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Neue Buchtitel wie "Bitterfotze"Fräuleinwunder war gestern

Forsche Buchtitel wie "Bitterfotze" sind salonfähig geworden, wie die Ankündigung eines Verlags zeigt. Überlegungen zu dem "Feuchtgebiete"-Paradigma.

Aus Fräuleins sind wütende junge Frauen geworden - wann gibt dazu den ersten Magazintitel? Bild: ap

Folgendes trug sich zu. Unsereiner blätterte durch den brandneuen Katalog, mit dem der Verlag Kiepenheuer & Witsch seine Paperbacks des kommenden Frühjahrs ankündigt, sah den Spitzentitel "Bitterfotze" der schwedischen Autorin Maria Sveland und musste sofort an Feuchtgebiete denken. Kurz darauf hielt eine Kollegin hier im Großraumbüro der taz dieselbe Seite ihres Exemplars dieses Katalogs in die Höhe und fragte: "Denkt man dabei nicht sofort an Feuchtgebiete?" Und schon fragt man sich als reflektierter Mensch, der seine unmittelbar zuschnappenden Synapsenverbindungen gern bewusst nachvollziehen möchte, was genau diese Assoziation auslöst.

Ist es wirklich nur der forsche Titel? Ist es, weil man Charlotte Roche eben noch im ZDF-Jahresrückblick 2008 charmant und herzallerliebst die einschlägigen Wörter Hämorriden und Analverkehr aussprechen hörte? Ist es, weil man sich daran erinnert, dass Kiepenheuer & Witsch den Roman "Feuchtgebiete" abgelehnt hatte, bevor der dann den DuMont-Verlag im Geld schwimmen ließ, und weil man nun sofort vermutet, dass Kiepenheuer & Witsch so etwas nicht noch einmal passieren soll? Oder ist es, weil man kürzlich eine Prachtausgabe von "Feuchtgebiete" zugeschickt bekommen hat - geschmückt mit rührend unbeholfenen Strichzeichnungen der Autorin Charlotte Roche -, mit der DuMont den Roman nun offenbar auch buchschranktauglich machen möchte?

Jedenfalls sieht man an der Sache mal wieder, wie stark wirklich große Bucherfolge nachwirken können. Auch wenn Maria Sveland ein ganz anderes Thema als die Roche hat - sie schreibt, wie dem Katalog zu entnehmen ist, offenbar sehr bitter über ihr Schicksal als junge Mutter -, kommt der Roman einfach nicht an dem Feuchtgebiete-Paradigma vorbei. Möglicherweise befinden wir uns derzeit nicht nur am Beginn eines neuen Trends, sondern einer ganzen Schule: literarisches Fräuleinwunder war gestern, heute kommen die "Wütenden jungen Frauen" - oder so ähnlich. Mal gucken, welches Magazin zuerst das passende Titelbild dazu hat.

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1 Kommentar

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  • YB
    young but not so angry woman

    Au weia! Wo und in welcher Zeit bitte lebt denn der Autor dieser Zeilen? Das "Fräuleinwunder" war nicht gestern und auch nicht vorgestern und in der Zwischenzeit hat sich einiges getan und wir brauchen keine "Feuchtgebiete" und Ähnliches als Sprachrohr von was auch immer. Eine (Schmutz-)randerscheinung, die mit den real existierenden Schauplätzen im Geschlechterkampf null komma nix zu tun hat.

    Aber um der komplexen Wirklichkeit Herr zu werden, kreiert man ja gerne mal angebliche "neue" Tabubrüche oder gar Bewegungen.

    Ich warte derweil auf den "critical journalism"... das wäre mal was Neues!