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Netzparteitag mit virtuellem Kaffee

Die baden-württembergischen Grünen halten erstmals einen virtuellen Parteitag im Internet ab. Und siehe da: Die Anträge werden sogar gelesen, die Reden werden kürzer und sachlicher – und alle diskutieren heftig mit

BERLIN taz ■ Am besten besucht ist die Flüsterecke. Zwar kommt der Kaffee nur aus einer virtuellen Maschine, aber auch die klönenden Delegierten sind nur digital anwesend. Seit Freitag halten die baden-württembergischen Grünen einen Parteitag im Internet ab. Diskussion und Abstimmung finden ausschließlich über die Internet-Plattform www.virtueller-parteitag.de statt.

Die Debatte verfolgen kann jeder Internet-Nutzer. Ans digitale Redepult dürfen allerdings nur Mitglieder des grünen Landesverbandes, die sich zuvor ein Passwort besorgt haben. Wenn ab Freitag über die Anträge zu den beiden Leitthemen „Elektronische Bürgerdemokratie“ und „Liberalisierung des Ladenschlusses“ entschieden wird, sind nur die 100 Delegierten stimmberechtigt.

Die sehen in der neuen Diskussionsform zur Halbzeit vor allem Vorteile. Boris Palmer, Landtagskandidat aus Tübingen, lobt die sachliche Diskussion: „Auf Parteitagen werden meist nur fünf Prozent der Anträge wirklich gelesen. Hier habe ich mir bisher alle Anträge angeschaut.“ Der Delegierte Ives Veneday aus Konstanz freut sich, dass es statt einzelner Redebeiträge eine fortlaufende Diskussion gibt: „Man geht in der Debatte aufeinander ein und kann Dinge klarstellen oder näher erläutern.“ Kurze Diskussionsbeiträge statt langer Grundsatzpapiere sind gefragt. Das senke auch die Hemmschwelle, sich zu Wort zu melden, sagt der der 19-jährige Delegierte Thorsten Deppner aus Freiburg. Andreas Kozlik aus Murr verkündet in einem der ersten Diskussionsbeiträge stolz: „Meine erste Parteitagsrede nach 14 Jahren Mitgliedschaft.“ „Insbesondere Frauen haben angemerkt, dass die Diskussion so für sie bequemer ist“, hat die Delegierte Nicole Franke aus Tübingen beobachtet. Auch wenn die Mehrzahl der Beiträge trotz gleicher Geschlechteranteile weiterhin von Männern komme.

„Hier diskutieren nicht nur die Internet-Freaks“ , meint Carsten Labbert vom virtuellen Parteitagspräsidium. Zwar tummelten sich viele junge Delegierte im Netz-Parteitag, aber das sei bei normalen Parteitagen nicht anders. Dafür erzählt er von einer berufstätigen Delegierten mit kleinen Kindern: „Die hätte zu einem normalen Parteitag einfach nicht kommen können.“ Ausgegrenzt fühlt sich durch das digitale Verfahren offenbar niemand. Die Kreisverbände stellen ihren Delegierten bei Bedarf die Netzanschlüsse in ihren Büros zur Verfügung. Mancherorts surfen die Delegierten öffentlich und laden zur Diskussion.

An Verbesserungsvorschlägen mangelt es nicht: Der Delegierte Rolf Linke bemängelt die technische Umsetzung: „Die Diskussionen sind zu unübersichtlich. Da gibt es im Internet bessere Foren.“ Insgesamt ist der Tenor unter den Delegierten optimistisch. Dennoch kann ein virtueller Parteitag nach Meinung der meisten ein reales Treffen nur ergänzen, nicht ersetzen. Einige schlugen bereits vor, die bestehende Plattform auch unabhängig von Parteitagen zur Programmdiskussion zu erhalten. FIETE STEGERS

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