Neonazis in Niedersachsen: Bewegung unter Waffen
Bewaffnete Neonazis haben in Niedersachsen eine lange Tradition. Doch die Landesregierung hat die Vorkommnisse immer wieder bagatellisiert.
HAMBURG taz | Alles gehört auf den Prüfstand, sagte Uwe Schünemann. Nach der Entdeckung der Mord-Serie der Neonazigruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" sagte der niedersächsische Innenminister, die Arbeit der Sicherheitsbehören gegen Rechtsextremismus müsse neu aufgestellt werden.
So weit ist die Opposition mit ihm einer Meinung: In den vergangen Jahren haben Grüne und Linkspartei mit Kleinen Anfragen immer wieder vergeblich versucht, von der Landesregierung eine Einschätzung zu Waffen- und Sprengstofffunden in der rechten Szene zu bekommen. Das Credo der Antworten des Innenministeriums war meist wie am 3. Juni 2009: Es lägen "keine Erkenntnisse" vor. Von "verfestigten Strukturen gewaltbereiter und bewaffneter Nazis" sei nicht auszugehen, ließ Schünemann erklären.
Just in den Wochen zuvor hatte die Polizei in den Landkreisen Göttingen, Northeim, Hildesheim und Braunschweig insgesamt 32 Objekte von Rechtsextremen durchsucht. Der Anlass war eine Schießerei eines Neonazis und seiner Kameraden in einem Göttinger Nachtlokal, das sie später noch anzünden wollten. Die Beamten beschlagnahmten unteren anderem ein Schnellfeuergewehr, drei Gewehre, eine Repetierbüchse, Schalldämpfer und Munition.
"Viele Rechtsextreme haben eine hohe Affinität zu Waffen", sagte Schünemann damals. Es gebe allerdings keine Hinweise darauf, dass diese auch eingesetzt würden. In der Landesregierung konnte man sich damals die Existenz rechter Terrorgruppen nicht vorstellen. Dabei hatte es in Niedersachsen schon einmal eine gegeben.
Vor 32 Jahren, im Mai 1979, begann in Bückeburg ein Verfahren gegen mehrere Neonazis aus der "Wehrsportgruppe Werwolf" und der "Aktionsfront Nationaler Sozialisten". Unter massiven Sicherheitsmaßnahmen hatte das Oberlandgericht Celle extra in der Justizvollzugsanstalt Bückeburg das Verfahren gegen Michael Kühnen, Manfred Börm, Lothar S., Lutz W., Uwe R. und Klaus-Dieter P. wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung geführt.
1977 und 1978 hatten sie deutsche und niederländische Soldaten in der Kaserne in Wentorf und auf dem Truppenübungsplatz Bergen-Hohne mit Waffengewalt überfallen, um weitere Waffen und Munition zu rauben. Bei einem Banküberfall und einem Raub bei einem Geschäftsmann erbeuten sie 150.000 Mark für weitere Aktionen. Die Angeklagten erhielten Haftstrafen. Börm ist heute niedersächsischer NPD-Landesvize und Leiter des Parteiordnerdienstes.
Auch später in der 80er und 90er Jahren fand die Polizei bei Neonazis Waffen und Sprengstoff. "Die Verharmlosung solcher Funde durch die Behörden muss enden", sagt der grüne Landtagsabgeordnete Helge Limburg. Seit Monaten sorgt ihn auch, dass die Polizei gegen militante Neonazis in Tostedt und Bückeburg nur zögerlich vorgeht.
Erst vor Kurzem fand die Polizei bei Neonazis in Bückeburg Waffen. "Die Polizei muss endlich aufhören, die örtlichen Vorfälle als ,Auseinandersetzungen zwischen rechten und linken Jugendlichen' zu bagatellisieren", sagt der Grünen-Politiker. Auch das Trio der NSU entstand aus einer militanten Neonazigruppe.
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