: Nein, wirklich nicht!
Ursula Sabathil (CSU) hat ein Buch über ihren Parteigottvater geschrieben. Fazit: Nette Fotos
Wer ist Edmund Stoiber? Politiker, CSU-Chef, Kanzlerkandidat. Gewiss. Aber diese Antworten befriedigen kaum, beschreiben sie doch nur die Funktionen, aber nicht den Mann. Aufschluss gewähren will das Buch „Edmund Stoiber privat“.
Aufschluss über Stoiber? Zweifel an der Aufrichtigkeit des Werks sind begründet: Die Autorin Ursula Sabathil ist Stadträtin in München, für die CSU. Alles klar. Eine gebundene Werbebroschüre, genehmigt und gesteuert von Stoiber persönlich. So ist „Edmund Stoiber privat“ gemeint.
Erstaunlicherweise eignet sich die Lektüre dennoch für Menschen, die Stoiber garantiert nicht ihre Stimme geben werden. Das liegt an der Treuherzigkeit von Sabathils Beschreibung, einer Frau, die sich vor ihrer Freistellung als Stadträtin im Schuldienst an einem Münchner Gymnasium befand und dort Deutsch unterrichtete. Angeblich. Sie bewundert ihren Parteichef über alle Maßen. Geradezu hündisch versucht sie, Stoiber nur von seinen besten Seiten zu zeigen. Und so gerät „Edmund Stoiber privat“ zu einer einzigen Lobhudelei und Verteidigungsschrift. Schon im Vorwort, das eine Art Reportage von einer Wahlkampfveranstaltung Stoibers sein soll, offenbart sich Sabathils Wahrnehmung. Durchaus gibt sie zu, dass er „kein brillanter Redner in diesem Sinne (ist), dass jeder Satz ein stilistischer Höhepunkt wäre und zu einem grammatikalisch richtigen Ende gelangen würde – nein, er unterbricht sich oft selbst, fängt neu an oder lässt einen Satz verblos verschweben.“ Schlechte Noten erntet Stoiber von der Lehrerin dafür natürlich nicht: „Man merkt, es liegt ihm viel an dem, was er hier vorbringt“, adelt sie sein Gestammel. Bewundernd stellt sie fest: „Er erfindet ganz neue Sätze.“ Und wirft sich ihm völlig verblendet zu Füßen: „Für mich ist er die verkörperte politische Leidenschaft.“ Interessant gerade für die Gegner Stoibers ist die Vehemenz und Redundanz, die Sabathil in dieser Verteidigungsrede an den Tag legt. Es liegt nahe: Wo Vorwürfe so massiv widerlegt werden, da muss etwas Wahres an diesen Vorwürfen sein.
Am Anfang steht eine Beschreibung von Stoibers Kindheit und Jugend. Dieser Teil ist mit der Überschrift „Ein Streber? Nein, wirklich nicht!“ versehen. Und also wird Sabathil nicht müde, Schulfreunde, Lehrer und frühe Kollegen aufmarschieren zu lassen, die allesamt einen lustigen Lausbuam beschreiben, der schon mal Lehrer geärgert hat, der regelmäßig die Hausaufgaben auf der Zugfahrt von Oberaudorf nach Rosenheim abgeschrieben hat, aber auch von sich abschreiben ließ, dessen Versetzung sogar gefährdet war. „Er lernte viel – aber nicht wie ein Streber“, heißt es erstmals auf Seite 26. Und findet kein Ende: „Alle Freunde und Weggefährten aus dieser Zeit legen Wert darauf, zu betonen, dass Stoiber absolut kein Streber war.“ Ja, sicher doch.
Bemerkenswert ist die Beschreibung seiner Familie und Herkunft: „Trotz der guten und freundschaftlichen Kontakte (…) gehörten die Stoibers aber eher doch zu den ‚Zuag’roasten‘. (…) An dieser Eigenart auf dem Land, die Zugezogenen – und sei es nur aus der nächstgrößeren Stadt – nicht wirklich zu sich gehören zu lassen, hat sich bis heute nicht viel geändert.“ Will der nicht gerade als Ausländerfreund bekannte Politiker die frühe Exklusionserfahrung des Buben Edmund weitergeben, da er sie nie ganz überwunden hat? Hier müssen Psychologen ran.
Man könnte jetzt noch auf Kapitel zwei eingehen („Er hatte immer ein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein!“), oder auf das dritte („Im Urlaub, da ist er einfach der Edmund Stoiber!“). Muss man aber nicht. Ohne Oberschenkelhirnzerrung sind die redundanten Untermauerungen der Überschriften nämlich nicht zu lesen. Nur wirklich hart gesottene Stoiberologen werden den schauderhaften Bandwurmsätzen der Autorin bis zur letzten Seite folgen wollen. Es bleibt der Hinweis auf die umfangreiche Bebilderung: 134 Abbildungen, zahlreiche davon aus Stoibers Privatarchiv, belegen: Stoiber war mal dick. Hat mal geraucht. Und trug sogar buschige Koteletten.
STEFAN KUZMANY
Ursula Sabathil: „Edmund Stoiber privat“, 144 Seiten, Langen Müller, München 2001, 19,90 €
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen