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Netzaktivisten treffen GuttenbergDer einflussreiche Plagiator

Die Ernennung von Guttenberg zum EU-Berater zur Netzfreiheit hatten Netzaktivisten belächelt. Nun wollen sie sich mit ihm treffen - er sei zu einflussreich, um ignoriert zu werden.

Ein Posten, den man nicht ignorieren kann: Guttenberg bei der Ernennung zum EU-Berater. Bild: dpa

BERLIN taz/dapd | Die Zeit der Verschmähung scheint vorbei: Erste Netzaktivisten gehen auf den neuen EU-Berater Karl-Theodor zu Guttenberg zu. "In der Position, die Herr zu Guttenberg nun bekleidet, hat er Einfluss auf nen Haufen Dinge, die für Netzaktivisten relevant sind", notierte etwa der Berliner Netzaktivist Stephan Urbach von der Piratenpartei in der Nacht zu Mittwoch in seinem privaten Blog. Für Anfang Februar hätten die beiden bereits ein erstes Treffen vereinbart. Andere Aktivisten boten sich dem Netzpolitiker Guttenberg ebenfalls an.

Urbach schrieb weiter, der ehemaligen Bundesverteidigungsminister und CSU-Politiker dürfe von der deutschen Internet-Szene nicht gemieden werden. "Wenn wir als Aktivisten mitreden und Netzpolitik in unserem Sinne beeinflussen und gestalten wollen, kann es nicht ausschließlich darum gehen, welche Person einen wichtigen Posten innehat", erklärte Urbach. Er und seine Mitstreiter dürften sich eben "nicht nur auf wütendes Twittern und Bloggen beschränken".

Internetgemeinde auf Kriegsfuß

Guttenberg berät seit Dezember die EU-Kommission zur Freiheit des Internets. Als Kommissarin Neelie Kroes überraschend ihren neuen Berater in Brüssel vorstellte, zeigten sich deutsche Netzaktivisten noch skeptisch. Der Tenor damals: Mit Guttenberg trete der Inhalt in den Hintergrund und die Person in den Vordergrund. Internetnutzer hatten zuvor nachgewiesen, dass er seine Doktorarbeit abgeschrieben hatte. Die Internetgemeinde verspottete Guttenberg mehrheitlich. Im März 2011 war der CSU-Politiker als Minister und von allen politischen Ämtern zurückgetreten.

Netzaktivist Urbach notierte dazu pragmatisch: "Wir müssen mit den Leuten reden, die netzpolitische Entscheidungen beeinflussen werden, ob wir die Person jetzt mögen oder nicht." Urbach engagiert sich im Verein Telecomix, der in politischen Unruheherden wie Palästina und Nordafrika eine eigene Infrastruktur für ein freies Internet aufbaut. Guttenberg berät die EU wiederum zu Fragen des freien Netzzugangs.

Treffen unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Das Treffen Anfang Februar werde auf Wunsch Guttenbergs unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. "Ehrlich gesagt ist es mir sogar lieber, dass das Treffen ohne Kameras stattfindet", schrieb Urbach. "Wenn keine Presse dabei ist, wird es ihm schwerer fallen, das Treffen für gute Publicity in Deutschland zu benutzen."

Unterdessen zeigte sich auch das deutsche Open Data Network zu Gesprächen bereit. Dessen Vorsitzender Stefan Gehrke hatte im Dezember noch moniert, Guttenberg sei in der Vergangenheit nicht gerade als Netz- oder Menschenrechtspolitiker aktiv gewesen. Ein Treffen wolle er aber nicht ausschlagen, sagte Gehrke am Mittwoch: "Uns geht es darum, die Sache voranzubringen, und das sollte man mit den Menschen besprechen, die für die Themen zuständig sind."

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10 Kommentare

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  • DQ
    Der Querulant

    So ist das mit den Prinzipien, die gelten immer nur für die Anderen. Glaubwürdigkeit sieht anders aus.

  • A
    Alternativlos

    Is doch klar: Wenn der Urbach sich nicht mit ihm trifft, dann warten schon 1000 andere, die das gerne tun würden (so auch der Tenor von di Lorenzos Argumentation, warum ausgerechnet die Zeit dieses Gefälligkeitsinterview führte).

    Nun, dann darf der Herr Urbach der Erste sein, der Eurer Eminenz die Füße küsst und eine dicke Schleimspur legt, auf der alle anderen feuchtfröhlich ins Rutschen kommen.

    Wie mit von Guttenberg inhaltlich diskutiert werden soll, nach dem der gute Mann in genau diesen Punkten starke Defizite hat, will uns der Herr Urbach natürlich nicht sagen.

    Doch egal, wir wollen ja nicht kleinkariert sein - denn was gibt es Wichtigeres als Männerfreundschaft, gerade in der Politik?

  • A
    Alternativlos

    Is doch klar: Wenn der Urbach sich nicht mit ihm trifft, dann warten schon 1000 andere, die das gerne tun würden (so auch der Tenor von di Lorenzos Argumentation, warum ausgerechnet die Zeit dieses Gefälligkeitsinterview führte).

    Nun, dann darf der Herr Urbach der Erste sein, der Eurer Eminenz die Füße küsst und eine dicke Schleimspur legt, auf der alle anderen feuchtfröhlich ins Rutschen kommen.

    Wie mit von Guttenberg inhaltlich diskutiert werden soll, nach dem der gute Mann in genau diesen Punkten starke Defizite hat, will uns der Herr Urbach natürlich nicht sagen.

    Doch egal, wir wollen ja nicht kleinkariert sein - denn was gibt es Wichtigeres als Männerfreundschaft, gerade in der Politik?

  • K
    Keiner

    Hallo liebe taz,

     

    wie wärs, wenn ihr mal damit anfangt, Weblinks in euren Artikeln zu setzen? Das wäre hilfreich. Liebe Grüße.

  • AT
    Alfred Tetzlaff

    Nicht mit dem KTzG reden wäre ja wohl zu einfach gewesen. Aber manche lassen sich eben vor den Karren des ex Verteidigungsministers spannen und finden sich auch noch ganz toll dabei.

    Zu einflußreich um ignoriert zu werden, ich habe auch schon bessere Witze gehört, auf dem Niveau hier bauen die Stuttgarter demnächst ihren neunen Bahnhof.

  • F
    flopserver

    Ausgerechnet Mitglieder der Priatenpartei ebnen so den Weg für das politsche Comeback dieses Kriegsbefürworters, Ex-Rüstungslobbyisten, Sarrazin-Bewerbers, öffentlichen S21-Befürworters, überführten Täuschers der Öffentlichkeit und sich für eine neue rechte Partei in die Diskussion ('einzige Voraussetzung: Bekenntnis zu Israel') bringenden Kandidaten. Guttenberg wurde mit vielen Schuhen als Schuhting-Star geehrt und jetzt machen sich einige Piraten daran ihn neu zu besohlen. Einfach unglaublich.

  • BH
    Banjo Hansen

    appeasement

  • M
    m3t4b0m4n

    Hier wollen wohl zwei Leute Publicity generieren.

    Denn Herr Urbach möchte in den Bundestag.

     

    http://pastebin.com/APwXX5kA

     

    "Liebe Berliner Piraten, ich schreibe euch heute,

    weil ich euch etwas mitzuteilen habe.

    Ich möchte in den Bundestag...."

  • BS
    B. Scheuert

    Was für eine dämliche Verdrehung der Logik:

     

    Wenn alle Netzaktivisten den Schleimboy ignorieren würden, würde sein Status als (angeblich) einflussreich schnell wieder vorbei sein!

  • V
    vic

    Guttenberg "zu einflussreich, um ignoriert zu werden"

    Und darum machen Netzaktivisten ihn noch einflussreicher.

    Klingt einleuchtend.