Vierte Schlichtung in Stuttgart: Besserer Kopfbahnhof als Ziel
Bei der Schlichtung stellen die Gegner des unterirdischen Bahnhofs ihre Alternative vor. Während sich Geißler offen zeigt, bezweifelt die Bahn die Realisierbarkeit.
In der vierten Schlichtungsrunde im Streit um das Bahnprojekt Stuttgart 21 haben Projektgegner und -befürworter am Freitag ihre Rollen getauscht. Erstmals mussten die Gegner unter Beweis stellen, dass ihr Alternativkonzept K 21 zum Erhalt des Kopfbahnhofs leistungsfähiger und überzeugender ist. Sie mussten sich verteidigen, die Projektträger durften kritisieren.
Diese Herausforderung nahm das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 an. "Bislang gab es ja von Gegnern von Großprojekten immer nur ein klares Nein", sagte der Architekt und ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Conradi. "Wir wollen uns nicht nur auf das Nein beschränken." Darum hätten die Gegner ein ausgearbeitetes Alternativkonzept vorgelegt.
Das K-21-Konzept sieht im Wesentlichen eine Sanierung des Gleisvorfeldes und den Bau von zwei neuen Gleisen zum Bahnhof Bad Cannstatt vor. Zur Vergleichbarkeit mit S 21 wurden zudem Anbindungen an den Flughafen und an die Neubaustrecke nach Ulm eingeplant. In der Sanierung des bestehenden Bahnhofs sehen die Gegner unter anderem die Vorteile eines kundenfreundlichen Umstiegs ohne Treppen, die Kosten seien geringer und die Mineralquellen würden nicht gefährdet. Auch sei ein integraler Taktfahrplan nach dem Schweizer Vorbild möglich. "Für den Kunden zählt nicht die Höchstgeschwindigkeit, sondern die Reisezeit von Haustür zu Haustür", sagte Klaus Arnoldi vom Verkehrsclub Deutschland.
Die Möglichkeit des integralen Taktfahrplans erläuterte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) anhand des Betriebskonzepts. Er nahm in der vierten Schlichtung wieder das Zepter in die Hand, nachdem er beim vergangenen Mal gefehlt hatte und die Riege der Gegner dadurch "kopfloser" und weniger schlagkräftig wirkte. Palmer gab sich betont offen und transparent. "Wir bitten Sie, das möglichst eindringlich zu überprüfen", sagte er der Gegenseite. Er kam in seiner Präsentation zu dem Ergebnis, dass die Reisezeiten bei einem sanierten Kopfbahnhof für alle Züge kürzer seien und nicht nur für einige wie bei Stuttgart 21. Im Gegensatz zu 38 Zügen pro Stunde bei S 21 könnten bei K 21 pro Stunde 52 Züge im Bahnhof halten.
Auch die S-21-Projektträger fanden sich am Freitag in ihre neue Rolle ein. Sie versuchten vor allem die Glaubwürdigkeit des Aktionsbündnisses in Zweifel zu ziehen und zielten darauf ab, dass immer wieder verschiene Varianten von K 21 präsentiert würden. Doch bei diesem Punkt sprang Vermittler Heiner Geißler an mehreren Stellen den Gegnern bei. Einzelfragen könnten variabel sein. "Aber ich will wissen, ob das Gesamtkonzept etwas taugt oder nicht."
Der Technikvorstand der Deutschen Bahn, Volker Kefer, argumentierte auch damit, dass der Planungsprozess von vorn beginnen müsste und das Alternativkonzept inklusive der S-21-Ausstiegskosten genauso teuer würde wie der Bau des Tiefbahnhofs. Das Aktionsbündnis hält dagegen, dass das Alternativkonzept nach dem "Baukastensystem" funktioniere. Alle Maßnahmen könnten Stück für Stück realisiert und jeweils der Kassenlage angepasst werden. Ein Dissens blieb in der Frage, wie aufwendig ein neues Planfeststellungsverfahren wäre.
Überraschend deutlich ging Schlichter Geißler auch auf das Argument von Peter Conradi ein, dass mit S 21 die Einfahrt in die baden-württembergische Landeshauptstadt durch Tunnel erfolge, obwohl Stuttgart eine so schöne Stadt sei. "Wir lassen eine der schönsten Strecken der Welt verschwinden."
Insgesamt sieht Geißler bereits jetzt Erfolge der Schlichtung. Alle seien vom hohen Ross heruntergekommen, sagte er. Es müsse anerkannt werden, dass es für beide Projekte gute Argumente gebe.
Leser*innenkommentare
Opethbass
Gast
Nachdem ich mir die Schlichtung angesehen habe, fand ich diese Runde von allen die interessanteste.
Was in dem Berichten darüber kaum erwähnt wird ist, dass offensichtlich K21 sogar mehr Beeinträchtigungen und Bauarbeiten im Innenstadtbereich nach sich zöge, als S21. Und dass die Stuttgarter von S21(so egoistisch dürfen die mal sein) eigentlich mehr haben, weil die gesamte Innenstadt nicht mehr von Bahngleisen zuschnitten wird.
Durch den Mehrverkehr und mehr Brücken für Überwerfungsbauwerke und Lärmschutz wird die Zerschneidung des Rosensteinparks bei K21 noch verstärkt. Die Umsteigequalität ist meiner Meinung bei K21 ebenfalls schlechter, da die Wege länger sind und sogar noch mehr Treppen bestiegen werden müssen, als bei S21 (bei S21 ist auch der Ausstieg in den Rosensteinpark von der Verteilerebene aus ebenerdig.
So gesehen finde ich es erstaunlich, wie schlecht die Pro Seite argumentiert, indem sie auf Verfahrenträrä herumreitet. Außerdem haben sie weder das Betriebskonzept von K21 in Frage gestellt, noch selbst ein modifiziertes konzept präsentiert. Bei den Planungsverfahren haben die K21 Macher ihr "geht schon irgendwie" sogar glaubhaft machen können - in der Realität ein K.O Kriterium.
Warum zieht die Bahn nicht eine alte Machbarkeitsstudie aus den Schubladen, warum sie in früheren Machbarkeitsstudien ein K21 aähnliches Konzept verworfen hat?
Damit ein Imagegewinn für K21, der sachlich so eigentlich nicht gerechtfertigt ist. Die Gegner verkaufen sich einfach viel besser.
WinWin: Bei S21 vielleicht doch 10 Gleise realisieren und Optionen ausnutzen. Wenn das Projekt dann noch teurer wird, ist das eigentlich egal. Hauptsache, und das wollen die demonstrierenden Stuttgarter auch sehen, "sie ham am Ende was g'scheits". Sie räumen damit das Argument der betrieblichen Leistungsfähigkeit aus dem Weg. Gehen sie doch im Detail auf Verebsserungen und Engpässe ein und beseitigen diese. Das besänftigt die gemäßigten Kritiker, die nur eine Leistungfähige Bahn erhalten wollen.
Zeitgleich kann die Bahn ein Güterverkehrkonzept für die Region vorlegen, welches auch hier die Argumente etwas entkräftet.
Josef Riga
Gast
Letztendlich geht es mit K 21 und auch mit S 21.
Die Frage ist nur: welche Philosophie steckt hinter den beiden Konzepten, oder anders gesagt, welche Zukunft soll "die Bahn" haben? Soll es eine Rennbahn werden, wo auf wenigen Gleisen ein europaweites Duell mit dem benzinsteuerbegünstigten Flugzeug ausgefahren wird, dann brauchen wir S 21!
Oder wollen wir eine Bahn, die viel Verkehr von der Strasse an sich zieht, viele kleine Punkte vernetzt und bezahlbar bleibt für Pendler, Schüler, Rentner und alle anderen? Dann fahren wir mit K 21 besser.
Klar, für den Bissinessmen, der sowieso nur in seinen Apple glotzt -time is money-, ist eine Rohrpostverbindung wie die NBS Frankfurt-Köln genau das richtige. Alle anderen, die Deutschland aber nicht nur im Tunnel erleben wollen, haben ein Recht darauf, dass die nationale Infrastruktur der Bahn, die in über 150 Jahren aufgebaut wurde, nicht den Börsianern zum Frass vorgeworfen wird. Die Bahn gehört nationalisiert, genau wie die übrige Infrastruktur und die Schlüsselindustrien.
oben bleiben
Gast
Moin,
der Heiner gefällt mir immer besser, " Aber ich will wissen,ob das Gesamtkonzept etwas taugt oder nicht"!
Sehr schön weiter so! Vielleicht bringen die Schlichtungsgepräche ja doch die erhoffte Einsicht.
Aber auch wenn es so wäre glaube ich nicht das die Lobbyisten es zugeben würden.
Es geht um sehr viele Millionen und Macht die immer wichtiger sind als die reale Vernunft.
Ist doch egal was die Mehrheit des Volkes will - wichtig ist das der "Rubel rollt".
Das nenne ich puren Kapitalismus gepaart mit extremen Egoismus.
Viele Grüße aus dem Norden.
Simon Hermann
Gast
Der Stuttgarter Kopfbahnhof ist alles andere als kundenfreundlich. Für mich als Rollstuhlfahrer ist er eine Frechheit.
Da sich U- und S-Bahn unter der Erde befinden, ist auch nach einem Umbau ein Umsteigen ohne Treppen nicht möglich. Ich habe mir die Pläne zu S21 und K21 lange angeschaut und kann nur hoffen das die Pläne zu K21 möglichst schnell verworfen werden.
Die Mineralquellen (und Bäume) sind bei K21 auch gefährdet, da ein Tunnel durch den Schlosspark gebaut werden müsste.
Auch ein Fahrplan Schweizer Art ist in Deutschland nicht möglich, da es in Deutschland nicht nur drei Vollknoten gibt (sondern über 30) und ein integraler Taktfahrplan auch wegen den viel größeren Entfernungen unmöglich ist.
Da bis jetzt zum Stuttgarter Hauptbahnhof nur 5 Zugangsgleise bestehen (bei K21 dann 7) würde es zudem zeitlich gar nicht möglich sein einen integralen Taktfahrplan zu fahren.
Auch müsste der Umbau bei K21 bei laufendem Betrieb erfolgen und ich würde ungern die nächsten 10 Jahre zu spät zur Arbeit erscheinen.
Bitbändiger
Gast
Bei allem Bemühen, die Diskussionen in den Schlichtungsrunden objektiv zu werten, drängt sich immer mehr der Eindruck auf, dass der Pro-Seite (Gönner/Kefer) mangels sachlicher Argumente nur noch der Rückzug auf formale ("ordnungsgemäßes rechtsstaatliches Verfahren, folglich optimal gelöst") und juristische ("VGH hat 2006 optimale Lösung bestätigt") Positionen bleibt, auch wenn deren Basis mittlerweile längst überholt ist (z.B. Nutzen-Kosten-Relation von S21, die dem VGH seinerzeit dargestellt wurde).
Geradezu perfide ist vor allem die mit peinlicher, aber wohl gespielter Süffisanz verfolgte Taktik der Pro-Seite, dem gestern vorgestellten K21-Entwurf entgegenzuhalten, er sei nicht bis ins letzte Detail geplant und durchgerechnet und auch nicht "planfestgestellt". Es kann doch wohl der Kontra-Seite nur darum gehen, darzustellen, was die hochbezahlten Profis der Pro-Seite alles NICHT geprüft haben, weil das Ergebnis "Tunnel-Durchgangsbahnhof" von Anfang an "politisch" festgeschrieben war.
Man darf gespannt sein, was es da noch zu "schlichten" geben kann, zumal die Kosten bei Nichtrealisierung von S21 jetzt auf 600 Mio beziffert wurden, statt bisher behaupteter 1,4 Mrd. Damit bestände die Chance, bei Realisierung von K21 statt S21 trotz Vertragsstrafen immer noch eine Menge Geld zu sparen - und ein technisch besseres Ergebnis zu erzielen.
Friedrich
Gast
Es wird äußerst interessant werden, was am Ende der Schlichtung herauskommen wird. So sammelten die S21 Gegner auch in der 4.Runde bei der Vorstellung der Alternative Kopfbahnhof erneut sehr viele Punkte.
Die durch alle Runden sich ständig wiederholenden Hinweise der Befürworter, insbesondere das ständige Reinplappern der CDU-Ministerin, auf bereits abgeschlossene Planfeststellungen und auf ein Urteil des VGH, machen dem Fernsehzuschauer überdeutlich, was weiterhin Sache sein wird. S21 und die Neubaustrecke nach Ulm werden gebaut, komme was da wolle.
Jetzt durch die vielen Schlichtungstermine, so wird es sicher dann heißen, sind die Bürgerinnen und Bürger ja im Nachhinein alle nochmals eingebunden und vollumfassend informiert worden. Mehr kann man doch nun wirklich nicht tun.
Den Bürgerinnen und Bürgern von Stuttgart Danke für ihr bürgerschaftliches Engangement. Nicht locker lassen!