Naziaufmarsch in Bad Nenndorf: „Verpisst euch“
Über 1200 Menschen stellen sich den Rechten am Samstag in den Weg. Anders als 2013 freuen sich die Anwohner über die Unterstützung der Autonomen.
BAD NENNDORF taz | Am jüdischen Gedenkstein in der Kurstraße herrscht eine entspannte Stimmung. Hier in Bad Nenndorf kommt kurz vor 11 Uhr Applaus auf. „Wir haben auf euch gewartet, herzlich Willkommen“, schallt es über den Lautsprecherwagen. Äußerst freundlich empfangen Anwohner die angereisten Demonstranten. „Sie sind uns alle willkommen“, sagt Bürgermeisterin Gudrun Olk vor den rund 1200 angereisten Menschen, die heute gegen den geplanten „Trauermarsch“ von Rechtsextremen demonstrieren wollen.
Vor einen Jahr sind die Demonstranten gegen den damals angekündigten „Trauermarsch“ des rechtsextremen „Gedenkbündnis Bad Nenndorf“ noch nicht so locker und freundschaftlich miteinander umgegangen. In der niedersächsischen Kurstadt nahe der Landehauptstadt Hannover sorgten sich Anwohner wegen den „zu gereisten Chaoten“. Dennoch gelang es Anwohnern und Antifa gemeinsam den Marsch der Rechtsextremen zu blockieren. Friedlich und gewaltfrei. Erstmals seit 2006 mussten die Rechtsextremen damals umkehren.
Sieben Jahren lang zogen sie stets Anfang August vor das „Winklerbad“, das die britische Armee vom 1945 bis 1947 als Internierungslager nutzte. Die dort stattgefundenen Misshandlungen von Häftlingen nutzt die Szene von NPD und Freien Kameradschaften (FK), um die Verbrecher des Nationalsozialismus zu verharmlosen und das Leid der deutschen Opfer zu betonen.
Der Erfolg von 2013 wirkt auch am Samstag nach. In der Kurstraße sind am Samstag sind nicht bloß Plakate gegen Rassismus, Revanchismus und Nationalismus zu sehen. Viele Demonstranten tragen ein gelbes Plakat: „PMK. Politisch motivierte/r Kriminelle/r. Tatort. 03.08.2013 Bad Nenndorf“, steht darauf. Eine Anspielung auf die später eingeleiteten Verfahren gegen die gewaltfrei Blockierenden.
Jürgen Uebel vom „Bündnis Bad Nenndorf ist bunt“ sagt, dass der Protest jetzt zusammenwachse, sich nicht kriminalisieren lasse. „Der Protest wirkt. Denn in der rechtsextremen Szene wird über den Marsch gestritten“.
Kurz vor 14 Uhr bestätigt sich am Bahnhof seine Aussage. 2014 bleibt das „Gedenkbündnis Bad Nenndorf“ um Sven Skoda und Marco Bormann unter der Teilnehmerzahl von 2013. Statt knapp 270 Kader sind dem Aufruf nun 190 Aktivisten von der NPD, Die Rechte und FK gefolgt. Mit Trommeln und Trauermusik zieht der Tross durch die Innenstadt zum Winklerbad, vorbei an unzähligen Transparenten. Vielen haben weiße Hemden oder Blusen an. Eine Anspielung auf das kurze Verbot der SA 1930, die dann statt in braunen in weißen Hemden aufmarschierten.
„Lächerlich seid ihr!“
„Verpisst euch“, schreit eine Frau von Balkon. Mit Trillerpfeifen begrüßen zwei Herren sie im Vorgarten mit Bier in der Hand. „Lächerlich seid ihr, einfach lächerlich“. Kaum ist der Marsch am Winklerbad angekommen, ertönt ein ohrenbetäubender Protest. Eine Blockade fand dieses Jahr nichts statt. Von der Kurstraße sind die Gegendemonstranten allerdings zur Bahnhofstraße gezogen, die direkt am Bad liegt. Trillerpfeifen und Vuvuzelas übertönen alle Reden.
Selbst die im Kreis stehen Rechtsextremen können kaum hören wie Skoda von der Partei „Die Rechte“ über diesen Protest schimpft. Auch die Wortbeiträge der englischen Gäste Peter Rushton von der „Britisch People's Party“ und Richard Edmonds, Anhänger der „National Front“ kann nicht jeder Rechter hören.
Unter Jubel der Gegendemonstranten ziehen die Rechten schnell zum Bahnhof zurück. Sichtlich von lärmenden Protest angestrengt. „Ein Erfolg“, nennt Borrmann den Trauermarsch dennoch. „Wir wollten zum Winklerband, wir sind am Winklerbad“. Im nächsten Jahr, versichert der frühere niedersächsischen NPD-Kommunalpolitiker, kommen sie wieder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken