Neu an der Dartscheibe: An der Wurftechnik pfeilen – womöglich auch mit Futschis
Stinkende Eckkneipen sind schon mal ein guter Ort für Sport. Neben dem Lifestyle spricht aber vieles mehr für Darts. Die Karriere kann beginnen.
D er Berliner Atze Heiko tingelt durch Kiezkneipen und trinkt Futschis, eine Mischung aus Weinbrand und Cola. Wenn er davon genug intus hat, wird er mutig und kann genial gut Darts spielen. Zumindest ist das die Prämisse des Films „Heikos Welt“. Sein Ziel: genug Geld für die Augen-OP seiner Mutter gewinnen.
Eine Geschichte so absurd wie perfekt, um zu verstehen, wo der Kultsport herkommt: aus nach Bier, Rauch und Pisse stinkenden Eckkneipen, in denen bierbäuchige Männer mit Goatee-Bärten, in denen noch Currywurstsoße hängt, Pfeile auf eine runde Scheibe werfen. Ich will euch nichts vormachen: Ein bisschen sexy finde ich das schon.
Ein bisschen bin ich auf der Suche nach diesem Lifestyle, ein bisschen betrachte ich Kneipen als mein Metier. Der Sport hat also ganz natürlicherweise seinen Weg zu mir gefunden. Gleichzeitig muss ich in dieser Sportkolumne einen bewegungsarmen Sport vorstellen. Hab mir nämlich aus Gründen, die ich hier nicht weiter ausführen will, eine Rippe angebrochen.
Vom Schummerlicht ins Scheinwerferlicht
Zum Glück sind seit einigen Monaten ein paar meiner Freund:innen auf einmal Dartsliebhaber:innen und tingeln auf den Spuren von Heiko durch die Berliner Kiezkneipen. Mit ihrer Begeisterung für den Sport sind sie nicht allein, Dart hat es spätestens seit der Pandemie vom Schummerlicht im „Flachbau“ ins Scheinwerferlicht auf die Flachbildschirme geschafft.
Die jährliche Darts-WM „Ally Pally“ in London findet perfekt zum Auf-dem-Sofa-Sitzen über den Jahreswechsel statt. Ich hätte es nicht gedacht, aber das ist tatsächlich spannend. Anfangs habe ich mich davor gedrückt, Darts selbst auszuprobieren. Ihr wisst schon, das Commitment von regelmäßigen Spieldates und überhaupt, ich habe schon meine sprachlichen Probleme mit dem Sport. Darf ich noch Dart sagen? Oder muss ich Darts sagen, weil sO iSt Es nUn MaL KoRrekt, wie als unterschwelliger Vorwurf in einigen Gesprächen über den Sport mitschwingt.
Habe mich dann aber doch dran gewagt. Der erste Abend an einer Dartscheibe in der „Linie 1“ in Kreuzberg, ganz oldschool ohne Elektronik. Ein paar Pfeile gingen daneben, ein paarmal habe ich aber auch aus Versehen die 20 getroffen. Erkenntnisse bisher: Man braucht viel mehr Präzision, als ich dachte (das Handgelenk ist entscheidend). Man braucht viel weniger Kraft und Ausdauer, als ich dachte, der Arm tut trotzdem danach weh und auch der Kopf, aber das kann auch an den Bieren liegen. Dartpfeilspitzen brechen viel schneller als Rippen, so schnell, dass die meisten Kneipen eine ganze Tupperdose voll Ersatzspitzen haben.
Dartspieler:innen in den Kneipen sind superlieb und auch im TV wirken viele total sympathisch: Es gibt gemischte Meister:innenschaften, Männer können Väter sein und ihr Baby stolz auf die Bühne holen, nicht der Norm-Schönheit eines Topathleten entsprechen, und wenn sie wollen, auch einen Irokesen-Haarschnitt tragen. Und: man kann auch noch mit weit über 50 Dartsprofi werden. Für meine Karriere habe ich also noch Hoffnung. Ich muss noch ein bisschen an meiner Wurftechnik pfeilen, um wirklich flexen zu können. Nächstes Ziel: dreimal hintereinander in die Mitte treffen. Vielleicht probiere ich es mal mit Futschis.
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