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■ Nebensachen aus JerusalemZionistischer Diplomat sucht attraktive Orthodoxe

Ich lese für mein Leben gern Kontaktanzeigen. Soweit ich mich erinnere, hat schon mein Vater das oft gemacht, sehr zum Argwohn meiner Mutter. Sind Leidenschaften vererbbar? Einerlei, am wichtigsten ist mir, daß ich meinem Hobby dank der Jerusalem Post hier nachgehen kann.

Sexanzeigen fehlen natürlich in der ehrwürdig-konservativen Zeitung. Und „Er sucht Ihn“ und „Sie sucht Sie“ gibt es auch nicht. Homosexualität gilt den orthodoxen Juden als schwere Sünde. Aber dafür bieten die Anzeigen jede Menge anderer Überraschungen und Rätsel. Auffällig sind die vielen Nationalitäten. Ein „weißer Mann“ sucht eine „äthiopische Frau“, ein „russischer Israeli“ eine „romantische Christin“, ein „Sefarde“ eine „gut aussehende Akademikerin“ und ein „christlicher Amerikaner“ eine „Philippina“.

Grundsätzlich gibt es das alles in Israel. Aber in den letzten drei Wochen erscheinen diese Anzeigen immer wieder. Ein Hinweis auf bislang verfehltes Liebesglück.

Die „christliche Araberin“, die eine warmherzige Familie sucht, steht auch zum dritten Mal hintereinander im Blatt. Ebenso die „rubenesque“ Dame, die einen ebensolchen Partner verlangt. Sie ist immerhin schon 52 und verlangt die Stärke von Robert de Niro und den Humor von Woody Allen. Auch die „phantastische blonde Orthodoxe“ hat es offensichtlich noch nicht geschafft. Ihre Anzeige verfolge ich seit Wochen. Sie ist 29 und mit fünf Fuß und acht Inch nicht gerade klein. „Schlank und intellektuell“, aber eben auch „geschieden“, wie sie angibt. Natürlich wünscht sie sich einen Orthodoxen. Besonders mutig finde ich die „Haredia“, also die Ultraorthodoxe, die seit Wochen einen „Anglo-Saxon“ sucht. Sie ist geschieden und 47, kein leichtes Alter. Generell annoncieren ohnehin eher ältere Frauen in den späten 40ern oder danach.

Natürlich sind die Frauen zuerst „attraktiv“. Bei den Männern taucht immer das Wort „intelligent“ auf, aber meist erst an zweiter oder dritter Stelle. Vorab steht Religion, Ausbildung oder die Empfindsamkeit – also „gläubig“ und „orthodox“, „Ingenieur“ oder „Anwalt“ oder eben „charmant“ und „warmherzig“.

Ein besonderes Rätsel geben mir die Abkürzungen in den Anzeigen auf. Also JSF dürfte „Jewish Single Female“ bedeuten, alleinstehende jüdische Frau. DJF habe ich noch nicht entziffern können. „ADJF“ ist mir bei Männern ebenso ein Rätsel wie „AJDF“ bei Frauen oder „WLTM to WVTM“. „DJ“ bedeutet bei einem 55jährigen bestimmt nicht Discjockey.

Am meisten habe ich über den „brillanten Yeshiva-Studenten“ gestaunt, der seinen „außerordentlich empfindsamen Charakter“ anpries und brillant mit einem l schrieb. Vielleicht war's auch nur ein Fehler der Post.

Wenn jemand an der „arabischen Christin“, der „orthodoxen Blonden“ oder dem „religiös-zionistischen Diplomaten“ interessiert ist, reiche ich gerne die Nummer weiter. Georg Baltissen

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