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Neubaustrecke nach Ulm vorerst gestopptNeues Ungemach für Stuttgart 21

Wird das umstrittene Projekt Stuttgart 21 indirekt gestoppt? Das Eisenbahnamt verweigert offenbar die Freigabe von Arbeiten für die geplanten Neubaustrecke nach Ulm.

Können neue Hoffnung schöpfen: Stuttgart 21-Gegner beim CDU-Parteitag. Bild: dpa

BERLIN taz | Das Eisenbahn-Bundesamt hat den Bau der im Zusammenhang mit "Stuttgart 21" geplanten Neubaustrecke nach Ulm vorerst untersagt. Der Stern zitierte am Mittwoch aus einem Schreiben des Bundesamtes vom 7. September 2010 an die DB Netz AG. "Vorläufig keine Baufreigaben in finanzieller Hinsicht", heißt es darin.

Die Gesamtfinanzierung der ICE-Trasse sei nicht gesichert. Ohne die Neubaustrecke wäre auch der neue Durchgangsbahnhof in Stuttgart nutzlos, denn moderne Eisenbahntunnel würden dann auf der Schwäbischen Alb auf einer Bummelstrecke enden.

Allein beim Bau zweier Tunnel, die hinauf auf die Schwäbische Alb gebohrt werden sollen, würden "Mehrkosten in Höhe von zirka 280 Millionen Euro zu verzeichnen" sein. Aus der Erfahrung mit anderen Projekten sei "nicht zu erwarten, dass derart hohe Mehrkosten (…) kompensiert werden können", zitiert das Magazin.

Bereits im Juli hatten Bahn und Landesregierung erklärt, dass die Neubaustrecke um 865 Millionen teurer werde als bislang angenommen. Statt 2,0 Milliarden Euro werde sie 2,9 Milliarden Euro kosten. Nach Angaben der Bahn gegenüber der taz sind die genannten 280 Millionen Euro aber bereits in diesen Gesamtmehrkosten enthalten. Die Gesamtfinanzierung sei gesichert. Auch werde man dem Bundesamt die Kalkulation für die Mehrkosten vorlegen.

Die Frage ist, inwieweit das Schreiben des Amtes politisch motiviert sein könnte. Man könne beim Eisenbahn-Bundesamt "an der einen oder anderen Stelle erahnen, dass es politische Vorgaben geben könnte", sagte der Sprecher des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Matthias Oomen, der taz. Er glaubt, dass womöglich über eine nachgeordnete Behörde ein "ungeliebtes Kind" beerdigt werden soll.

Möglich erscheint aber auch, dass es sich hierbei um einen Poker handeln könnte, wer für die Mehrkosten aufkommt. Vertraglich ist festgelegt, dass der Bund entstehende Mehrkosten allein tragen muss. Bereits Anfang September, kurz bevor das Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes erstellt worden sein soll, wurde bekannt, dass der Bund die Kosten für den Neubau nicht allein tragen will, sondern auch das Land Baden-Württemberg und die Bahn einen Teil der zusätzlichen Kosten übernehmen sollten. Das Schreiben war laut Stern mit dem Bundesverkehrsministerium abgesprochen.

Die Grünen fordern eine Klärung des Sachverhalts innerhalb der Schlichtungsgespräche, die derzeit unter der Vermittlung von Heiner Geißler (CDU) im Stuttgarter Rathaus stattfinden. "Wir fordern, dass die Bahn dazu Stellung bezieht und dass ein Vertreter des Eisenbahn-Bundesamtes begründet, warum es für die Neubaustrecke keine Baufreigabe aus finanzieller Sicht gibt", sagte der Grünen-Verkehrsexperte im baden-württembergischen Landtag, Werner Wölfle.

Das Eisenbahn-Bundesamt äußerte sich am Mittwoch auf taz-Anfrage bis zum Redaktionsschluss nicht zu der Veröffentlichung des Schreibens.

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11 Kommentare

 / 
  • V
    vic

    Noch was zum Thema.

    Christine Strobl, Tochter von Finanzminister Schäuble, Ehefrau von Thomas Strobl - genau der mit dem Nazi-Vergleich gegen Walter Sittler, steigt im SWR zur Fernsehfilmchefin auf.

    Alle Mitbewerber hatten gegen so viel Kompetenz selbstverständlich keine Chance.

  • V
    vic

    Wie ich hörte, ist das Projekt nicht gestoppt worden. Es ist gestorben.

  • C
    ClaireSchlamm

    > Die Geislinger Steige

     

    Da sitzen die Anwälte R&V des laut eigenen Angaben allein in Frankfurt tätigen Providers Plusline (hostete eine Zeit lang heise und führte seine Zivilverfahren Verfahren immer mit der zweiten Instanz beginnend, auch ansonsten laut Briefkopf Experten für Familienrechtsstreitigkeiten, Nachweise vorhanden).

     

    Doch nun zum Thema Bauvorhaben (und es verwundert doch sehr, daß die Taz das nicht aufgreift):

     

    http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,729614,00.html

     

    Anscheinend war der Mann Makler oder sowas. Oder saß im Stadtrat. Man muss ja auch mal an die ganze Infrastruktur denken, die da benötigt wird. Nu, jetzt zerteilen wohl die Töchter bevor das Fell bevor der Bär erlegt ist.

  • T
    texterstuttgart

    @marius: Sie sind schlecht informiert. Die Geisslinger Steige wird durch den Tunnel nicht entschärft, denn der ist noch steiler, als die bisherige Strecke. Was ja auch kein Wunder ist, die Strecke kommt aus einem Tunnel, muss aber trotzdem auf die Hochfläche. Weshalb auch keine Güterzüge darauf fahren werden. Vielleicht sollten Sie mit Äusserungen über "Bretter" und "Köpfe" so lange zurückhaltender sein, bis Sie sich wenigstens ein Grundwissen angeeignet haben.

  • J
    jan

    Man kann es auch anders sehen: der einzige sinnvolle Teil des Umbaus wird plötzlich uninteressant und klammheimlich beendet, wenn die kapitale Immobilienzockerei in Stuttgart gefährdet ist.

     

    Es wird Zeit für die direkte Demokratie.

  • A
    autist

    Das Bundeseisenbahnamt, wieso ist das eine "nachgeordnete Behörde"? Es fungiert gegenüber der DB als als Planungskontrolleur und steuert die Finanzierung. Als Rest der guten alten Bundesbahn sind dessen Beamte mittlerweile die einzige Kontrolle über die börsengangsgeile DB AG.

  • P
    pekerst

    "... denn moderne Eisenbahntunnel würden dann auf der Schwäbischen Alb auf einer Bummelstrecke enden." Tunnel enden auf einer Bummelstrecke?

  • E
    ebse

    Wundert sich den niemand von den TAZlern, die diesen Artikel geschrieben haben, über das Datum: 07.09.2010?????

     

    Das ist fast drei Wochen vor dem Schwarzen Donnerstag im Stuttgarter Schloßpark mit dem Wasserwerfer-Einsatz am 30.09.2010.

     

    Warum findet diese 'Diskrepanz' keine Erwähnung resp. Analyse?

     

    Mir scheint, die bürokratisierten und lohnabhängigverängstigten Deutschen Beamten und Polizisten sind zu keinem eigenständigen Denken und Handeln mehr fähig. Sonst hätte da doch ein AUFSCHREI durch die Reihen gehen müssen. Alles meine Meinung.

  • B
    bauesel

    Schon interessant: Die taz weiß zur Stunde (17.49) mehr als die Stuttgarter Zeitung, die Zeitung vor Ort, lange und m. W. immer noch glühende Befürworterin des langsam an dilettantischen Planungen und Vertuschungsversuchen sterbenden Projektes S21.

    Sogar OB Schuster beginnt zurückzurudern, natürlich nur, um seine Haut zu retten. Wenn das Wasser unter der Erde gefährdet würde, dann würde er für einen Baustopp sorgen (sinngemäß).

    Vorher hatte die Frau Prof. Dr. Schick, die Lehrern Disziplinarmaßnahmen im Zusammnhang mit dem schwarzen Donnerstag angedroht hatte, die Untersuchung, die möglicherweise zu Disziplinarmaßnahmen hätte führen können, aber keine fehlbaren Lehrer ausfindig machen konnte, geschwind einmal in eine Aktion zum Schutze der Lehrer vor Verunglimpfungen umfunktioniert. So schnell geht das, wenn man für die CDU arbeitet. Nur CSU-Chef Seehofer kann seine Meinung schneller um 180° ändern, aber Schick kommt ja aus seinem Land.

  • M
    Marius

    Die Geislinger Steige zwischen Stuttgart und Ulm ist ja nun wirklich ein großes Hindernis, an dem es fast täglich zu oft deutlichen Verspätungen kommt. Hier ist ein Tunnel oder eine Umfahrung dringendst erforderlich. Ausgerechnet hier blockiert jetzt das Eisenbahnamt.

     

    Ein neuer Bahnhof in Stuttgart ist hinsichtlich schnellem Vorwärtskommen völlig überflüssig.

     

    Aber die Bürokraten haben ein Brett vorm Hirn.

  • S
    Schilda

    Schilda

     

    Nur daß es sich um Steuermilliarden handelt und die Hampelmänner mit Waffen (Polizei-) Gewalt versuchen durchzusetzen, was ihre Freunde aus der Maf.. ääähh Wirtschaft fordern.