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Nazi-Casting"Hier ist nicht 2007. Hier ist 1943"

Staffage für Stauffenberg: Wie ich für Tom Cruise zum Nazi-Soldaten wurde - und niemand mich fragte, ob ich vielleicht tatsächlich ein Nazi bin.

Der Scheitel ist prima. Wenn auch verdeckt. Bild: taz

Für manchen Politiker und Journalisten ist der Stauffenberg-Film ein Skandal, weil ein Scientologe darin die Hauptrolle spielt. Für die Mitarbeiter einer Casting-Agentur aus Charlottenburg ist es ein Job wie jeder andere. Seit ein paar Wochen rekrutieren sie in einem Büro mit unverputzten Wänden und weiß lackierten Tischen Soldaten für den neuen Film von Tom Cruise. "Wir suchen ausschließlich Soldaten der einen Armee. Du weißt schon welcher ...", heißt es in einer Email der Agentur, die mir eine Freundin vor ein paar Tagen weiterleitete. Die eine Armee, das ist natürlich nicht irgendeine, sondern die Wehrmacht der Nazis. 5000 Statisten sucht die Agentur angeblich für ihre Kartei. Voraussetzungen: Mitteleuropäisches Aussehen, helle Haut, Bereitschaft zu Kurzhaarschnitt und militärischem Training. Von politischer Gesinnung ist in der Email keine Rede.

Dass ein Nazi-Casting ziemlich daneben gehen kann, wenn man seine Statisten nicht genau unter die Lupe nimmt, zeigte das Hitler-Großprojekt "Der Untergang". Denn pünktlich zum Start des Filmes vor drei Jahren landete der NPD-Politiker Karl Richter den großen Coup seiner Karriere. In einem süffisanten Aufsatz (Titel: "Mit dem Führer in Halle 12") enthüllte der Neonazi, er habe im "Untergang" den Adjutanten von Keitel gespielt. Dem Mann vom Casting habe seine schnittige Frisur so gut gefallen, dass er ihm die Rolle gegeben habe, schrieb Richter.

Auch meine Frisur kommt in der Agentur gut an. Der Scheitel sei prima, man müsse nur an den Seiten noch ein bisschen nachrasieren, sagt Nella, eine etwa 30-Jährige in einem weißen Kostüm, die die Bewerber am Eingang erwartet. Aber "ja nicht zum Frisör gehen, das machen wir", mahnt sie und reicht mir ein Formular. Die Agentur will viel wissen von ihren zukünftigen Soldaten. Ob ich Aktfotos von mir machen lassen würde? Ob ich ein Fahrrad habe? Ob ich einen Anzug oder einen Smoking besitze oder gar eine Uniform? Eine Uniform? Ob das häufiger vorkomme, dass einer seine eigene Wehrmachtsuniform mitbringe, frage ich. "Eher selten", murmelt Nella abwesend.

Wir gehen zusammen in den hinteren Teil des Büros. Nella will Fotos von mir machen. An der gegenüberliegenden Wand hängt ein Arrangement von Portraits. Goebbels, Himmler, Hjalmar Schacht, Keitel, Adolf Hitler und eine ganze Reihe weiterer finsterer Gestalten in Uniform. Ob ich eine bessere Rolle bekomme, wenn ich einem von denen ähnlich sehe, will ich wissen. "Kann passieren" antwortet Nella und drückt auf den Auslöser.

Marcel übernimmt das Kommando. Mit seinen schläfrigen Augen und den tief hängenden Jeans könnte dieser Charlottenburger Agenturmitarbeiter auch in einem Fashion-Store in Berlin Mitte arbeiten. Er trägt meinen Namen in eine Liste ein. Jetzt bin ich offiziell Soldat. In der Zeile steht "Cast: Soldier, Fabian Dietrich, 45 EUR". Ob bei dem Film eigentlich alle bei Scientology seien, frage ich ihn. "Nein, nein, wir haben das nachgeprüft. Tom Cruise ist der einzige", versichert Marcel. "Keine Sorge, den wirst du am Set garantiert nicht sehen."

Marcel zieht einen Schäferhund zurück, der sich an meinen Beinen reibt und an meinem Schritt schnüffelt. Der Filmtitel habe sich übrigens geändert, sagt der Agenturmitarbeiter beiläufig. "Valkyrie heisst jetzt Rubicon". Eine Anspielung auf das berühmte Stauffenberg-Zitat vom überschrittenen Rubikon. Morgen soll es gleich losgehen. "Im Bendlerblock?", frage ich. "So ein Quatsch. Das schreiben die Medien. Da wollten wir auch niemals hin. Die Kulissen sind schon lange im Studio Babelsberg aufgebaut", antwortet Marcel. Der erste Tag ist ein Trainingstag. Er wird nicht im Studio, sondern im "Rubicon-Bootcamp" stattfinden, einer gigantischen Fabriketage in Charlottenburg. "Jetzt siehst Du noch aus wie Kanonenfutter, aber morgen wird das anders sein. Da wird sich zeigen ob du Flakschütze wirst oder Rotkreuzhelfer", sagt Marcel.

Ob denn auch echte Nazis in die Agentur kommen, frage ich. "Klar", sagt Marcel, "bei einigen sieht man's, andere können es verstecken". Aber bei mir, er lacht, hätte er da keine sorgen. Seine Kollegin Nella erinnert sich nur an einen potentiellen Nazi, der beim Casting dabei war. Ein kräftiger Mann mit Glatze stand eines Tages in der Tür. Er habe sich mit nacktem Oberkörper fotografieren lassen und "üble Tatoos" gehabt. "Der Hass" stand auf seiner Brust. Nella hat ihn selbstverständlich nicht zurück gerufen. Doch der Mann kam wieder und fragte nach. "Der war total nett und hat gesagt, das liege alles in seiner Vergangenheit", sagt Nella. Da hat die Agentur dann doch noch mal ein Auge zugedrückt.

Am nächsten Morgen um Neun pendelt das Geräusch eines summenden Rasierapparates zwischen meinen Ohren. Der Scherkopf brennt mir heiß in die Nackenhaut. "Sagt tschüss zu euren Haaren", ruft ein Maskenbildner. Ich befinde mich im dritten Stock des "Rubicon-Bootcamp". In den letzten Tagen wurden hier hunderte von Männern in Wehrmachtssoldaten verwandelt. Die Maskenbildner lernen die Haarschnitte anhand von Originalfotos, die an der Wand hängen. Nach zwanzig Minuten sind meine Seitenhaare ab, mein Scheitel fällt mir links in die Stirn. "Na du Fascho", begrüßt mich ein blasser Statist, als ich mich im Wartebereich für die Neuankömmlinge auf eine Bank setze.

Die meisten Unterhaltungen im "Rubicon-Bootcamp" laufen genau so ab. Eine seltsame Mischung aus schwarzem Humor und Stammtischparolen. Neben mir sitzen fünf Männer Anfang bis Mitte zwanzig. Sie haben frisch rasierte Nacken, tragen schicke Turnschuhe und finden das ganze Nazi-Theater offensichtlich ziemlich aufregend. "Im Berliner Kurier stand, die haben die Wolfsschanze am Stadtrand aufgebaut", sagt einer von ihnen. Er habe in der "Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne" gedient und deswegen schon Erfahrung, erzählt ein anderer lachend. Nicht alle im "Rubicon-Bootcamp" sind so ausgelassen. Ein ernster Korpsstudent zeigt mir einen Schmiss neben seiner frisch rasierten Schläfe. Ein Freund habe ihm von "Rubicon" erzählt. Ihm gefalle, dass es ein Film-Dreh mit viel Action sei. Ein bisschen abseits sitzt eine Gruppe etwa vierzigjähriger Komparsen auf einer Holzbank. "Stramm und kurze Haare, so waren sie alle!" ruft mir einer von ihnen zu, als ich aufstehe, um mir meine Uniform zu holen.

Gemeinsam mit fünf anderen führt man mich durch eine mit weißen Stoffwänden unterteilte Halle. Wir durchqueren einen gewaltigen Dschungel aus Ledermänteln, Jacken, Stiefeln und Stahlhelmen. Auf einem großen Haufen liegt eine eingeschweißte Mütze der Totenkopf-SS. "Ist das hier für die Ostfront, honey?" ruft der Chef der Kostümabteilung seiner Kollegin zu. Wir ziehen uns bis auf T-Shirts, Socken und Unterhosen aus und lassen uns graue Uniformen und Stiefel geben. Die Hose schlackert mir um die Beine, die Jacke scheuert auf der Haut. Während ich meine ersten klackernden Schritte mache, fällt mir auf, dass mein Körper ohne mein Zutun eine ungewohnt aufrechte Haltung eingenommen hat. Im Spiegel entdecke ich den silbernen Adler mit dem Hakenkreuz auf meiner Brust. In dem Moment beginnt die Ethno-Hymne "King of the Bongo" von Manu Chao aus den Lautsprechern zu plätschern. "Top Notch. Excellent, Good Job, Boy", kommentiert der Chef der Kostümbildner die Uniformen. Er hat sich einen langen Schuhlöffel unter den Arm geklemmt und schreitet die neuen Nazi-Soldaten mit einer blau-weissen Plastikpfeife im Mundwinkel ab. Das Mädchen, das ein paar Schritte weiter die Wehrmacht-Gürtel ausgibt, bringt es ganz gut auf den Punkt. "Schon ein bisschen bizarr hier", nuschelt sie in sich hinein.

In welchem Regiment wir sind, weiß niemand so genau. "Berlin-Soldier" liest eine Kostümbildnerin von einer kleinen Tabelle ab. "Wir sind bestimmt das Wachbatallion", flüstert mir ein pickliger, blonder Soldat ins Ohr. Habe ich eben Begeisterung in seiner Stimme gehört? Ich stelle mich vor eine Leinwand mit der Nummer 1206 und werde fotografiert. Danach ziehe ich mich um und gehe zurück auf die Wartebank. "Ob wir heute eigentlich Sieg Heil schreien müssen", fragt einer in die Runde. Keiner antwortet. "Weißt du, die Wehrmacht war die beste Armee im Nahkampf", erzählt ein stämmiger Student aus unserer Gruppe seinem Freund. Von diesen kleinen Momenten, in denen den Statisten ihre Rolle in Fleisch und Blut übergeht, hat der NPD-Politiker Karl Richter in seinem Aufsatz geschwärmt.

"Links zwo drei vier und Marsch", stimmt einer der Soldaten an. Wir werden ins Herz des Bootcamps geführt, wo wir lernen sollen, uns wie Soldaten zu bewegen. In einer lichtdurchfluteten Halle erwarten uns die militärischen Ausbilder. "Gruppe-1 in einer Rei-he... Angetreten!" Die Stimme eines kleinen muskulösen Mannes hallt von den Wänden wider. Der Ausbilder mustert uns mit stechendem Blick. "Hier ist nicht 2007, sondern 1943. Bei der Wehrmacht ging es anders zu als bei der Bundeswehr", sagt er. Wir marschieren auf dem Laminatboden vor- und zurück, wir halten dutzende Male an, drehen um und achten penibel genau darauf, dass unsere Fußspitzen auf einer Linie stehen. Ich bin der kleinste der Gruppe und muss mich deshalb immer am Ende einreihen. Ein guter Soldat werde ich wohl nie werden. Das Stillstehen bereitet mir Probleme. Es schmerzt im Rücken, ich vergesse jedes Mal, meine Hände flach am Körper zu halten. "Wenn ich stillgestanden sage werden SIE zu Zinnsoldaten. Dann stehen SIE bis das Moos an ihnen wächst", befiehlt uns ein Ausbilder. "Das hier ist echte Männerzucht", sagt sein Kollege.

Bevor ich das "Rubicon-Bootcamp" verlasse, spreche ich noch mit Jesse, dem Produktionsassistenten. Ob es denn echte Nazis unter meinen Kollegen gäbe? "Äh, keine gesehen", sagt er. "Ich glaube, wir haben hier gewisse Filterprozesse, keine Sorge, da passiert nichts". Seine Kollegin hat da Zweifel. Sie erzählt, vor kurzem sei ein seltsam fanatischer Typ bei der Kostümprobe aufgekreuzt. Der habe ein braunes Hemd angehabt und ausdrücklich verlangt, einen SS-Offizier spielen zu dürfen. Ob er rausgeflogen sei? Sie zuckt mit der Schulter. "Bei der SS ist er jedenfalls nicht gelandet".

Nach der Veröffentlichung dieses Textes werde ich vermutlich vom Drehplan für Rubicon-Stauffenberg gestrichen. Es wird keinen Wehrmachtsoldaten "1206" geben.

Den Film will ich mir trotzdem anschauen, wenn er in ein bis zwei Jahren in die Kinos kommt. Nicht, weil ich Tom Cruise mag. Und auch nicht, weil ich mitreden will, wenn mal wieder darüber diskutiert wird, ob ein Scientologe denn einen Hitler-Attentäter spielen darf oder nicht. Sondern weil ich möglicherweise einen alten Bekannten wiedersehe. Vielleicht ist Karl Richter ja auch wieder dabei.

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5 Kommentare

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  • KF
    Karin F.

    Ich habe einmal in Paris für ein sehr berühmtes Theater in Kostümwerkstatt gearbeitet. Bei dem Stück das wir vorbereiteten wurden auch mehere Wehrmachts- und SS-Uniformen verwendet.

     

    Eine meiner Chefinnen fragte mich mich süffisantem Blick, ob ich denn die "deutschen" Uniformen schon gesehen hätte.

     

    Ich wurde ziemlich wütend und fragte sie, ob sie denn immer noch nicht wüsste, daß ein Deutscher und ein Nazi nicht das gleiche ist.

     

    Das war 2006, also ca 61 Jahre nach dem Ende des dritten Reiches.

  • F
    Fabian

    Was ist das nur für ein ignoranter Bericht!?

     

    Bereits die Überschrift lässt erahnen über wieviel geschichtliches Hintergrundwissen und historisches Bewusstsein der Autor verfügt.

     

    Da ist von "Nazi-Soldaten" die Rede.

    Was bitte soll das sein?! Waren etwa alle Mitglieder der Wehrmacht Nazis?

    Mit Sicherheit nicht, wie uns zum einen die Widerstandgruppe des 20. Juli beispielhaft gezeigt hat, zum anderen aber auch das persönliche Beispiel meines Großvaters, welcher bereits in den 30er Jahren aufgrund seiner SPD-Mitgliedschaft unter Gestapo-Beobachtung stand, jedoch über die gesamte Kriegsdauer im Fronteinsatz war.

    Und letzterer beruhte ja bekanntlich nicht auf freiwilliger Basis.

  • R
    rumburak

    zu iris mueller: interessant ist, dass sie den film "der untergang" anfuehren mit den worten "einen film wie..." - das zeigt, dass sie eben nicht sehen, was ?der untergang? auch ganz gut schafft: hitler als nahezu liebevoll knorrigmentalen vegetarier (und dazu noch erstaunlich schlecht geschauspielert), die russen als grunzende untermenschen und die juden gar nicht zeigt. ein film, dem heutige (neo-)nazis reihenweise applaudieren. ein film, ueber den sich deutschlandfahnenschwenker freuen, wenn sie hitler beim kacken zusehen koennen und ihr verbloedungswall einen neuen backstein bekommt. zwischen zeigefingerfilmen und schlicht bloeden scheint es scheinbar nirgendwo noch etwas anderes zu geben...

     

    hinzu kommt, dass es scheinbar ueberhaupt kein bewusstsein bei den jetzigen stauffenberg-film-beteiligten dafuer gibt, dass stauffenberg das attentat vor allem aus militaerischer einschaetzung geplant haben koennte, weil er hitlers kriegsfuehrung eben nicht mehr so prickelnd fand... dass stauffenberg sich gegen faschimus und auch gegen die vernichtung der juden wehrte, genauso mythenbildung sein koennte, die besonders heute zur stilbildung eines neuen deutschen nationalismus beitraegt. und weiter dabei mithilft, die deutschen (nazis) von damals von taetern zu opfern umzudeuten.

  • IM
    Iris Müller

    vielen Dank Dank für Deinen kurzweiligen Artikel. Da er sich über weite Strecken mit unserer Arbeit auseinandersetzt, möchte ich kurz Stellung dazu beziehen.

     

    Die Verfilmung des Attentates durch Graf Schenk von Stauffenberg auf Hitler sorgt nun bereits seit einigen Wochen für eine hitzige Diskussion in den Medien - die Thematik des Filmes und die Glaubensvorstellungen des Hauptdarstellers bieten natürlich eine ideale Reibefläche. Genau wie Dir soll es mir aber nicht um diese Auseinandersetzung gehen: Die Taten der Widerstandskämpfer stehen für sich; die Opferbereitschaft des Verschwörerkreises um Stauffenberg für ihren Glauben an eine andere Welt wird sich nicht durch den 90minütigen Auftritts eines Mitgliedes der Scientology Kirche in etwas falsches verkehren.

     

    Es überrascht mich allerdings, auf welcher Grundlage Du unsere Arbeit einschätzt: Selbstverständlich hängen unsere Büroräume voll von den Fotos verschiedener Nazi Größen - die Besetzung von Komparsen für einen historischen Film erfordert viel Recherche und Hintergrundarbeit. Um die Geschehnisse so exakt wiederzugeben, wie das Medium und die Vorlage es zulassen, werden diverse historische Berater hinzugezogen. Es wurden bereits einige Komparsen erneut in das von dir beschriebene Bootcamp geschickt, weil ihre Uniformen oder Teile davon fehlerhaft waren: Diese Genauigkeit hat nichts mit Fetischismus zu tun, vielmehr zeigt es, dass den Machern bewusst ist, dass sie sich einem schwierigen Kapitel der Geschichte angenommen haben & dass die Darstellung dieser Geschichte es verlangt, einige, für uns alle unangenehme Konzessionen zu machen: sei es der Haarschnitt, das Marschieren (die Wehrmacht ist - heute unüblich - im Stechschritt marschiert, was ein separates Training erforderlich macht, wenn man es in einem Film zeigen möchte) und eben auch die Auseinandersetzung mit Menschen, wie Karl Richter, der sich nicht entblödet, einen Film wie "Der Untergang" für seine Plattform halten zu können (und dessen Kalkül dank dem unverdienten Medienecho auch noch aufgeht).

     

    In diesem Zusammenhang stellt sich mir die Frage, was sich hinter der unausgesprochenen Forderung, wir mögen Neubewerber hinsichtlich ihrer politischen oder religiösen Motive genau überprüfen, eigentlich verbirgt. Es ist selbstverständlich unmöglich 5000 Komparsen ins Gewissen zu reden, um herauszufinden, ob sie Geld brauchen, einfach nur mal gerne an einem internationalen Filmset sein möchten oder sich der politischen Rechten zuordnen und selbstverständlich wird es unvermeidlich sein, dass sich in die Reihen der Komparsen auch die ideologisch Verblendeten einreihen. Aber ähnlich wie mögliche Terroristen bei der Einreise in die USA die Frage, ob sie dort sind, um einen Anschlag durchzuführen, mit Ja beantworten werden, werden sich auch diese Menschen nicht mit einem multiple choice Test aussortieren lassen.

     

    Im Grunde entlarven sie sich mit einer Teilnahme als Komparse in einem Film, der das Regime der Nazis als genauso unmenschlich darstellt, wie es war, doch selbst als genau das, was sie sind: Menschen, die nichts verstanden haben.

     

    Es scheint mir symptomatisch für die ganze Diskussion um die Stauffenberg Verfilmung zu sein, dass sie zum einen Sachverhalte zusammenbringt, die gar nicht notwendigerweise zusammen gehören und das zum anderen eine völlig unangebrachte Hysterie geschürt wird.

    Wenn Du unseren Mitarbeiter Marcel fragst, ob denn alle Angestellten der Produktion bei Scientology sind, dann bringst Du das Problem genau auf den Punkt, denn wenn auf diesem Niveau über eine wichtige und höchst diskutable Frage gesprochen werden soll, dann drängt sich mir der Verdacht auf, dass die Antwort gar nicht von Interesse ist, weil sie längst feststeht. Als Tom Cruise 2004 in der Reichstagskuppel drehen wollte, hat m.E. nach niemand gesagt, dass man einen Scientologen doch nicht an diesen geschichtsträchtigen Ort drehen lassen dürfe - er ist seit 1986 Mitglied der Sekte.

     

    Solltest Du noch Fragen zu unserer Arbeit haben oder uns mit konkreten Vorschlägen helfen können, wie wir unser Komparsencasting in einem positiven Sinne verändern können und rechte Gesinnungsgenossen von den Filmsets fernhalten, würden wir uns sehr freuen, wenn Du Dich bei uns meldest. Und da wir im Jahr 2007 leben und 1943 nur und ausschließlich vor laufender Kamera gespielt wird - am Rande erwähnt, nicht zuletzt zu dem Zweck, durch den Mut eines Mannes gegen Menschenverachtung und Faschismus die Zuschauer zu mehr Zivilcourage zu inspirieren - werfen wir Dich selbstverständlich nicht aus der Kartei. Warum sollten wir auch?

     

    Oh, eines noch: die Anekdote mit den selbst mitgebrachten Wehrmachtsuniformen war wirklich witzig: allerdings handelt es sich um einen allgemeinen Aufnahmebogen für die Kartei & manchmal suchen wir auch für "Verliebt in Berlin" einen Postboten oder Rettungssanitäter - in eigener Uniform & doch ganz unpolitisch - denn das ist unser Geschäft manchmal auch.

  • AG
    Allen Ginsburg

    Schöner Bericht.