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Neonazi-Aussteiger wird PastorVom Saulus zum Paulus

Als Jugendlicher ist er rechtsextrem und schlägt einen Mann tot. Jetzt ist Johannes Kneifel erwachsen, geläutert und lässt sich zum Pastor ausbilden.

Johannes Kneifel, ein wahrhaftig Bekehrter. Bild: dpa

BERLIN taz | Mit 17 Jahren hat er, er war Neonazi, auf einen Mann eingeprügelt, der daran starb. Heute, mit 30 Jahren, steht er kurz davor, Pastor zu werden.

Der Schläger und der Pastor, sie sind eine Person: Johannes Kneifel. Als Jugendlicher rutscht er in die rechte Szene ab. An einem Abend im August 1999 macht sich Kneifel mit einem Freund zur Wohnung von Peter Deutschmann in Eschede auf, einem Kritiker der Rechten. Die Skinheads treten die Tür ein, es gibt ein Handgemenge. Kneifel tritt auf den am Boden liegenden Deutschmann ein. Das Opfer stirbt am folgenden Tag im Krankenhaus, der Täter bekommt fünf Jahre Gefängnis wegen Körperverletzung mit Todesfolge.

Im Knast entkommt Kneifel dem Nazimilieu, er besucht Gottesdienste. Durch eine „Gottesbegegnung“ wandelt sich Kneifel zum Christen. Jetzt steht er kurz vor dem Abschluss seines Theologiestudiums. Anfang kommenden Jahres möchte er Pastor einer baptistischen Freikirche werden – und hat gute Chancen. Über sein Leben hat er jetzt ein Buch geschrieben.

Warum? „Ich konnte ein neues Leben anfangen, weil ich eine neue Chance bekommen habe. Mir haben damals positive Vorbilder gefehlt“, sagt Kneifel zur taz. Er gehe mit seiner Vergangenheit offen um, „weil ich mein Leben nicht auf Lügen aufbauen möchte“. Vor etwa einem Jahr erfuhr Kneifel, dass sein Opfer eine Tochter hatte. „Ich habe versucht, mich zu entschuldigen“, denn: „Ich bereue die Tat.“ Die Tochter hat auf Kneifels Brief nicht geantwortet.

Es gibt eine weitere Wende in Kneifels Leben: Nach einer TV-Dokumentation meldete sich ein Anrufer, der ihm sagte, dass er nicht die volle Verantwortung für Deutschmanns Tod trage. Kneifel sagt nicht mehr dazu, denn er hat ein Verfahren angestrengt, um das zu klären. Offenbar hat es mit dem Krankenhausaufenthalt des Opfers zu tun.

Der Rechtsextremismus-Experte der Evangelischen Kirche (EKD), Thorsten Leißer, unterstützt Kneifel. Ein Mensch könne „seine Taten bereuen und umkehren“, sagt er. „Eine Gemeinde wird sich für Herrn Kneifel entscheiden, wenn sie der Meinung ist, dass er glaubwürdig in Seelsorge und Verkündigung wirkt.“

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17 Kommentare

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  • I
    Irene

    @Wolfgang Bause

    Vergebung und Barmherzigkeit sind im Christentum nun mal Schlüsselbegriffe.

  • A
    aurorua

    Offenbar hat es mit dem Krankenhausaufenthalt des Opfers zu tun. Womöglich hatte das Opfer einen Organspendeausweis!

  • SM
    Sascha Mantscheff

    Johannes Kneifel ist von einer Facette der Irrationalität zu einer anderen gewechselt. Eine "Gottesbegegnung" hat ihn zum Christen gemacht, eine Führerbegegnung kann ihn dann wieder zum Nazi umpolen. Hauptsache glauben statt denken. Horst Mahler grüßt von ferne.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Haltung der Kirchenleitung,hier Hannoversche landeskirche ist nicht nachvollziehbar

    Das 5.Gebot mißachten und trotzdem in den Dienst als Pastor aufgenommen zu werden,ist nicht nachvollziehbar.Die ausbildung sollte der Vorbestrafte beenden können,aber ncht in den dienst der Kirche,hier andeskirche Hannover treten können.

  • B
    bull

    Mir haben in meinem ganzen Leben auch positve Vorbilder gefehlt.Darf ich jetzt meine Vorgesetzten umbringen und bekomme auch nur 5 Jahre Haft?

  • B
    bempo

    Luja sag i! Das macht den Toten aber auch nicht wieder lebendig...

  • P
    Paul

    Nichts verstanden!

     

    Einen Menschen mehr oder weniger absichtlich tottreten. Lumpige 5 Jahre Gefängnis. Und dann auf die große Medienbühne zum Geldmachen. Wetten, daß der noch ein Buch schreibt und durch die Talkshows tingelt?

     

    Und, wenn ich die Andeutungen richtig deute, wird er wohl auch noch die Ärzte oder irgendwelche anderen verklagen, die vielleicht bei der versuchten Rettung seines Opfers Fehler gemacht haben.

     

    Im Politischen nannte man diese Leute zur Wendezeit Wendehälse. Günter Schabowski - einer der "besten". Eben noch knallharter Apparatschik und, schwupps, schon geborener Demokrat und Rechtsstaatsanhänger. Natürlich auf der großen Bühne. Und von den "Geläuterten" so um 1945 müssen wir hier nicht auch noch reden.

     

    Der Mann soll seine zweite Chance bekommen. Arbeiten und der Tochter seines Opfers ordentlich Geld überweisen. Der muß und darf auf keine Kanzel! Der hat m.E. bisher nicht begriffen, was er getan hat.

     

    Wenn das die Neonazis lesen, dann haben wir demnächst eine Pfarrerschwemme...

  • V
    vic

    Akute Personalnot in der Institution Kirche. Die nehmen inzwischen wirklich jeden wie`s scheint.

  • BO
    Böhser Onkel

    Bezahlt die Kirche der Presse Geld, damit sämtliche Zeitungen über diesen Fall berichten? Unfassbar...

  • A
    anne

    Die meisten Linken und Gruenen Politiker/"Aktivisten "haben "Theologie" studiert. Aber mit Bibelspruechen kann man nichts verdienen. Das Geld fuer alle welche nichts richtiges studiert haben ist in der gruenen und linken Politik. Noch besser als "Theologe" - ist "Diplomoekologin" - das fuehrt gleich nach Bruessel oder New York - oder exotische Reisen in die Tropen...

  • A
    affenmann

    hm, ob ich das jetzt als so gewaltige umkehr in seinem leben beurteilen würde? mag ja sein dass er als baptistenpfarrer nicht mehr gewalttätig ist, aber was die rückschrittlichkeit des weltbilds angeht, brauch er sich da glaub ich nicht groß umstellen.

  • C
    chamäleon

    der arme gehört anscheinend zu dem typ menschen, die immer einem hinterherrennen müssen, um existieren zu können. ob nun der idee des "führers" und des deutschen reiches oder jesus und dem reich gottes.

     

    gerade solche menschen machen mir angst.

     

    das waren doch auch die, die nach dem krieg von heute auf morgen angeblich im widerstand gewesen sind und dann nicht mehr als nazi, sondern als teil des sozialismus bestens funktionierten - oder eben in der kirche.

  • B
    baerbel

    Okay, ich habe ihn in einer Doku gesehen, abgewichst und kalt wie ne Hundeschnauze, nun...das muss erst mit seinem Gott abmachen,grrr.

  • NR
    Norbert Reimann

    Vom Regen in die Traufe.

    Neonazi-Aussteiger hätte eigentlich gereicht; warum gleich so übertreiben?

  • V
    vbl

    Besser Pastor als zum Verfassungsschutz.

  • G
    gummiball

    "Mir haben damals positive Vorbilder gefehlt?" Mein Gott, immer diese verdammte Tränendrüse, wenn es um Nazi-Aussteiger geht. Und dieser Mist, dass Kneifel ggf. gar nicht Schuld am Tod seines Opfers ist, was soll das? Entschuldigt das seine Tat? Nein! Er hat seine Strafe abgesessen, und bravo!, er ist geläutert. Er hat der Tochter des Opfers einen Brief geschickt. Und jetzt hat er ja ein Vorbild von höchstem Rang. Das ist durchaus erfreulich und positiv zu bewerten, aber diese verdammte Verhätschelung ehemaliger Nazis ist unerträglich.

  • R
    Ralf

    Ob es wirklich so toll ist ein Glaubenssystem durch ein anderes zu ersetzen, wage ich zu bezweifeln. Religionen sind nicht weniger gewalterzeugend, wie sich ja ständig wieder erweißt.