Netflix-Serie „Too Much“: Zu viel schlecht
„Girls“-Erfinderin Lena Dunham kehrt mit „Too Much“ zurück. Doch statt Witz und Romantik bedient die Serie in Klischees.
Eine Szene in der dritten Folge ist typisch für die gesamte Serie: Der britische Indie-Musiker Felix (Will Sharpe, „The White Lotus“) zeigt seiner neuen US-amerikanischen Freundin Jessica (Megan Stalter, „Hacks“) den Film „Paddington“.
Während er Tränen in den Augen hat, sitzt sie neben ihm und scrollt durch Tiktoks von der Verlobten ihres Ex. Es ist kaum nachvollziehbar, dass Felix nicht bemerkt, wie Jess auf ihrem Handy Videos mit Ton schaut. Sie wiederum wird als Klischee einer US-Amerikanerin gezeigt, ganz auf die eigene Welt fokussiert.
Felix und Jess sind die zentralen Protagonist*innen in Lena Dunhams neuer Serie „Too Much“. Nach einer unschönen Trennung zieht Jess nach London, um Abstand zu New York zu bekommen. Bereits am ersten Abend lernt sie Felix kennen. Nachdem sie sich aus Versehen mit einer Kerze anzündet und im Krankenhaus landet, wo er sie besucht, sind sie mehr oder weniger ein Paar.
Die eingangs geschilderte Szene zeigt, warum die Serie, die als Rom-Com promotet wird, nicht funktioniert. Was die beiden aneinander finden, wird während der zehn Folgen nicht wirklich klar.
Nach dem großen Erfolg von „Girls“ (2012–2017), einer Serie, die es schafft, sehr konkret das Leben eines spezifischen Millennial-Millieus abzubilden und dabei trotzdem zeitlos zu sein, war es lange ruhig um Lena Dunham, die zugleich Autorin, Regisseurin und Hauptdarstellerin der Kultserie war. Sie schrieb und produzierte eine Handvoll Filme und Serien und hatte ein paar Gastauftritte, diese flogen aber weitestgehend unter dem Radar, waren keine Kritiker- und/oder Publikumserfolge.
„Too Much“ als große Netflix-Produktion mit vielen namhaften Schauspieler*innen (in Nebenrollen sind unter anderem Andrew Scott, Jessica Alba, Rhea Perlman und Emily Ratajkowski zu sehen) soll nun ihr Comeback sein.
Unnötige Slapstick
Leider versagt die Serie auf allen Ebenen. Es wirkt, als wolle Dunham „Emily in Paris“ als „Fleabag“-artiges Drama inszenieren. „Emily“ zerrt zwar durchaus an den Nerven, nimmt sich in all ihrer Überdrehtheit aber kein bisschen ernst; „Fleabag“ stellt eine raumeinnehmende, maximal Ich-bezogene Heldin in den Mittelpunkt, lässt diese aber nahbar wirken. Anders als „Too Much“.
Es gibt etliche unnötige Slapstick-Elemente, nur um geschwind eine Storyline um Kindesmissbrauch einzufügen, die aber nicht weiter vertieft wird. Oder: An einem Abend ist Jess bei ihrem Chef auf einer Koksparty, am nächsten Tag hat sie so wenig Ahnung von Drogenkonsum, dass sie ihr ganzes Gesicht in einen Berg Ketamin tunkt und dann, ohne sich zu säubern, durch einen Streichelzoo läuft.
Auch sonst ist vieles einfach schlecht geschrieben. So nimmt Jess etwa Antworten auf die Tiktoks der Verlobten auf, die sie nur auf ihrem privaten Profil teilt, und ja, es wird genau das mit den Videos passieren, was man sich denken kann.
„Too Much“ krankt nicht nur daran, dass die Serie sich nicht entscheiden kann, was sie sein will, auch die Figuren bleiben sehr oberflächlich, die Dialoge sind so hölzern wie die Performances der Schauspieler*innen. Allein Megan Stalter gelingt es, ihrer zumeist unausstehlichen Figur ein wenig Charme einzuhauchen. Gerade in den Momenten, in denen Jess an Hannah Horvath, Protagonistin in „Girls“, erinnert, merkt man, dass es Stalters Spiel sowohl an Tiefe als auch Edgyness fehlt, um ihrem Charakter vielschichtiger zu machen.
Während „Girls“ eine Serie ist, die seit einigen Jahren zu Recht von Gen Z neuentdeckt wird, weil sie zu den besten Dramedys des 21. Jahrhunderts gehört, wirkt „Too Much“, als habe Lena Dunham ihren Spark verloren.
Aber vielleicht ist gerade das eine feministische Errungenschaft: Wo es früher Männer vorbehalten war, nach einem Erfolg weiterhin mediokre bis schlechte Serien und Filme mit großem Tamtam schreiben und produzieren zu können, dürfen das heute auch Frauen.
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