Neubau im finnischen Olkiluoto: Areva-Siemens wird sein Akw zu teuer
Ein Atomreaktor zum Festpreis von drei Milliarden Euro – ein Dumpingpreis. Das deutsch-französische Baukonsortium Areva-Siemens hat sich offenbar verrechnet.
STOCKHOLM taz | Wegen Milliardenverlusten beim Bau eines Atomreaktors im finnischen Olkiluoto droht jetzt der französische Atomtechnikkonzern Areva mit einem Baustopp. Areva wolle den bestehenden Vertrag umverhandeln, teilte Konzernchefin Anne Lauvergeon am Montag bei der Präsentation der Areva-Halbjahresbilanz in Paris mit. "Und erst mit den Schlussphasen der Arbeit beginnen, wenn TVO den Vorschlägen zugestimmt hat", sagte sie.
Im Klartext will Areva einen Vertrag brechen. Der finnische Stromkonzern Teollisuuden Voima Oy (TVO) hatte mit dem damaligen Baukonsortium Framatome-Siemens - jetzt: Areva-Siemens - 2004 einen "Turn-key"-Vertrag geschlossen: ein schlüsselfertiger Atomreaktor zum Festpreis von drei Milliarden Euro. Das war schon damals ein Dumpingpreis. Aber die Reaktorbauer wollten unbedingt das erste westeuropäische Neubauprojekt nach der Tschernobyl-Katastrophe haben, um darauf als Referenzobjekt hinzuweisen.
Doch das Areva-Siemens-Konsortium bekam weder die Kosten noch das Bauprojekt in den Griff. Eigentlich sollte der Reaktor in diesem Herbst ans Netz gehen. Zuletzt war von 2012 oder 2013 die Rede, denn von Anfang an gab es Verzögerungen. Weil die Baupläne noch gar nicht richtig fertig waren, weil es zu Baumängeln kam, von billigen, aber unerfahrenen Subunternehmen permanent gepfuscht wurde und weil die finnische Bauaufsicht deshalb die Neuausführung von Arbeiten verlangte.
Es wird geschätzt, dass der auf drei Milliarden kalkulierte Neubau Areva-Siemens mittlerweile schon 5,4 Milliarden Euro kostet. Weitere Rückstellungen für die erwarteten Olkiluoto-Verluste in Höhe von über einer halben Milliarde Euro waren auch der Hintergrund der jetzigen Baustopp-Drohung von Konzern-Chefin Lauvergeon.
"Wir haben einen Festpreis vereinbart", verwies Jouni Silvennoinen, TVOs Olkiluoto-Projektleiter, am Dienstag auf den geltenden Vertrag. Doch über dessen Auslegung wird seit Monaten vor einem Schiedsgericht in Paris gestritten. Ein nicht öffentlicher Prozess, so dass die Argumentation der Reaktorbauer, mit der sie sich aus dem Vertrag herausstehlen wollen, nicht bekannt ist.
Laut finnischer Medieninformationen argumentiert Areva aber, "übertriebene" Sicherheitsauflagen der finnischen Strahlenschutzbehörde und ein deshalb viel "zu pingeliger" Bauherr TVO seien für einen Großteil von Verspätungen und Doppelarbeit verantwortlich. Deshalb sollten die Finnen trotz Festpreisklausel diese Kosten tragen. Da Areva nun mit dem Baustopp droht, könnte das darauf hindeuten, dass der Konzern mit dieser Argumentation vor Gericht nicht so recht erfolgreich ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Mehr Zugverkehr wagen
Holt endlich den Fernverkehr ins Deutschlandticket!
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Jette Nietzard gibt sich kämpferisch
„Die Grüne Jugend wird auf die Barrikaden gehen“
Gründe für das Aus der SPD-Kanzler
Warum Scholz scheiterte