Nebenbeschäftigungen: Humboldt-Uni zieht keine Lehren
Nachdem einer seiner Professoren nebenbei für die Atomlobby gearbeitet hatte, kündigte die HU Sanktionen und Stichproben an. Das Ergebnis ist dürftig.
An der Humboldt-Universität können Professoren weiter nach Lust und Laune nebenbei Geld verdienen. Die Möglichkeit, bezahlte Gutachtertätigkeiten für die Wirtschaft zu untersagen, hat die Universität als Dienstherrin in den vergangenen Jahren in keinem einzigen Fall genutzt. Es wurde auch keine einzige Sanktion gegen einen Professor verhängt, weil der einen Nebenjob später als vorgeschrieben oder überhaupt nicht gemeldet hatte, teilte die Universität auf taz-Anfrage mit.
Ein Beispiel für eine solche Nebentätigkeit hatte die taz im Jahr 2011 enthüllt. Das Atomforum, ein Lobbyverband der deutschen Atomenergiekonzerne, wollte bis zur Bundestagswahl im Jahr 2009 einen Meinungsumschwung für die Atomkraft in Deutschland erreichen, um den von Rot-Grün beschlossenen Ausstieg rückgängig zu machen. Das Atomforum beauftragte die Agentur Deekeling Arndt Advisors mit der Umsetzung. Zu einer der vielen Maßnahmen gehörte, eine vermeintlich unabhängige Studie einzukaufen.
Autor der Studie mit dem Titel „Gesellschaftsrendite der Kernenergienutzung in Deutschland“ sollte Joachim Schwalbach sein, Management-Professor der Humboldt-Universität. Als Co-Autor des Buches „Der ehrbare Kaufmann“ wurde Schwalbach mit der These bekannt, dass Anstand und Moral wieder eine wichtigere Rolle in der Wirtschaft spielen sollten.
135.000 Euro hatte das Atomforum in seinem Budget für die Studie vorgesehen. Schwalbach hatte in seiner ersten Projektskizze für das Atomforum bereits geschrieben, zu welchem Ergebnis seine Studie kommen würde: „Die Gesellschaftsrendite der Kernenergie in Deutschland ist so hoch, dass es zu einer Verlängerung der Restlaufzeiten der Kernkraftwerke keine volkswirtschaftlich zu rechtfertigende Alternative gibt.“ Am Ende kam es allerdings zum Streit zwischen dem Professor und dem Atomforum, die Studie wurde nicht zu Ende geschrieben und nur ein Teil des Honorars gezahlt.
Laut Landesbeamtengesetz wäre Schwalbach verpflichtet gewesen, der Universität seine Nebentätigkeit für das Atomforum zu melden, bevor er den Auftrag annimmt. Die Universität hätte dann laut Gesetz die Möglichkeit gehabt, die Nebentätigkeit „ganz oder teilweise zu untersagen, wenn die Beamtin oder der Beamte bei ihrer Ausübung dienstliche Pflichten verletzt“. Schwalbach hatte die Nebentätigkeit allerdings nicht gemeldet und damit gegen das Gesetz verstoßen.
Als Reaktion auf den Fall hatte HU-Präsident Jan-Hendrik Olbertz im November 2011 im taz-Interview angekündigt, „unser Nebentätigkeitsrecht konsequent anzuwenden“.
Das ist allerdings nicht passiert, wie die Universität jetzt mitteilte. Im Jahr 2011 haben die Professoren der HU demnach 15 Nebentätigkeiten nicht rechtzeitig beantragt oder gemeldet, in den Jahren 2012 und 2013 waren es jeweils vier Fälle. Laut Gesetz ist als Sanktion etwa ein schriftlicher Tadel möglich, ebenso eine Geldbuße, die Kürzung der Dienstbezüge oder eine Zurückstufung. Welche Sanktionen wurden in den 23 Fällen verhängt? „Keine“, teilt die Universität mit.
HU-Präsident Olbertz hatte im taz-Interview zudem angekündigt, „vermehrt Stichproben zu machen“. Diese blieben allerdings ohne Wirkung: Kein einziger Professor mit einem nicht gemeldeten Nebenjob wurde dabei gefunden. Die Professoren flogen also nur dann auf, wenn sie sich selbst meldeten.
Warum der HU-Präsident seine Ankündigung, das Nebentätigkeitsrecht konsequent anzuwenden, nicht eingehalten hat? „Herr Olbertz ist derzeit nicht zu einer Stellungnahme bereit“, teilt seine Pressesprecherin mit.
■ Die Geheimpapiere der Atomlobby, die die taz 2011 veröffentlicht hat:
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