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Neu im Cinema:„Die Skorpionfrau“

■ Die Richterin und der Lolitus

Von der verhängnissvollen Liebe reifer Männer zu sehr jungen Mädchen ist in Romanen und Spielfilmen schon viel erzählt worden. Nabokov hat darüber mit „Lolita“ nicht nur Weltliteratur, sondern auch das weltweit gültige Klischee geschaffen, gemäß dem Roman Polanski dann sein Leben als schlechtes Melodram inszenierte. Filme über die Begierden von Frauen nach jungen Knaben gibt es erst seit kurzer Zeit. Denn die Filmemacherinnen, die in den siebziger Jahren zum ersten Mal den Regiestuhl für weibliche Filme eroberten, kommen jetzt in die dafür relevanten Jahre. Agnes Varda drehte nach einer Idee von Jane Birkin „Kung Fu Master“ zu diesem Thema, und Susanne Zanke erzählt, daß „Die Skorpionfrau“ auf den Erfahrungen zweier ihrer gleichaltrigen Freundinnen basiert.

Angelica Domröse spielt die 44-jährige Richterin Lisa, die sich ihr Leben mit ihrem fast erwachsenen Sohn, einem langjährigem Liebhaber, Erfolg im Beruf und viel temperamentvollem Lebenshunger so perfekt eingerichtet hat, daß die Midlifecrisis aus jeder wohlgeordneten Alltagsszene herausschaut.

Bei dem Rechtspraktikanten Rudi ist dagegen alles noch so frisch und aufregend, daß sie sich natürlich in ihn verliebt; um nach etwa 30 romantisch-idyllischen Filmminuten in düsterer, auswegloser Kinotragik zu versinken.

Die Österreicherin Susanne Zanke erzählt die geschickt verwobene Geschichte sehr unterhaltsam, manchmal komisch und ohne jede deutsche Tiefgründigkeit. Angelica Domröse ist in fast jeder Einstellung des Films zu sehen. Sie spielt die Lisa als souveräne, sehr angriffslustige und spontane Frau; in den intensivsten Szenen erinnert sie ein wenig an Katharine Hepburn. Aber wenn sie ihre schauspielerische Technik gleich in drei Szenen als Betrunkene und zuletzt sogar bei einem Haschischrausch vorführen muß, ist das etwas übertrieben. Auch sonst wird sehr viel getrunken und gegessen in diesem Film. Die Völlerei soll die dekadente Leere dieses Wohlstandslebens zeigen, und so wird meist mit den Fingern gestopft, und der Sekt tropft aus den Mundwinkeln.

Daß Lisa dafür so böse bestraft wird, daß sie aus dieser Welt ausbrechen will, hat sie nicht verdient. Die gängige Konvention, daß solche Liebesgeschichten immer böse enden müssen, hat mir nie gefallen. Ganz zufrieden ist Frau Zanke selber nicht: „Ich hab‘ mich nicht getraut; es ist sehr schwer, so etwas ausklingen zu lassen“. Im Kino bleiben die Lolitas und Lolitusse halt immer die

Sieger.

Wilfried Hippe

Cinema 21.00 Uhr

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