Netflix-Serie „Territory“: Seifenoper im Outback
Die australische Serie „Territory“ erzählt im Neo-Western-Style von einer Rancher-Dynastie – etwas konstruiert, doch man hat Freude an den Gestalten.
Im Bemühen, ein nationales Kino zu etablieren, hat die australische Filmindustrie immer wieder die australische Geschichte mit den Mitteln des Western inszeniert. Gegen Unrecht kämpfende Outlaws wie Ned Kelly, die erfolgreiche Eroberung einer menschenfeindlichen Natur und deren Kultivierung mit einer Agrarindustrie, in deren Zentrum die Rinderzucht steht, sind zentrale Erzählungen, die immer wieder auf die Leinwand gebracht wurden. Das australische Fernsehen hat diese Narrative fortgeführt. Die Serienproduktion ist bis in die Gegenwart davon geprägt. Das gilt auch für die neue australische Netflix-Serie „Territory“.
„Territory“ erzählt die Geschichte einer Ranch-Dynastie, deren Gefüge durch innerfamiliäre Querelen und die Engstirnigkeit des Patriarchen ins Wanken gerät. Robert Taylor, der 2003 schon in „Ned Kelly“ mitwirkte, spielt diesen Colin Lawson, dem alle Mittel recht sind, seine Macht zu wahren. Nach dem mysteriösen Tod seines ältesten Sohnes Dan bricht seine Familie auseinander. Sein zweiter Sohn Graham ist ein kraft- und saftloser Alkoholiker. Die Konkurrenz lauert darauf, sich die Farm einzuverleiben. Einmal mehr liegt der Vergleich mit den Hollywood-Vorbildern nahe. Die Geschichte von der Lawson-Dynastie, die die größte Rinderzucht Australiens besitzt (tatsächlich befindet sich in Australien die größte Rinderranch der Welt), tritt in die Fußstapfen von Taylor Sheridans großangelegter Neo-Western-Serie „Yellowstone“.
Um die Machtspielchen herum inszenieren Regisseur Greg McLean, der mit dem Outback-Horrorfilm „Wolf Creek“ auf sich aufmerksam machte, und sein Kameramann Simon Duggan („Furiosa: A Mad Max Saga“) das Outback, wie die Wildnis Australiens genannt wird, als wild-schönen und erhaben leidenden Antagonisten. Die Ureinwohner kämpfen weiterhin um das Wenige, was ihnen noch geblieben ist. Es entgleitet aber auch zusehends den weißen Männern.
Es sind die Frauen, die sich anschicken, die Zukunft zu bestimmen. Zum Guten oder zum Schlechten. Allen voran Emily Lawson, Grahams Frau, die von Anna Torv gespielt wird. Bereits in „The Last of Us“ und „So Long, Marianne“ überzeugte sie mit ungewöhnlichen Frauenfiguren. „Lass sie denken, dass sie bestimmen“, sagt Emilys Tochter Susie einmal zu ihr. Das klingt wie der Slogan für eine neue Machtordnung. Kampflos wird sich die alte aber kaum ergeben.
erste Staffel, ab 24. 10. auf Netflix
„Hier legt jeder jeden aufs Kreuz“
Selbstredend geht es auch darum, wie sich die Liebe in diesem Spiel um die Macht behaupten kann. Denn „Territory“ ist auch eine Seifenoper. Darin hat die Liebe schlechte Karten. Immer dann, wenn die positiven Gefühle sich durchgesetzt zu haben scheinen, gibt es doch noch ein Geheimnis, das alles wieder ändern kann. Die Devise der Serie wird von einer den Lawsons feindlich gesinnten Figur auf den Punkt gebracht: „Hier legt jeder jeden aufs Kreuz, wie und wo er nur kann.“ Man könnte sich fragen, wie mehrdeutig das gemeint ist.
All diesen Figuren, auch in „Yellowstone“, hat natürlich J. R. Ewing aus der US-Serie „Dallas“ den Weg geebnet. Die Emotionen kochen so hoch wie möglich, da schießt auch schon mal jemand mit dem Colt in sein Fernsehgerät, weil auf der Mattscheibe die Konkurrenz das eigene Ego in Frage stellt. Dramaturgisch wirken die Ränkespiele manchmal etwas bemüht und konstruiert, doch hat man seine Freude an all diesen Gestalten, die nicht wissen, wohin mit sich. Und man muss unbedingt am Ball bleiben, am Ende geht es nämlich drunter und drüber.
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