Naziaufmärsche in Dresden: Verfahren gegen Blockierer ausgesetzt
Die "Strafbarkeitslücke" im Versammlungsrecht beschäftigt nun auch Gerichte. Das Bündnis Dresden Nazifrei kündigt unterdessen erneute Proteste gegen Nazi-Aufmärsche an.
DRESDEN taz | Das erste Dresdner Verfahren gegen einen Teilnehmer der Anti-Nazi-Proteste vom 19. Februar dieses Jahres wird vorerst ausgesetzt. Amtsrichter Falk gab dies nach nur zwei Stunden mündlicher Verhandlung am Mittwoch bekannt. Die Ermittlungsgrundlage sei viel zu dünn, sagte Verteidigerin Kristin Pietrcyk aus Jena.
Der Angeklagte Daniel H. gehörte zu den etwa 200 Blockadeteilnehmern auf der Dresdner Fritz-Löffler-Straße, deren Personalien die Polizei feststellen konnte. Eine ursprünglich für Montag angesetzte Verhandlung gegen einen anderen Demonstrationsteilnehmer war abgesagt worden. Die Richterin wollte sich zunächst mit dem aktuellen Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags beschäftigen. Dem Gutachten zufolge gab es in Sachsen hinsichtlich des Versammlungsrechts zwischen Januar 2010 und April 2011 eine Strafbarkeitslücke. Weder das sächsische Versammlungsgesetz noch das Bundesgesetz seien gültig gewesen. Die Staatsanwaltschaft hingegen ist der Ansicht, dass sie sehr wohl auf Grundlage des Bundesgesetzes ermitteln kann.
Das Amtsgericht Dresden wiederum bestätigte in der Vorwoche, dass die Durchsuchung einer Anwaltskanzlei im Dresdner "Haus der Begegnung" am Abend des 19. Februar rechtswidrig war. Damit korrigierte das Amtsgericht seine ursprüngliche Entscheidung vom Mai. Im Juli hatte bereits das Landgericht Dresden die Durchsuchung als rechtswidrig deklariert.
Mit der Durchsuchung der Parteizentrale der Dresdner Linken wollte die Polizei Beweise für die angebliche Organisation von Gewalttaten bei den Demonstrationen sichern. Dabei war auch das Anwaltsbüro verwüstet worden. Die Linke hat bereits erfolgreich einen Sachschadenersatz von 6.500 Euro eingeklagt.
"Funkzellenparty" für nächstes Jahr geplant
Inzwischen hat das Bündnis Dresden Nazifrei eine erneute bundesweite Mobilisierung im Umfeld des Dresden-Gedenkens am 13.Februar 2012 angekündigt. Dabei werde es nicht nur um die Verhinderung der Nazi-Aufmärsche gehen, sondern auch um Bürgerrechte und Repression, sagte Henning Obens von der Interventionistischen Linken bei einer Aktivierungskonferenz an der Dresdner Universität. Mit einer "Funkzellenparty", bei der jeder "mindestens ein zweites Handy mitbringt", sollen die Überwachungsmaßnahmen ad absurdum geführt werden.
Umstritten blieb auf der Konferenz allerdings der Umgang mit Gewalttätern und eingeschleusten Provokateuren. Universitätsrektor Hans Müller-Steinhagen, der an der Konferenz teilnahm, würdigte zwar den Einsatz gegen Fremdenfeindlichkeit und Extremismus, hatte aber einen Workshop "Blockadetraining" untersagt.
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