piwik no script img

Nebelwerfer gegen AnschlägeAtomkraftwerk in Rauch aufgelöst

Nebelgranatwerfer sollen das AKW Philippsburg zukünftig vor Anschlägen aus der Luft schützen. Kritiker sehen dieses Konzept allerdings skeptisch.

Das Kernkraftwerk Philippsburg aus der Luft. Bild: dpa

In Baden-Württemberg sollen Terroristen künftig die Sinne vernebelt werden. Der Energiekonzern EnBW will das von ihm betriebene Atomkraftwerk (AKW) Philippsburg mit Nebelgranatwerfern vor möglichen Anschlägen aus der Luft schützen. Dies bestätigte ein Sprecher des baden-württembergischen Umweltministeriums gegenüber der taz. Ende Juni habe das Ministerium, das als Aufsichtsbehörde für die Überwachung der Sicherheit zuständig ist, die Genehmigung dafür erteilt. Demnach müsste sich die entsprechende Anlage bereits im Bau befinden, so der Sprecher.

Ein Sprecher der EnBW wollte sich auf taz-Anfrage nicht dazu äußern. "Grundsätzlich geben wir zur Sicherheitsausstattung keine Auskunft", hieß es. Berichten zufolge sieht das Konzept vor, rings um das AKW Nebelgranatwerfer aufzustellen, die je nach Windrichtung gezündet werden, wenn ein Flugzeug seine vorgeschriebene Route verlässt und auf den Atommeiler zusteuert. 40 Sekunden würde es dauern, bis das AKW im Nebel verschwindet.

Ein entsprechendes Pilotprojekt gibt es bereits am AKW Grohnde in Niedersachsen. "Man hat dieses Verfahren intensiv geprüft und wir gehen davon aus, dass die Nebelwerfer einen guten Schutz bieten", sagte der Ministeriumssprecher in Baden-Württemberg. Seit den Terrorangriffen am 11. September 2001 auf das World Trade Center in den USA wird über mögliche Luftangriffe auf Atomkraftwerke gestritten. Dabei richtet sich das Augenmerk vor allem auf die älteren deutschen Meiler.

In einer Studie aus dem Jahr 2003 hat die Gesellschaft für Reaktorsicherheit im Auftrag des Bundesumweltministeriums die AKW auf ihre Sicherheit gegenüber Terroranschlägen untersucht. Dabei landete das AKW Philippsburg 1 zusammen mit den AKWs Brunsbüttel und Isar 1 in der "Rangfolge bezüglich Beherrschbarkeit" auf dem letzten Platz. Sie sei bei verschiedenen Schadensszenarien "fraglich", und zwar bei allen untersuchten Flugzeugtypen und -geschwindigkeiten.

Atomexperte Heinz Smital von der Umweltschutzorganisation Greenpeace gibt zu bedenken, dass das Vernebelungskonzept bislang von kaum einem AKW aufgegriffen worden sei, weil man ihm keine Schutzwirkung zuschreibe. Ein wesentlicher Punkt, der gegen die Effektivität der Maßnahme spricht, sei die Tatsache, dass die Kühltürme außerhalb der Vernebelung lägen.

Zum einen weil sie viel größer sind als die Reaktorkuppel selbst und der Aufwand deshalb wesentlich größer wäre, auch die Türme zu vernebeln. Zum anderen weil die Türme durch den thermodynamischen Effekt die Luft aufsaugen würden, so dass der Nebel sehr schnell wieder verschwunden wäre. Durch die Nichtvernebelung wüsste ein Flieger dank der Türme also trotzdem ziemlich genau, wo das AKW liegt. "Dass jetzt doch das Konzept umgesetzt wird, zeigt die vorhandene Bedrohungslage", sagt Smital. Außerdem spricht er von einer scheinbaren "Hilflosigkeit" der AKW-Betreiber. "Sie wollen sich nicht vorwerfen lassen, eine mögliche Maßnahme unterlassen zu haben."

Skeptisch zeigt sich auch die Pilotenvereinigung Cockpit. "Ich halte die Maßnahme für eine Nebelkerze", sagte der Sprecher Jörg Handwerg der taz. Allenfalls Sportflieger könne der Nebel irritieren. Dass die Navigation durch die sogenannte GPS-Technik bei Nebel nicht mehr funktionieren würde, wäre ihm neu. Handwerg: "Besonders effektiv ist die Vernebelung also nicht."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • D
    Daniel

    Und warum streicht man die Kuppel nicht oliv? Dann kann die doch keiner mehr sehn!

  • N
    nahab

    Buerger G, wo hat German denn falsch gelegen? Oder sollte ich meine Flugschule wechseln?

  • GD
    German Döhm

    @ Bürger G.: Was bringt Dich zu dieser Annahme?

  • BG
    Bürger G.

    @German Döhm: man sieht, dass Du von Fliegerei und von Navigation 0,0 Ahnung hast...

  • V
    vic

    Terrorpilot bei der Einsatzbesprechung:

    "Wo genau ist denn nun dieses AKW?"

    Einsatzlenkung:

    "Oh, das ist leicht zu finden, es befindet sich mitten in der einzigen Nebelzone vor Ort"

  • D
    Daniel

    So. Und warum sorgt niemand für Gebetskreise gegen die Anfechtungen des Bösen, die notfalls spontan zusammentreten?

  • J
    johnjuan

    Die Konzerne soollen ihre Atomkraftwerke sofort abschalten und in Erneuerbare- Energien investieren.

  • K
    Karl

    Im mil. Bereich wure früher gelehrt möglichst großflächig zu nebeln und dabei im Nebel zu verschieben. Denn mit fester Position kann man leichter angegriffen werden; plötzlicher Nebel ist eher eine Beobachtungshilfe und erweckt Aufmerksamkeit!

     

    Verschieben geht beim AKW natürlich nicht.

    Die Landmarken zum Anpeilen rundum bleiben ja auch trotz Nb erkennbar.

    GPS und Triangulationssender können natürlich wirksam gestört werden...aber auch das kann mit anderen physikalischen Messmethoden umgangen werden. Sei es das die Wärmesignatur des Ziels genutzt wird (nur machbar falls kein IR-Tarnnebel/Scheinziele genutzt werden, oder sei es dass das Lfz. über externe Laser auf Kurs gehalten wird.

     

    Jedenfalls ein spannender technologischer Wettlauf.

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • N
    Nebel

    Seit den Photoshop-Tricks von BP sollte man doch wissen wofür die Nebelkanonen sind: Damit die Presse in Zukunft keine Fotos von den Störfällen schießen kann, die nur das Image von EnBW beschmutzen würden. So kann der Konzern im Schutz des Nebels in aller Ruhe entsprechende Einschlagkrater o. ä. flicken, ohne dass irgendwer rummeckert.

  • GD
    German Döhm

    Vielleicht hätten die Ministeriums-Mitarbeiter einmal Fachleute – z. B. Piloten – fragen sollen, ehe sie sich solchermaßen der Lächerlichkeit preisgeben. Immerhin kann man heute schon mit einem besseren Handy Positionen auf 10 Meter genau bestimmen; wie genau dann erst Navigationssysteme in einem Flugzeug arbeiten, kann man sich doch ausmalen. Außerdem funktioniert die satellitengestützte Navigation natürlich auch im Nebel und in den Wolken – muss man darauf noch hinweisen? Und wenn das noch nicht reicht: Infrarotkameras "sehen" einen heißen Reaktorblock in schwärzester Nacht und durch dicksten Nebel.

    Also: selbst ein "Hobby-Terrorist" hätte sicherlich kein Problem mit der Vernebelung.

     

    Ebenjene blockiert aber anscheinend so manche Gedanken.