Neonazis hetzen im Netz: Morddrohung für den Bürgermeister
Nach dem Passauer Polizeichef könnte der Bürgermeister von Warin, Hans-Peter Gossel das nächste Opfer sein, drohen Rechtsextreme im Netz.
HAMBURG taz | Bisher hat Hans-Peter Gossel sein Ehrenamt nur viel Arbeit eingebracht. Gossel ist parteiloser Bürgermeister von Warin, einer Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern - und plötzlich sieht er sich mit weit Unangenehmerem konfrontiert. Im Internet finden sich Morddrohungen aus der rechtsextremen Szene gegen ihn. "Die Drohung nehmen wir sehr ernst", sagt Steffi Nietz, Sprecherin der Schweriner Polizei. Die Polizei fährt vor der Wohnung des Bürgermeisters verstärkt Streife.
Die Drohung wird auf dem rechten Szene-Internetportal "Altermedia" verbreitet. In einem Kommentar, der auf den Mordschlag auf den Passauer Polizeidirektor Alois Mannichl anspielt, schrieb ein Nutzer unter dem Namen "Wetekamp" am 20. Dezember: "Aaauuuuufffffffpasssssssssssäääännnnn!!! Hoch-Zeit der Lebkuchenmesser!! Das nächste Opfer stellt sich zur Verfügung. Gossel? Kommt von Gössel = Gans. Weihnachtszeit, Weihnachtsgänsezeit".
Per Zufall war ein Freund von Gossel auf den Eintrag gestoßen. Daraufhin stellte der Bürgermeister eine Anzeige bei der Polizei. Er fühlt sich - trotz der verstärkten Streifen - nicht ausreichend geschützt. "Ich fühle mich alleingelassen", sagt Gossel. Polizeisprecherin Nietz versichert allerdings: "Verschiedene Schutzmaßnahmen laufen. Auch wenn nicht alles zu sehen ist, wir sind vor Ort." Um die Sicherheit nicht zu gefährden, möchte sie über die genauen Maßnahmen nichts sagen. Die Staatsanwaltschaft Schwerin hat die Ermittlungen aufgenommen.
Der vermutliche Hintergrund der Drohung: Die Verwaltung in Warin versucht die Ansiedlung der "Interim Partei Deutschlands" (IPD) zu verhindern, einer dubiosen Kleinstpartei mit rechtem Hintergrund. Mitten in der Stadt soll die dritte Vorsitzende der IPD, Heidrun Seip, eine Immobilie erworben haben. Das Haus könnte zu einem rechten Zentrum werden, so fürchtet Gossel. Sehen doch Verfassungsschutzbehörden bei der Partei "Bezüge zum Rechtsradikalismus". Für die IPD besteht das Deutsche Reich weiter. Vor gut einem Jahr ermittelte die Staatsanwaltschaft schon einmal gegen die Partei wegen Relativierung des Holocaust. Die Stadtverwaltung weigerte sich, den Hausverkauf ins Grundbuch einzutragen. Sie will - dank eines Vorkaufsrechts - das Haus erwerben, um es für eine Verkehrsverbesserung abzureißen, erklärt Gossel, der im Kreistag Mitglied der Fraktion DP/Bündnisgrüne/Bauernverband ist.
Nur wenige Kilometer entfernt hat die IPD in der Stadt Neukloster bereits ein Grundstück erworben. Ihr Vorsitzender Edgar R. Ludowici soll schon seinen Wohnsitz in Warin angemeldet haben. Bisher hatte die Partei ihre Bundessitz in Hamburg.
"Im Umzug" heißt es jetzt auf ihrer Website. Dort erklären sie auch ihr Parteiziel: "Die Wiederherstellung der absoluten Rechtsicherheiten von über 80 Millionen Deutschen Bürgern." Aus Gründen "der Sicherheit vor Verfälschung" könnten sie jedoch ihr "Parteiprogramm hier leider nicht vollständig" präsentieren. Nachfragen lässt die IPD unbeantwortet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen