Naziüberfall auf Raststätte: "Wir waren eingekesselt"
Ein 17-Jähriger aus Weimar wollte in Dresden gegen Neonazis demonstrieren. Auf dem Weg, so schildert er, wurde er auf einer Raststätte von einer Gruppe von Schlägern angegriffen und verletzt.
taz: Sie sind am Sonnabend nach Dresden aufgebrochen, um gegen Neonazis zu demonstrieren. Wie begann die Fahrt?
Thomas Schneider: Das Weimarer Bürgerbündnis gegen Rechts hat einen Bus organisiert. Ich wollte die Gelegenheit nutzen, den geschichtsrevisionistischen NPD-Aufruf abzuwehren. Und weil der Bus nicht genug Platz für alle hatte, sind einige privat gefahren. Wir wurden am Busplatz aufgeteilt und ich sagte: Ich fahr mit dem Pkw mit.
So saßen Sie im Auto Richtung Dresden.
Genau. Wir sind morgens gegen 8.20 Uhr los, zu siebt, das war so ein Kombi, wo hinten zwei Sitze hochgeklappt werden können. Ungefähr auf halben Weg haben wir gesagt: Jetzt können wir ne kleine Pause machen. Bei einem Rastplatz sind wir von der A 4 abgefahren. Einer mit Toilettenhüttchen und ohne Gastronomie. Doch da war ein Nazi-Bus.
Woran erkannten Sie das?
Schwarze Kleidung, Kapuzen, Basecaps, Sonnenbrillen. Auf den zweiten Blick konnte man Thor Steinar und andere Marken erkennen. Deshalb haben wir nicht angehalten, sondern sind wieder auf die Autobahn.
Dann kam die Raststätte Rabensteiner Wald.
Dort war auch ein Bus, um den mehrere Gestalten standen. Wir dachten aber: Im Rasthof ist ja Personal, dort sind andere Reisende, das ist sicher.
Dann gingen Sie vom Parkplatz zur Raststätte?
Die anderen sind vorgegangen. Ich stand noch mit zwei Leuten am Auto, die eindeutig als Punks zu erkennen sind. Ich habe Rastalocken, hatte aber die Kapuze aufgezogen, bevor wir ausgestiegen sind. Wir haben gesehen, dass bei einem Pkw Leute Sonnenbrillen aufsetzten. Einige haben mit dem Finger auf uns gedeutet. Da sind wir lieber zur Raststätte. Auf dem Weg haben sie Schneebälle und Eis geworfen. Auch Flaschen. Als wir ins Lokal reinkamen, war dort auch alles voll. Kein Personal war zu sehen, nur Nazis. Und die von draußen kamen hinterher. Eine Flasche flog über unsere Köpfe gegen die Wand. Dann sind wir in eine Ladenecke, wo Regale standen. Wir waren zu viert eingekesselt, die anderen waren auf der Toilette oder wurden in Ruhe gelassen, weil nicht erkannt wurde, dass sie zur Gruppe gehören. Vor allem auf die Punks wurde eingeschlagen.
Was dachten Sie da?
Es war seltsam. Ich wusste: Ich darf nicht zurückschlagen. Ich muss hier irgendwie raus. Ich wusste aber nicht, wie es ausgeht. Wollen die uns nur ein bisschen verdreschen oder allen die Knochen brechen? Ich habe keinen Ausweg gesehen. Ich wusste nur: Da draußen sind Dutzende, und wenn die lustig sind oder wenn die mal nicht aufpassen, können die uns einfach tottreten.
Wie kamen Sie wieder raus?
Ein Mann ging dazwischen. Er war ordentlich gekleidet, hatte wohl Einfluss auf die Gruppe und konnte sie beruhigen. Ich gehe davon aus, dass er ein Parteifunktionär war. Er hat uns durch den Hinterausgang geleitet. Da wurde ich zu Boden geworfen und sie haben auf mich eingetreten. Irgendwann hat es aufgehört und ich rannte weg.
Am Auto trafen Sie Ihre Mitfahrer?
Ja. Ich saß hinten, und noch bevor das Auto losfuhr, ist eine Bierflasche durch die Heckscheibe geflogen, direkt neben meinem Kopf. Die Scheibe war komplett zertrümmert. Wir haben dann über das Handy 110 angerufen. Bei der Autobahnpolizei haben wir den Fall erklärt und dann wurde ein Rettungswagen gerufen. Der hat uns drei in die Klinik gebracht.
Was für Verletzungen haben Sie davongetragen?
Einen hatte eine Flasche am Kopf getroffen, die Platzwunde musste genäht werden. Ich selbst hatte zwei kleine Wunden am Kopf, die habe ich aber erst später entdeckt. Zusätzlich hatten wir Prellungen im Gesicht und an den Armen. Aber wir haben unglaubliches Glück gehabt.
Die Polizei hat am Samstag Verdächtige in Gewahrsam genommen, sie ermittelt. Wie geht es weiter?
Unser Fahrer steht im Kontakt mit Beamten. Vielleicht werden wir noch vorgeladen, um Fotos abzugleichen.
Kamen Sie an dem Tag eigentlich noch nach Dresden?
Nein. Personalien aufnehmen, aussagen, Krankenhaus, wieder vor der Polizei warten - das hat so bis sechs Uhr gedauert. Da sind wir nach Hause gefahren.
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