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Nebelkerzen

■ betr.: „Linksradikale Homos in Aufruhr“, taz vom 17.10. 97

Kritik an praktizierter Politik macht sich meist an den Personen fest, die sie vertreten. Auch Volker Beck, grüner MdB, muß es sich gefallen lassen, daß seine Politik kritisch hinterfragt wird. In dieser Auseinandersetzung war der Artikel von Jan Feddersen wenig hilfreich. Ich frage mich, warum Feddersen Nebelkerzen wirft, anstatt den Grundsätzen ordentlichen Journalismus folgend die Auseinandersetzung zu beschreiben und dabei den Dissens zwischen Beck und Teilen der schwulen Gemeinde zu benennen. [...]

Auch der Versuch, Becks Kritiker von vorneherein in die linksradikale Ecke zu stellen und sie so als nicht ernst zu nehmen zu marginalisieren, ist eher boshaft und wird der Sache in keiner Weise gerecht, das sollte auch Feddersen wissen, der die schwule Gemeinde seit Jahren beobachtet und über sie schreibt.

Die Kritik an Beck macht sich keineswegs nur daran fest, daß er sich für schwule Bürgerrechte und die Homo-Ehe stark macht. Gegen das Einfordern selbstverständlicher Bürgerrechte auch für Schwule hat niemand etwas einzuwenden, hier stehen Gesellschaft und Politik seit Jahrzehnten in einer Bringeschuld, an die sie immer wieder aufs neue erinnert werden müssen. Ein wenig anders verhält es sich mit der Homo-Ehe, weil die mit schwulen Bürgerrechten erst mal nichts zu tun hat. [...]

Zudem ist Becks Eintreten für die Homo-Ehe ja nur ein Aspekt seiner Politik, die insgesamt darauf abzielt (und hier liegt der hauptsächliche Dissens zu Teilen der schwulen Gemeinde), Schwule und Lesben kompatibel zu machen zu dieser Gesellschaft, indem man deren Strukturen relativ kritiklos kopiert, in der Hoffnung, daß dann die nach wie vor vorhandene Diskriminierung in allen Lebensbereichen wie von selbst verschwindet. Dies steht konträr zu dem politischen Ansatz, der Gesellschaftsveränderung fordert, damit auch Schwule (und Lesben) lebenswerte Zustände vorfinden.

Und als letztes: Kritik an einer miesen Politik macht sich keineswegs daran fest, ob der, der sie vertritt, im Zweireiher, im Sakko, im kleinen Schwarzen mit hochhackigen Pumps oder meinetwegen im Tangaslip ans Rednerpult des Hohen Hauses tritt. Becks Kritikern zu unterstellen, daß das für sie ein wesentliches Kriterium ihrer Kritik sei, zeigt doch auf, worauf es Feddersen bei seiner Auftragsarbeit ankam: sie lächerlich zu machen und damit ihre Kritik zum Verstummen zu bringen. Dieter F. Ullmann, Berlin

Schon erstaunlich, wie sich das schwule PDS-Spektrum Sorgen macht, welche Kandidaten B'90/ Die Grünen aufstellen. Der Initiative mangelt es offensichtlich an politischen Konzepten. So greift man anstelle inhaltlicher Auseinandersetzungen zum „altbewährten“ Mittel der Diskreditierung mißliebiger Personen. Solch ein Vorgehen ist einfach abstoßend.

Am Rande sei noch bemerkt: Die bündnisgrüne Bundesarbeitsgemeinschaft Schwulenpolitik hat vor kurzem einstimmig die erneute Bundestagskandidatur von Volker Beck unterstützt. Torsten Ehrke, Sprecher der

BAG Schwulenpolitik,

B'90/Grüne, Potsdam

Mit Entsetzen mußte ich lesen, daß zwei Schwule in Berlin versuchen, eine Initiative gegen den grünen Bundestagsabgeordneten Volker Beck zu gründen. Er setzt sich in Bonn wie kein anderer für eine rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen mit Heterosexuellen ein. Eine solche Bürgerrechtspolitik ist unverzichtbare Voraussetzung für jegliche Veränderung zugunsten von Lesben und Schwulen. Volker Beck setzt sich nicht nur für die Homo-Ehe, sondern genauso für die Rechte von nichtehelichen Lebensgemeinschaften und für ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz ein. Offensichtlich wissen die Initiatoren zuwenig von der konkreten politischen Arbeit Volker Becks. [...] Maria Sabine Augstein,

Rechtsanwältin, Tutzing

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