Also Ministerium am besten abschaffen. Das meiste regeln die Länder schon schlecht und teuer genug.

  • E
    engelchen

    Was ist an Bildungsliberalismus eigentlich

    konservativ, geschweige denn christlich????

    Wieso hat dann Adenauer nicht Studiengebühren

    erhoben?

    Über Geld zu polarisieren ist leicht, um

    bessere Didaktik konkret in der Sache zu ringen,

    ist viel schwieriger. Ergebnisse zu liefern, ist

    schwierig, erst Recht wenn man eben nicht nur

    von der eigenen Leistung abhängt!

  • H
    hallo

    "Das beste Regierungsmitglied der CDU seit der Wiedervereinigung!" ne das ist irgendwo ausm Kontext gerissen..:)

  • H
    hallo

    "Das beste Regierungsmitglied der CDU seit der Wiedervereinigung!" ne das ist irgendwo ausm Kontext gerissen..:)

  • IB
    Ina Block-Göring

    Wenn Annette Schavan wirklich Schaden von uns hätte fernhalten wollen, wäre sie erstens nicht ausgerechnet in die CDU eingetreten und zweitens im Ländle Baden-Württemberg geblieben, und drittens nicht mitten im Rausschmiß noch nach Südafrika geflogen. Das hätte uns viel verquaste Frauenlogik und Schaden am Amt gespart.

     

    Für die vielen Pappnasen und Platzhalter unter den CDU/CSU-BundesministerInnen gibt's spätestens am 22. September eine Riesenwatschn von Millionen Wutwählern !

  • HW
    Historische Wahrheit

    Zu befürchten ist, dass noch eine die SED-CDU-Verbindungen verharmlosende Politikerin Regierungsverantwortung übernimmt.

    Wenn die taz richtig informierte - und sie hat sogar die Stasi-Listen öffentlich gemacht - dann war die CDU die Partei mit den meisten Stasimitarbeitern und nicht die damalige PDS!

  • W
    Wahrheitssager

    Da haben wir schon wieder eine aus Osten wie die da. Sie ist nicht ganz bei Trost. Die Bürger bezahlen schon genug für alles. Überall werden Gott sei Dank Studiengebühren abgeschaft und sie ist ausgerechnet sie ist für Studiengebühren. Sie ist in Kapitalismus richtig angekommen aber ich kann jetzt schon ihr Ende voraussagen. Sie wird so beenden wie ihre Vorgängerin.

  • N
    Naturwissenschaftler

    "...Naturwissenschaftlerin, Frau, Ostdeutsche..." ????

     

    Wie kann es sein, dass in verschiedenen Onlinemedien, wie auch der Taz, behauptet wird Frau Wanka wäre Naturwissenschaftlerin?

    Sie scheint doch Mathematikerin zu sein und die Mathematik zählt in keinster Weise zu den Naturwissenschaften! Es handelt sich bei der Mathematik um eine rein formelle Sprache, die von den Naturwissenschaften gerne verwendet wird um Zusammenhänge zu belegen.

     

    Leider haben Journalisten tendenziell wenig Berührungspunkte mit der Mathematik, dabei bräuchten sie dringend ein tiefgreifendes Verständnis für Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung. Es gibt kaum ein anderes ähnlich starkes Werkzeug, wie die Mathematik um zu erkennen, ob etwas falsch läuft. Zum Beweis genügt Mathe zwar nicht, aber bezüglich Falsifikation ist sie unschlagbar.

     

    Statistik und höhere Mathematik müssen verpflichtend für Juristen (speziell Richter) und Journalisten werden! Das wäre mal ein Fortschritt, aber in unserem Land herrscht leider eine Mathematikfeindlichkeit vor, die wirklich absurd ist. Hier kann man ungeniert über seine eigene geistige Inkompetenz prahlen und auch noch Stolz darauf sein von Mathematik keinen blassen Schimmer zu haben.

     

    Der Kommentar hat nun wohl nix mehr mit dem ursprünglichen Artikel zu tun. Sei's drum.